3. April 2019

"Viele setzen sich nicht zur Wehr"

Interview geführt von

Mit dem aktuellen Album "Signs" geht die Tedeschi Trucks Band ihren markanten Bluesrock-Weg unbeirrt fort. Ab Mitte April ist das Musikerkollektiv hierzulande wieder live zu bewundern.

Mit der im Februar erschienen Platte "Signs" zeigen die Verantwortlichen der Tedeschi Trucks Band wieder einmal, dass sie in puncto Dynamik und Leidenschaft noch lange nicht zum alten Bluesrock-Eisen gehören.

Auch inhaltlich lässt der Longplayer aufhorchen. Neben zahlreichen politisch relevanten Themen beschäftigen sich die drei Hauptsongwriter der zwölfköpfigen Combo, Susan und Derek Trucks sowie Mike Mattison, mit der Verarbeitung persönlicher Verluste. Kurz vor dem Start der Tour zum Album trafen wir uns mit Susan Tedeschi zum Interview und sprachen über persönliche Verluste, Gesellschaftsprobleme und die anstehende Tour.

Susan, das aktuelle Album "Signs" steht seit knapp fünf Wochen in den Regalen. Wie zufrieden bist du mit den bisherigen Reaktionen?

Susan Tedeschi: Ich bin sehr zufrieden. Zunächst einmal bin ich persönlich sehr glücklich mit dem Album. Das sind wir alle in der Band. Wenn dann noch die Leute draußen Freude an unserer Arbeit haben, ist das natürlich eine tolle Zugabe: Das zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Klingen die Songs in deinen Ohren immer noch so wie zum Zeitpunkt der Aufnahmen?

Grundsätzlich schon. Seit den Aufnahmen ist natürlich viel Zeit vergangen. Man baut einen gewissen Abstand zum Produktionsprozess auf. Man atmet durch und lässt die Songs wirken. Aber das Fundament bleibt eigentlich unverändert. Live stellt sich das Ganze natürlich ein bisschen anders dar.

Inwiefern?

Nun, auf der Bühne folgen wir nur selten einem Plan. Die Strukturen sind zwar klar. Ich meine, die Basis steht. Aber Drumherum ist viel Platz für neue Ideen. Wenn bis zu 16 Menschen auf der Bühne stehen, dann ist das auch ganz normal. Wir schaffen immer wieder Freiraum für längere Soli oder die ein oder andere Jam-Session. Das gehört bei uns einfach dazu. So bleiben die Songs nie stehen, sondern entwickeln sich immer weiter.

Der Tag der Veröffentlichung eines neuen Albums sollte für eine Band eigentlich immer ein Freudentag sein. In eurem Fall war es diesmal sicherlich verdammt schwer, eben jenen Tag unbeschwert zu feiern. Am Releasetag verstarb euer langjähriger Freund und Keyboarder Kofi Burbridge. Welche Gefühle kommen in dir hoch, wenn du daran zurückdenkst?

Das ist schwer in Worte zu fassen. Der Verlust von Kofi war natürlich ein Schock für uns alle. Ich kann mich noch erinnern, wie glücklich und happy ich war, als ich das erste Mal mit Kofis String-Ideen für das Album konfrontiert wurde. Das war ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Diese Parts haben dem Ganzen nochmal eine besondere Tiefe verliehen.

An dem Tag habt ihr nicht nur euer neues Album veröffentlicht.

Nein, neben dem Release des Albums kam ja auch noch hinzu, dass wir unsere erste Show mit den neuen Songs spielten. Wir haben das komplette neue Album live vorgestellt, nur ohne den letzten Song "The Ending". Die Menschen waren alle begeistert von den neuen Songs. Im Nachhinein kommen sehr tiefe und aufwühlende Gefühle in mir hoch, wenn ich an diesen Tag zurückdenke.

"Viele Leute haben nur das eigene Wohl im Sinn"

Neben Kofi habt ihr in der jüngeren Vergangenheit auch andere Freunde und Verwandte verloren. Zunächst starb Dereks Onkel Butch, Schlagzeuger der Allman Brothers. Dann wurde Greg Allman, der Sänger und Namensgeber der eng befreundeten Southern Rock-Legende aus dem Leben gerissen. Zwischenzeitlich musstet ihr euch auch noch von eurem langjährigen Mentor, dem Gitarristen und Sänger Col. Bruce Hampton verabschieden. Wie verarbeitet man das alles?

Das ist ein Prozess, der noch anhält. Wir alle standen diesen Menschen sehr nah. Das war eine unheimlich schwere Zeit. Aber es war auch eine Zeit, in der uns das Leben gezeigt hat, wie wichtig es ist, dankbar zu sein. All die Freundschaften, die Musik, das Leben an sich: Man sollte nichts für selbstverständlich nehmen. Man sollte versuchen, jeden Tag zu leben und zu lieben. Ich glaube, darauf kommt es im Leben an.

Wie wichtig war die Musik während dieser Zeit?

Musik ist immer eine Stütze. Musik kann inspirierend wirken. Sie kann aber auch heilen. Im Fall von "Signs" geht es in erster Linie darum, den Menschen unsere ehrlichsten und authentischsten Gefühle zu vermitteln. Und dabei geht es nicht nur um unsere persönlichen Emotionen. Es geht nicht nur um das Verarbeiten der Tragödien. Es geht auch darum, den Menschen da draußen einen Spiegel vor Augen zu halten.

Es ist wichtig, dass die Gesellschaft kapiert, dass es so nicht weitergehen kann. All der Hass und all die Zerstörung: Das muss irgendwann ein Ende haben. Mike Mattison hat den wunderbaren Song "Strenghten What Remains" geschrieben; ein Lied, in dem die komplette Botschaft der Platte wunderbar auf den Punkt gebracht wird. Wir müssen uns einfach zusammenreißen und endlich an einem Strang ziehen. Nur so werden wir als Menschheit wieder zurück in die Spur finden.

Der Song "Shame" legt den Finger in die selben Wunde ...

Ja, das stimmt. Es gibt einfach zu viele Menschen auf der Welt, die sich für ihr Verhalten schämen sollten. Das sind Leute, die sich vor der Verantwortung drücken und immer nur das eigene Wohl im Sinn haben.

Welche Entwicklungen bereiten dir persönlich besonders große Sorgen?

Mir macht Angst, dass sich viele Leute nicht zur Wehr setzen. Es passieren gerade so viele schlimme Dinge auf der Welt. Es gibt viel zu viele Waffen und Drogen da draußen. Da ist so viel Angst, Wut und Hass unterwegs. Aber es stehen nur wenige Menschen auf und tun etwas dagegen. Das bereitet mir wirklich große Sorgen.

Warum, denkst du, ist das so?

Ich weiß nicht. Ich verstehe es auch nicht. Wenn man Dinge sieht oder wahrnimmt, die falsch sind, dann muss man doch aufstehen, sich erheben und zumindest das Wort ergreifen. Jeder hat eine Stimme. Aber nur die Wenigsten haben den Mumm auch mal den Mund aufzumachen.

"Wir freuen uns auf Europa"

Könnten eure neuen Songs das etwas bewirken?

Mit unseren Songs wollen wir die Menschen aufrütteln. Wir wollen ihnen aber auch Hoffnung geben. Wir wollen in beide Richtungen Zeichen setzen. Wir sprechen an, was uns stört, und was uns Angst macht. Wir versuchen, den Menschen aber auch Kraft zu geben.

Bald steht die nächste Tournee an. Ist das die Zeit, in der eure Musik ihre größte Bedeutung entfaltet?

Auf der Bühne zu stehen, ist etwas ganz Besonderes. Man kommt den Menschen näher. Für uns als Band ist der familiäre Zusammenhalt immer das Wichtigste. Und unsere Fans gehören natürlich dazu. In den vergangenen Jahren war es aber nicht immer einfach. Man macht sich mittlerweile viele Gedanken, wenn man unterwegs ist.

Was für Gedanken?

Wir starten die Tour diesmal in Paris. Da kommen viele Erinnerungen hoch: Als der schreckliche Bataclan-Anschlag stattfand ... Wir waren eine Woche davor auch in Paris. Wir waren auch in Deutschland unterwegs. Damals kamen in München viele Menschen ums Leben. Das hinterlässt natürlich Spuren. Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, dass Angst kein guter Ratgeber ist. Daher überwiegt natürlich die Vorfreude. Ich meine, ich bin zwar Mutter und lasse meine Kids nur ungern so lange aus den Augen. Aber ich bin auch gerne auf Reisen. Wir sind einfach eine Liveband. Das ist die Zeit, in der wir noch ein Stück näher zusammenrückt. Das sind immer tolle Momente, die ich auch nicht missen will.

Ihr spielt diesmal auch drei Tage am Stück in Tokio. Mir war gar nicht bewusst, dass Bluesrock in Japan so angesagt ist?

(lacht) Die japanischen Fans sind mittlerweile richtig heiß auf uns. Das freut uns natürlich total. Früher saßen die Leute in Japan fast ausschließlich alle auf ihren Sitzen. Mittlerweile stehen sie auf und klatschen mit. Und es werden immer mehr Fans. Das ist schon eine tolle Entwicklung. Aber bevor es nach Japan geht, freuen wir uns erstmal auf Europa. Das werden tolle Konzerte. Da bin ich mir ganz sicher.

Weiterlesen

Noch keine Kommentare