14. Februar 2003

"Die Führungskräfte der USA sind Verbrecher"

Interview geführt von

Nachdem sie sich drei Jahre lang in verschiedenen Solo- und Nebenprojekten ausgetobt hatten, waren Such A Surge nun auch mal wieder gemeinsam im Studio. Im Gespräch mit LAUT erzählt Bassist und Manager Axel Horn von der neuen Platte und warum die Band ein altes LAUT-Interview lieber gelöscht sähe.

Im unserem letzten Interview sagt ihr: "Macht kaputt, was euch kaputt macht. Zerstört das System. Kein Leben ohne Kampf." Habt ihr das System zerstört?

Ich wurde in anderen Interviews darauf angesprochen. Und ich will auch darüber reden, weil in diesem Interview einige Missverständnisse drin sind. Z. B. eine Aussage von Dennis: "Lass uns in den Container gehen, Frauen poppen". Ich wurde letzte Woche in einem Interview darauf angesprochen, ob wir wirklich so ein ausschweifendes Rock and Roll Leben haben. Manchmal begreifen die Leute nicht, dass wir auch Humor haben. Wir machen ernstzunehmende Texte und gehen unseren sehr eigenen Weg. Dadurch habe ich den Eindruck, dass alle Menschen da draußen immer denken, alles von uns hat irgendeine Weltbedeutung und alles ist immer bitterernst. Aber nein, auch wir haben Humor. Um jetzt auf die politischen Statements des Interviews zu kommen. Das sind ja alles schöne Schlachtrufe aus den 70er Jahren. Ich selber bin ein riesiger Ton Steine Scherben-Fan, weil das für mich eigentlich DIE deutsche Band ist. Die einzige Band, die eigentlich jemals was gesagt hat. Das Zitat von Dennis aus dem letzten Interview ist aus dem Zusammenhang gerissen worden. Es steht da wie eine Plattitüden-Schlacht. Dennis ist ein sehr belesener Mensch was Weltwirtschaft, Großkonzerne und politische Verstrickungen angeht. Wenn Dennis von so was redet, spricht er fundierter als nur einen Slogan nach dem anderen anzubringen. Der erste Teil ist halt einfach witzig gemeint. Es ist bekannt, dass wir einfach Menschen sind, die ein bisschen mehr nachdenken. In dem Sinne fallen natürlich mal solche Slogans, sind aber am Ende des Tages auch nicht so bitter ernst gemeint. Musiker sollten im Endeffekt ja nicht Politiker spielen.

Sportfreunde Stiller geben in München ein Konzert gegen den drohenden Irak-Krieg. Würde so eine Aktion auch für euch in Frage kommen?

Auf jeden Fall. Auch wenn ich sage, Musiker sollten nicht Politiker spielen, sind Musiker immer noch Menschen. Und Menschen sollten ihre Meinung frei äußern. Wenn sie gegen etwas sind, sollten sie auch dagegen eintreten. Diese ganze Amerika-Frage kann ich eigentlich mit einem Satz abhaken. Die Führungskräfte der Amerikaner sind Verbrecher. Und das muss ich eigentlich gar nicht weiter ausschmücken.

Ist eine konkrete Aktion in diese Richtung geplant?

Nein, da ist nichts geplant. Wir sind im Moment mit unserem Album beschäftigt und haben auch noch keine derartige Anfrage bekommen. Wir äußern uns aber schon lange zu diesem Thema. Ich habe mich nach dem 11. September in vielen Interviews sehr direkt darüber geäußert. Ich sage auch immer dazu, dass ich auf den Tag warte, an dem die Amis bei mir im Büro stehen. Wir sind definitiv anti-amerikanisch eingestellt. Bei so einem Thema muss man immer vorsichtig sein. Ich glaube nicht an Verschwörungstheorien, kann sie aber auch nicht ausschließen. Der Menschheit ist in erster Linie erst mal jede Schweinerei zuzutrauen. Daher muss man jedes weltweite Ereignis für sich sehr genau prüfen. Und beim 11. September muss man Folgendes bedenken: Natürlich war das ein erschreckendes Ereignis und es ist traurig, dass über 3000 Menschen dabei umgekommen sind. Und ich habe an diesem Abend auch gebetet für die 3000 Menschen. Aber alle sieben Sekunden verhungert ein Mensch in Afrika. Wenn ich dann sehe, wie das ganze deutsche Volk sich wie eine Kolonie verhält und zur Deutschen Bank rennt und für die Opfer des WTC spendet ... Diese Ironie kann ich nicht begreifen.

Die Fans diskutieren im Forum eurer Homepage immer über den Kopierschutz. "Rotlicht" hat keinen Kopierschutz. Wie liefen da die Verhandlungen mit eurer Plattenfirma?

Da bin ich ganz ehrlich. Das ist nicht unsere Coolheit, sondern es kam uns zu Gute, dass gegen die großen Plattenfirmen im Moment viele Verfahren wegen des Kopierschutzes laufen. Mit Sony haben wir einen sehr guten Vertrag. Wir können 99 Prozent unserer Entscheidungen selbst treffen. Nur in kleinen, gewissen Punkten kann uns dieser Weltkonzern eben die Pistole auf die Brust setzen. Beim "10 Jahre" Album haben sie das in dem Sinne getan, dass sie weltweiten Kopierschutz hatten. Wir sind da gezwungen worden. Ich hatte unsere Anwälte schon in Front gebracht, aber wir konnten nichts dagegen ausrichten. Wir sind gegen Kopierschutz. Bei dieser Platte haben wir Glück, weil der weltweite Sonykonzern den Kopierschutz ausgesetzt hat. Dieser Großkonzern hat Klagen gegen sich laufen. Bevor diese Rechtsstreitigkeiten nicht vorbei sind, können sie eigentlich gar keinen Kopierschutz auf die Platten draufmachen. Kopierschutz verstößt auch einfach gegen die Rechte des Verbrauchers. Jeder Privatkonsument ist nun mal berechtigt, sich eine private Kopie einer CD zu machen. Die Großkonzerne verhindern dieses mit ihrem Kopierschutz. Darum gibt es sehr viele Klagen gegen die Großkonzerne, was ich auch sehr gut finde. Das ist auch uns zu Gute gekommen. Wir leben eigentlich davon, dass wir Konzerte spielen. Und wir sagen immer, umso mehr unsere Musik kennen und schätzen, umso mehr Leute kommen auch auf die Konzerte. Wie die jetzt an die Musik gekommen sind, ob sie die CD jetzt gebrannt haben oder einen mp3-File haben, ist uns eigentlich egal.

Wie würdest du die Veränderung beschreiben, die SAS in den letzten 10 Jahren durchgemacht hat?

Wenn man sich die fünf Platten von SAS hintereinander anhört, kann man sehr schön das Erwachsenwerden nachvollziehen. "Under Pressure" ist ein Album für Kids. Bei "Agoraphobic Notes" fangen Kids dann das erste mal an, sich mit sich selbst zu beschäftigen und auch ein bisschen die düstere Seite ihrer Seele zu entdecken. Dann kommt "Was Besonderes" - das sind jugendliche Musiker mit ein bisschen Pop-Appeal. Dann kommt der "Surge Effekt". Das ist ein sehr reifes Werk von Endjugendlichen. Und "Rotlicht" sehe ich im Augenblick nach drei Jahren Pause als erstes Album einer erwachsenen Band. Wir sind mittlerweile einfach erwachsen geworden. Die nächste Veränderung ist musikalischer Natur. Bis zum "Surge Effekt" sind wir immer weiter auf diesen Perfektionismus-Berg hochgerannt. Beim "Surge Effekt" waren wir dann auf dem Berg oben angelangt. Dann standen wir vor der Frage, entweder oben krampfhaft eine Leiter drauf zu betonieren oder halt wieder runter zu gehen.

Wie geht diese schöne bildhafte Beschreibung weiter?

Dann kamen diese ganzen Solo- und Nebenprojekte. "Rotlicht" steht sehr im Zeichen von 'back to the roots', 'back to the basics.' Andek, unser Schlagzeuger sagt immer, dass mit dem Alter eine große Gelassenheit kommt.

Was bewirkt diese Gelassenheit?

Früher wollten wir uns selbst und den anderen immer was beweisen. Das Spiel war wer hat den fettesten Sound, wer hat die fetteste Produktion. Mittlerweile ist uns das scheißegal. Da sind wir mittlerweile gelassen - es geht uns darum, dass die Platte lebt.

Die neue Single "Fremdkörper/Alles Muss Raus" ist seit dem 20. Januar auf dem Markt. Habt ihr schon ein Feedback bekommen?

Verkaufszahlen kenne ich nicht, die sind auch eher sekundär. Uns geht es eher um das Fan-Feedback, dass geteilt ist. Aber das ist bei jeder Platte von uns so gewesen. Man gewinnt immer neue und verliert alte Fans. Das ist auch wie mit Freunden im Leben. Die Single ist nicht in den Charts, was aber auch gar nicht geplant war. Wir haben absichtlich zwei Songs aus dem Album ausgekoppelt, die zeigen, wo das Album hingeht und haben dabei nicht so auf Kommerzialität geachtet. Außerdem werden wir von VIVA und MTV geblockt.

Aus welchem Grund?

Von MTV mussten wir uns so Sätze wie "Such a Surge sind so lange dabei, die kennt ja jeder. Wir brauchen neue Gesichter." Was mich an so einer Äußerung nervt, ist eigentlich der Disrespekt gegenüber Sachen, die lange Zeit ehrenhaft aufgebaut worden sind. Das zeigt einfach auch diese Schnelllebigkeit, bei der es einem Angst und Bange werden kann.

Das ist ja sicherlich keine erfreuliche Sache für euch ...

Auf der einen Seite können wir das nachvollziehen. SAS gibt es seit elf Jahren und wir haben fünf Platten gemacht. Dennis, der Gitarrist, sagt immer, MTV und die Fernsehkanäle waren schon immer scheiße. Das sehe ich genauso. Ich kann mir das privat auch nicht ankucken, deshalb habe ich diese Sender auch zuhause gelöscht. Ich muss mich schließlich nicht verblöden lassen. Dann ging die Diskussion los: Drehen wir überhaupt noch ein Video zu "Rotlicht"? Wir haben uns aber doch entschieden, zu "Hypochonder" einen Clip zu machen. Der Grund ist ganz einfach: Man kann sich von MTV und VIVA nicht alles diktieren lassen. Diese Sender haben sowieso schon zu viel Macht bekommen in den letzten Jahren. Man hat leider durch die Vormachtstellung des Musikfernsehens vergessen, dass Videos auch ein Ausdruck von Kunst sind. Mittlerweile ist das eigentlich nur noch eine Kommerz-Waffe und ein Marketing-Instrument. Deshalb haben wir uns entschieden, wir machen jetzt erst recht ein Video und suchen nach Wegen, es an unsere Fans zu bringen. Wir werden das Video als mpeg-file weltweit durch das Netz jagen. Offiziell dürfen wir das natürlich wegen Sony nicht.

Möchtest du an der alten Botschaft "Macht kaputt, was euch kaputt macht. Zerstört das System ..." etwas verändern? Gibt es eine neue?

Ich tue mich immer schwer mit Botschaften. In unseren Texten stellen wir auch viele Fragen und geben keine endgültigen Antworten. Ich möchte mir nicht die Arroganz rausnehmen und sagen, ich weiß Bescheid. Zur Zeit wird viel über den Irak geredet. Wer redet denn mal über Nordkorea, die erst vorgestern gesagt haben, es ist nicht das alleinige Recht der Amerikaner, den Präventivschlag auszuführen? Was mich am meisten stört in der heutigen Zeit, ist, dass alles nur mediengesteuert ist. Und das der Mensch glaubt, was in der Zeitung steht ist die Wahrheit. Ich befürchte, dass ein großer Prozentsatz nicht die Wahrheit ist. Jeder sollte ein bisschen mehr nachdenken und ein bisschen mehr reflektieren. Auch bei einem Interview, wie es bei euch stattgefunden hat. Ich will jetzt nicht euch oder die Presse böse machen, aber auf dem Spielfeld stehen immer viele Personen. Und die spielen sich gegenseitig die Bälle zu. Mal spielt einer einen Scheiß-Pass, dann geht er halt in Aus. Über die Medienlandschaft sollte man sich mal viele Gedanken machen. Dieses alte Interview - gibt es da irgendeine Möglichkeit, das auf einem netten Weg zu entfernen?

Was stört euch noch mal konkret daran?

Dennis stört vehement der politische Teil des Interviews. Er fühlt sich in seinen Zitaten komplett auseinandergerissen. Er fühlt sich, als würde er wie ein unbelesener Lulli dastehen, der stumpf mit 60er Jahre Parolen um sich schmeißt, ohne definitives Wissen dazu zu besitzen. Das kommt nicht gut rüber.

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Das Interview führte Marion Gottschling

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