laut.de-Kritik
Eine Entwicklung von schüchternen Jungs zu echten Goth'n'Rollern.
Review von Michael EdeleIch finde es immer wieder eine bodenlose Frechheit, wie in vielen Fällen das DM-Zeichen einfach gegen den € ausgetauscht wird. So waren die T-Shirt Preise wieder mal unter aller Sau, nur scheinen sich die Fans endlich mal nicht verarschen zu lassen und frequentierten den Merchandise-Stand nur sehr sporadisch. Zwar war die Batschkapp auch nur etwas über die Hälfte gefüllt, aber stimmungsmäßig gab es eigentlich nichts auszusetzen.
Vor den Goth'n'Rollern aus Finnland gingen mit Columbia Obstruction Box noch fünf deutsche auf die Bretter, die anstatt Sulpher eröffneten und eine sehr eigenwillige Mischung aus Gothik, Rock, Reggae und was weiß ich noch allem praktizierten. Was zunächst nur wirr und unvereinbar klingt, wurde von dem Quintett sehr locker intoniert und auch vom Publikum erfreulich gut aufgenommen. Der Fronter hat zwar einen leichten Hang zur Bewegungslegasthenie eines Joe Cockers, aber stimmlich konnte der Mann voll und ganz überzeugen. Auch die vier Musiker hatten ihren Spaß und man merkte den Jungs an, dass sie schon einige Bühnenerfahrung hatten. Mit der Ansage: "Ihr könnt euch nachher gern mit uns unterhalten. Wir sind da wo's was zu trinken gibt", wurde freundlich angenommen.
Nach kurzer Umbaupause stiefelten dann die Skandinavier auf die Bühne und legten gleich mal kernig los. Wer die Jungs als fünf schüchterne Bleichgesichter in Erinnerung hat, wird sich fragen, on da inzwischen eine andere Band unter dem Namen 69 Eyes firmiert, denn jeder der Protagonisten trat an diesem Abend mit einem Selbstbewusstsein und einer Selbstverständlichkeit vor das Publikum, wie man es sich bis vor einem Jahr noch nicht hätte vorstellen können. Auch kann ich beim besten Willen keine Parallelen zu den Kollegen von HIM feststellen, denn live lassen die Düsterheimer keinen Zweifel daran aufkommen, dass hier die Betonung auf Goth'n'ROCK liegt und nicht auf Schmachtmelodien wie bei Kollege Valo.
Was viele weibliche Fans wohl etwas betrüben wird, ist die Tatsache, dass Sänger Jyrki einige Haare gelassen hat und jetzt bis auf die Schultern gekürzt rumwetzt. Dazu shaked er ums Micro wie eine Mischung aus Billy Idol und Elvis Presley und bringt seine Vocals sehr souverän und vor allem verdammt geil rüber. Drummer Jussi 69 ist ein Poser vor dem Herrn und würde wohl auch bei den Backyard Babies ne gute Figur abgeben. Die beiden Klampfer Bazie und Timo-Timo rocken locker vor sich und Basser Archzie würde mit seiner Kopfsocke, dem seltsamen Bärtchen und seinem Dauergrinsen auch in einer Walt Disney Realverfilmung, als einer der sieben Zwerge durchgehen.
Das Publikum nahm die Songs jedenfalls sehr wohlwollend auf, applaudierte eifrig und wurde für Frankfurter Verhältnisse zum Schluss hin richtig euphorisch. Da sich der Altersdurchschnitt zum Glück aber um die 25 rum hielt, blieb mir hysterisches Teeniegekreische zum Glück erspart.