laut.de-Kritik

Alt und Neu gehen Hand in Hand.

Review von

Der Lockdown war auch für Uriah Heep eine Zeit des Stillstands. Es gab keine Streaming Events und Songwriting-Sessions per Video-Call. Mick Box, einziges verbliebenes Gründungsmitglied der Rock-Veteranen, nutzte wie seine Kollegen diese Phase, um Ideen zu sammeln.

In diesem Jahr feiert die Band ihr 50-jähriges Bestehen auf der Bühne endlich nach. Das 25. Album soll nun etwas Spezielles sein. Und doch verfolgt das Quintett denselben Weg wie auf dem Vorgänger "Living The Dream": gleiches Studio, gleicher Produzent und dieselbe Arbeitsweise: nämlich alle Mann im selben Raum. Was bei schweißtreibenden Aktivitäten durchaus müffeln kann, entpuppt sich bei Rock'n'Roll als Zünglein an der Waage.

Jay Ruston, der weiß, wie man einen züftigen, modernen Klang zimmert (Anthrax, Stone Sour, Amon Amarth), zieht die Regler in die Richtung, in die die von den Musikern in den Chapel Studios aufgenommenen Spuren weisen. Alt und Neu gehen Hand in Hand. Vieles erinnert an Deep Purple, aber auch hinter dem Pomp der saarländischen Orgelpfeifen von Powerwolf müssen sich Uriah Heep mit diesem Sound nicht verstecken.

In Sachen Songs ist bei dem Quintett die Uhr 1982 mit Deep Purples "Perfect Strangers" stehen geblieben. Bernie Shaw singt in der Tradition des großen metallischen Doppel-D (Dio, Dickinson). Wo etwa ein Gillan mittlerweile arg brüchig wirkt, meistert Shaw auch die hohen Klippen wie in "Fly Like An Eagle" im Frequenzspektrum seiner Stimme meisterhaft.

Bewusst fahren die Recken eine positive Grundstimmung mit Blick auf Artwork und Songtitel. Die Haltung, Musik als Eskapismus vom tristen Alltag zu hören, ist klar erkennbar. Und doch tritt das Machwerk gehörig in den Hintern. Ein Verdienst von Schlagwerker Russel Gilbrook - optisch der Typ Türsteher - dessen Kraft aus jedem Schlag spricht. Sein Motto: Schweiß statt Schnörkel.

Zudem zeigt der Kraftprotz Songwriting-Finessen. Gemeinsam mit Partner Simon Pinto zeichnet er verantwortlich für vier Tracks, unter anderem das überlange "You'll Never Walk Alone", einen theatralischen Track mit pittoresken Piano-Parts.

Neben Dave Rimmer, der gemeinsam mit Gastwriter Jeff Scott Soto den Opener verfasst hat, komponieren den Löwenanteil Mick Box und Phil Lanzon. Deren Instrumente Gitarre und Orgel bestimmen den Sound maßgeblich, insofern achten beide auf die Trademarks. Hardrock, Prog und Metal bilden die Eckpfeiler, die der Schulterschluss dieser beiden Könner gebiert.

Ein wenig Zuckerguss gibt es obendrauf, insbesondere in "One Nation, One Sun", einem am Queen geschulten Epos, das am Ende mit mächtigen Chören über Ostinat gespielte Akkorde aufwartet. Selbst die "Ahahah"-Vokalisen finden sich in einem Track wieder ("Age Of Changes"). Ein Schelm, wer dabei nicht an eine in Schwarz gehüllte Dame denkt.

Bei Freiheit denkt jeder an etwas anderes: Christian Lindner denkt an Steuerfreiheit, ein Rollstuhlfahrer an Barrierefreiheit, der Westen denkt an Freiheit von russischem Gas. Uriah Heep bleiben unspezifisch und liefern die Freiheit, wie sie gerade beliebt. "Freedom To Be Free" heißt das Stück, das beweist, dass in der guten alten Klamottenkiste des Rock noch reichlich Leben ist.

Da Pflege mittlerweile nach dem Fast Food-Prinzip funktioniert, ist die Rente für Uriah Heep keine Option. Mögen die in Würde ergrauten Herren noch lange rüstig rocken.

Trackliste

  1. 1. Save Me Tonight
  2. 2. Silver Sunlight
  3. 3. Hail The Sunrise
  4. 4. Age Of Changes
  5. 5. Hurricane
  6. 6. One Nation, One Sun
  7. 7. Golden Light
  8. 8. You'll Never Be Alone
  9. 9. Fly Like An Eagle
  10. 10. Freedom To Be Free
  11. 11. Closer To Your Dream

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LAUT.DE-PORTRÄT Uriah Heep

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