laut.de-Kritik

Was zum Teufel ist eigentlich in Mainz los?

Review von

Das war keine Liebe auf den ersten Blick. Im Gegenteil. Separate hat ganz schön lange gebraucht, bis er sich in mein Gehör und mein Herz geschlichen hat. "Zahltag" erschien im November, lief nebenher, kickte mich auf Anhieb so wenig wie beim zweiten und dritten Durchlauf, bekam den gedanklichen Stempel "langweiliger Mist" aufgedrückt und ging in der Veröffentlichungsflut des ausgehenden letzten Jahres unter.

Ich weiß nicht genau, welche Umstände das Ding vergangene Woche wieder in meinem CD-Player landen ließen. Ob es jemand gut mit Separate gemeint hat? Oder mit mir? Ob ich unter einer vorweihnachtlichen Wahrnehmungsstörung gelitten habe? Anders ausgedrückt: War ich bescheuert?

Ich bitte um Vergebung für nahezu alle abwertenden Gedanken. Okay, Separate schwingt sich nicht unmittelbar zu meinem Lieblingsrapper auf, zeigt aber eine konstant starke Leistung. Ein klein wenig zu konstant vielleicht. Besonders inhaltlich hätte "Zahltag" mehr Abwechslung gut getan. Rückblicke auf den eigenen Werdegang, paradoxerweise kombiniert mit immer wiederkehrenden "Schau nach vorne, nicht zurück"-Aufforderungen, öden auf Dauer doch etwas an.

Wobei man zugeben muss: Besonders dann, wenn Separate mehr Tempo vorlegt, tönt das sehr amtlich. Seinen gedrosselten "Soundtrack Zum Leben" halte ich genau aus diesem Grund für einen ungeschickt gewählten Einstieg, zu langsam, um bleibenden Eindruck zu schinden.

Doch das Instrumental ... wow. Überhaupt erfreuen die Beats mit Tiefgang und Vielfalt. Ich frage mich, wo zum Teufel ich anfangs eigentlich meine Ohren hatte. Synthetischer 80er-Style ("Deutschlands Hustler"), melancholisches Piano ("Gib Mir Die Hand"), klar strukturierte, elektronische Kulissen ("Amsterdam"), sogar eingängige Popmelodien ("Good Old Days") und Harfenklänge ("Gottes Sohn"). Separate schreckt vor nichts zurück. In der großartigen Sammlung, die vorwiegend von den Nachtwandlern zu verantworten ist, kommen ganz unterschiedliche Geschmäcker bestens auf ihre Kosten.

Streicher werden mal in klassischen, an Love Unlimited erinnernden Orchester-Sound eingebunden ("Soundtrack Zum Leben"), in "Überfall" dagegen völlig anders arrangiert. "Überfall" beweist zudem, dass sich amüsante Gangstergeschichten auch erzählen lassen, ohne dass der Urheber krampfhaft versucht, sich als solcher darzustellen und damit fast zwangsläufig einer gewissen Lächerlichkeit anheim fällt.

Separate war nie ein G, doch er kennt ein paar - das nehme ich ihm ab. Dankbarkeit gegenüber dem einstigen Mentor Kool Savas scheint ebenso unzerbrüchlich wie die Treue zu Mainz 05. Shout-Outs an den eigenen Rechtsanwalt hört man auch nicht alle Tage. Kleine Bemerkungen unterstreichen die Glaubwürdigkeit eben oft viel stärker als große Posen.

Der Titeltrack "Zahltag" verwendet derart typisch gepitchte Vocals, dass auch der Letzte merkt, wer hier über die Regler herrscht - ein Shuko-Beat, wie er im Buche steht. Staunend frage ich mich ein weiteres Mal: Was zum Teufel ist eigentlich derzeit los in Mainz?

"Du schaffst es nur, wenn du's auch allein kannst." Schön und gut, aber wer ist schon gern ganz allein? Separate holt sich jedenfalls Unterstützung von seinen Labelkollegen. Prinz Porno schaut ebenso auf einen Sprung vorbei wie Olli Banjo. Dickster Fisch im Netz ist zweifellos Cormega. Dass er einen Part zu "Heb Die Faust" beisteuert, dürfte Separate vor Stolz an die Grenze zum Platzen gebracht haben. Mit Recht!

Separates Fazit: "Ich lass mir von euch keine Scheiße erzählen / Ihr könnt mir jetzt nicht mehr reinreden." Danis Fazit: Zwei Daumen hoch für die Beats, einen für die Reime, und die Ohrfeige diesmal an mich selbst, weil ich so lange gebraucht habe, um das zu kapieren.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Soundtrack Zum Leben
  3. 3. Deutschlands Hustler
  4. 4. Zahltag
  5. 5. Gib Mir Die Hand
  6. 6. Mein Freund feat. Olli Banjo
  7. 7. Gottes Sohn
  8. 8. Amsterdam
  9. 9. Heb Die Faust feat. Cormega
  10. 10. Shine (1995)
  11. 11. Alles Was Zählt
  12. 12. Good Old Days feat. Charon
  13. 13. Überfall
  14. 14. All Around The World
  15. 15. Bestform feat. BW Allstars (Prinz Porno, Geeno, Charon, Abroo, Turkish)
  16. 16. Mein Leben
  17. 17. Outro

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