laut.de-Kritik

Da ist alles drauf, was seit 14 Jahren nervt.

Review von

Ich bin bekennender Weihnachtsfan. Ich liebe Lebkuchen, Glühwein, Plätzchen, kitschige Engel und dämliche Elche, ich liebe Kerzen und Glitzer und ganz viel Lametta über dem Tannenbaum. Ich liebe sogar nimmersatte Quengelkinder, die ihren Müttern auf dem Weihnachtsmarkt den letzten Nerv rauben.

Ich sehe jedoch auch ein, dass es Gründe gibt, warum Weihnachten nicht so viel Spaß macht. Wenn die Best Of-Dämme brechen zum Beispiel und seit Jahren nervenstrapazierende Bands ihre Singles rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft in lieblosen Geldmultiplikatoren unter den Baum bringen wollen. So wie Westlife.

Ein zusätzlicher Wehmutstropfen begleitet diese Scheibe: Es soll des Quartetts letzte sein. 2012 ist Schluss mit Westlife, der Band, die schon immer ein bisschen spät dran war. 1996 trennen sich Take That, die große Sternstunde der Boybands ist vorbei. 1998 springen Westlife auf den längst abgefahrenen Zug auf, feiern aber trotzdem ziemlich beachtliche Erfolge und sind so ziemlich die einzige Boyband, die die Nuller überlebt.

Im Alltime-Ranking der Bands mit den meisten Nummer 1-Hits in UK landen die Iren auf Platz drei hinter Elvis und den Beatles. Wie um alles in der Welt konnte das passieren?

Wer eine Antwort hat, der lasse sie mir bitte zukommen, musikalisch kann ich es mir beim besten Willen nicht erklären. Im Schema von 1998 sind die Jungs hängen geblieben. Retortenballaden und Orchesterpop, zittrige Stimmen, harmoniebesoffen wie nach drei Bechern Glühwein, die pseudogefühlvoll vor sich hin hauchen. Es kann eben nichts schief gehen, wenn man kein Risiko eingeht.

Um zu beweisen, dass man noch nicht ganz blutleer ist, gibts auf den letzten Metern vier neue Tracks, die von dem, was geboten wird, noch die Besten sind ("Lighthouse", "Beautiful World", "Wide Open", "Last Mile Of The Way"). So lange sie nur ihr eigenen Ramsch flöten, kann man sie das ganz getrost machen lassen, da findet sich immer wer, der das mag. Das ist nämlich nicht innovativ, aber wenigstens kommt niemand dabei zu Schaden.

Denn sobald sie sich daran machen, anderen Künstlern die zweifelhafte Ehre zu erweisen, ihre Hits neu aufzulegen, wirds, das Original im Hinterkopf, schmerzhaft. Wer hat Westlife eigentlich erlaubt, Phil Collins "Against All Odds" zu covern? Ein Vergehen an der Popkultur, dass auch noch Mariah Carey dazu kieksen darf, eine Sängerin, für deren Einsperrung ich längst alle Petitionen unterschrieben habe. Bisher leider ohne Erfolg. Außerdem daran glauben müssen Billy Joel, ABBA oder Barry Manilow. Manche Dinge gehören einfach nicht in den Boybandwolf.

Wer das mit Weihnachten assoziiert, darf sich eine Höhle mit dem Grinch teilen.

Trackliste

  1. 1. Swear It Again
  2. 2. If I Let You Go
  3. 3. Flying Without Wings
  4. 4. I Have A Dream
  5. 5. Against All Odds (with Maria Carey)
  6. 6. My Love
  7. 7. Uptown Girl
  8. 8. Queen Of My Heart
  9. 9. World Of Our Own
  10. 10. Mandy
  11. 11. You Raise Me Up
  12. 12. Home
  13. 13. What About Now
  14. 14. Safe
  15. 15. Lighthouse
  16. 16. Beautiful World
  17. 17. Wide Open
  18. 18. Last Mile Of The Way

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