laut.de-Kritik

Ob ein Tocotronic-Song im Remix funktionieren kann?

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Ich erinnere mich noch genau an meine erste Begegnung mit Tocotronic. Ich stand in der CD-Abteilung eines riesigen Elektronikmarktes und während ich auf den Rest meiner Familie wartete, hörte ich mir ein paar CDs an. Mitgenommen habe ich am Ende nur eine einzige: "Digital ist besser". Dieser Gitarrensound! Seattle war plötzlich um die Ecke. (Auch wenn Gegenteiliges behauptet wurde.) Und mit diesen Texten standen sie sowieso als Gewinner fest.

Fünf Jahre später haben wir uns zwar beide verändert - die Tocos und ich - auf ihre Musik können wir uns aber immer noch einigen. Selbst K.O.O.K. konnte nach anfänglichen Zweifeln überzeugen. Aber ein Remixalbum? Elektronische Versionen von Songs einer Band, die doch zurecht als Gitarrenband gelten? Gedanken an Bush werden wach, die mit "Deconstructed" versuchten, auf diese Weise das Image als Nirvana-Kopie loszuwerden. Was auch immer der Grundgedanke der drei Tocos bei diesem Album war, das Ergebnis ist am Ende großartig geworden!

Von Anfang an hat man den Eindruck, dass sich die drei Hamburger sehr viel Zeit genommen haben, die Stücke, die letztendlich gepresst wurden, sorgfältig, fast schon akribisch auszuwählen. So enttäuscht dann auch nur eine einzige Interpretation: Hans Platzgumers "Kraut Remix" von "Das Geschenk" ist einfach zu lang und zu zerfahren. Gut bis sehr gut sind wie gesagt 99% aller Remixe und doch stechen einige noch heraus: Electric Mojo vs. Phoneheads beispielsweise, die gleich zu Beginn alle Zweifel zunichte machen, ob ein Tocotronic-Song im Remix funktionieren kann.

Auch die Münchner Dakar & Grinser hinterlassen einen sehr guten Eindruck. Mein persönlicher Favorit auf der ersten CD ist jedoch DJ DSLs Remix von "Let There Be Rock" im Bar-Piano-Stil, welche den Fm4-Hörern unter euch schon länger bekannt sein dürfte. Des weiteren Oberklasse: Flamman & Abraxas, Thies Mynther und Turner. Bei all den Stücken zeigt sich auf's Neue, welch großartige Melodien den meisten Tocotronic-Songs zugrunde liegen.

Zur "normalen" Remix-CD gibt es dann auch noch die Bonus-CD, auf der sich Consoles Version "Freiburg 3.0" befindet. Noch besser als diese und überhaupt das beste Stück auf dem gesamten Album ist jedoch die Version von Miss Kittin & The Hacker, welche selbst den letzten Zweifler von Bleeps & Clonks überzeugen dürfte. (Wobei der veränderte Text da sein übriges tut.)

Alles in Allem ist "K.O.O.K. - Variationen" besser geworden, als ich es für möglich gehalten hätte. Keiner der Songs wirkt in irgendeiner Weise krampfhaft auf elektronische Musik zurechtgeschnitten. Einziger Wehmutstropfen - bei insgesamt 21 Stücken wurden nur 9 verschiedene Originalsongs verwendet, soll heißen es gibt z.B. 4 Versionen von "Let There Be Rock". Andererseits unterscheiden sich diese auch wieder so stark voneinander, dass man kaum das Gefühl von Wiederholungen hat.

Trackliste

  1. 1. CD 1: Electric Mojo vs. Phoneheads: Das Geschenk
  2. 2. Thomas & Dettinger: Jackpot
  3. 3. Dakar & Grinser Feat. Toxette: Let There Be Rock
  4. 4. Funkstörung: Morgen wird wie heute sein
  5. 5. Egoexpress Feat. Sinus Albino: K.O.O.K.
  6. 6. Deimel Audio: Rock Pop in Konzert
  7. 7. Turner: Das Geschenk
  8. 8. Justus Köhncke: Tomorrow Will Be Like Today
  9. 9. Fever: Let There Be Rock
  10. 10. Fischmob / Erobique: Jackpot
  11. 11. DJ DSL: Let There Be Rock
  12. 12. Tocotronic: Tag ohne Schatten
  13. 13. Thies Mynther: Die Grenzen des guten Geschmacks 1
  14. 14. Flamman & Abraxas: Let There Be Rock
  15. 15. Ostinato: Die Grenzen des guten Geschmacks 1
  16. 16. Christoph De Babalon: Misfortune Must Be Fought Back
  17. 17. CD 2: Tocotronic vs. Console Freiburg 3.0
  18. 18. Miss Kittin & The Hacker: Freiburg 3.0
  19. 19. Hans Platzgumer: Das Geschenk
  20. 20. Trans Am: Tag ohne Schatten
  21. 21. Turner: Morgen wird wie heute sein

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