laut.de-Kritik

Der Ort, wo All und Wüste sich berühren.

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Die Hauptfrage, die "Sunrise To Sundown" aufwirft ist wohl: Kann die Musik der neuen Spiritual Beggars-Platte mit seinem Artwork mithalten? Allein das wäre schließlich schon Grund genug, sich das Teil ins Regal zu stellen.

Die Antwort lautet: Teils, teils. Totalausfälle sucht man zwar vergeblich. Zu oft kommt die Classic Rock-/Stoner-Mischung der Beggars allerdings nicht über ein gut gemeintes "solide" hinaus. Tracks wie "Sunrise To Sundown", das orgelgetriebene "Diamond Under Pressure" oder "Still Hunter" sind gerade, was die Rhythmussection angeht, alles andere als originell und in erster Linie nebensächlich.

So ist zu Beginn des Albums erst einmal wenig geboten, was Aufmerksamkeit verdient hätte, die ein freundliches Mitwippen oder -nicken übersteigt. Das einzige, was zunächst bei der Stange hält, sind Michael Amotts und Per Wibergs Lead-Ausflüge an Gitarre und Keyboard. Im Gegensatz zur Rhythmus-Sektion umschiffen diese nämlich Klischeeklippen erfolgreich und weiträumig.

Während die Riffs verzweifelt nach ein paar Überresten der abgegrasten 70er-, 80er-Weiden suchen, wagen die Beggars bei den Soli und Melodien ein paar Experimente. So bekommt zum Beispiel das Dio-hafte "What Doesn't Kill You" insbesondere dadurch noch die Kurve, dass Amott seine Skalen spielen lässt. Was zumindest ansatzweise über das generische Schlagzeug und die plumpe Hook hinweg hilft: "What doesn't kill you makes you stronger they say / I just don't know how much more I can take". So retro, um derartige Lyrics auspacken zu können, muss es dann bitte doch nicht sein.

Aber Vorsicht: Wer dachte, das wars schon, irrt sich zum Glück. Denn der Mittelteil hat es wirklich in sich. "No Man's Land" eröffnet den Reigen. Plötzlich ist auch das Fundament interessant. Ein smoothes Midtempo-Riff leitet an, mit ständig im Hintergrund lauernder Orgel. Dazu serviert Sänger Apollo Papathanasio erneut Dio-Gedenkvocals – diesmal allerdings merklich weniger aufgetragen und deutlich inspirierter. Der Hauptteil entschwindet schließlich in einen luftig-leichten Hippie-Part. Streichersynthies, Klavier und ein Traumpad malen Blumenwiesen in den blauen Himmel. Der fiese Doomakkord grätscht dazwischen, das Solo explodiert. Sharlee D'Angelo glänzt am Bass. Es geht also doch.

Plötzlich wirken die Beggars wie ausgewechselt. "I Turn To Stone" porträtiert mystischen Psychedelic-Doom, den vorerst Ludwig Witt mit einem pathetischen Drum-Groove dominiert. Nach und nach übernimmt dann aus dem Schatten heraus Per Wiberg mit unheimlichen Keyboard-Beschwörungen. Die zurückhaltende Akustikgitarre rundet ab, bevor alles in spacige Effekt-Halluzination abdriftet.

Genug gekifft. "Dark Light Child" entpuppt sich im Anschluss als wesentlich bewegungsorientierter. Das Tempo zieht an, die Riffs brezeln ordentlich und im obligatorischen Solo-Teil darf diesmal auch der Schlagwerker ran. "Lonely Freedom" punktet mit coolem Laid-Back-Vibe – die Beggars öffnen zum letzten Mal die Tore zum Ort, an dem All und Wüste sich berühren.

Denn die danach noch folgenden Abschlusstracks schlagen leider wieder in die Kerbe des Anfangs. Ganz nett eben. Nettes Wah-Wah-Solo, netter Groove. Doch mit Ausnahme einer wirklich guten Pink Floyd-meets-Billy Joel-Melodie kurz vor Ende in "Southern Star" sticht nichts mehr hervor. Schade eigentlich. Denn dass sie mehr bieten können als Durchschnittskost, beweist "the band that refuses to die" schließlich im Hochklasse-Vierakter "No Man's Land"/"I Turn To Stone"/"Dark Light Child"/"Lonely Freedom". Nächstes Mal bitte weniger Lückenfüller und mehr Hochklassiges.

Trackliste

  1. 1. Sunrise To Sundown
  2. 2. Diamond Under Pressure
  3. 3. What Doesn't Kill You
  4. 4. Hard Road
  5. 5. Still Hunter
  6. 6. No Man's Land
  7. 7. I Turn To Stone
  8. 8. Dark Light Child
  9. 9. Lonely Freedom
  10. 10. You've Been Fooled
  11. 11. Southern Star

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