laut.de-Kritik

Auf der Suche nach Omi.

Review von

William Fitzsimmons hat immer noch den längeren, Achtung, ganz flach: Bart. Auch wenn Michael Stipe ihm da gerade mächtig Konkurrenz macht, noch liegt der Singer/Songwriter eine Nasenhaarlänge vorne. Auch musikalisch bleibt er sich treu. "Charleroi: Pittsburg Vol.2" bietet den sanften, melancholischen Klang, dem man auf den Vorgängern bereits lauschen durfte. Thematisch konzentriert sich Fitzsimmons ebenfalls auf seine bisherigen Themen, die größtenteils einen autobiographischen Bezug haben.

Vol. 2 deutet darauf hin, dass es sich bei dieser Platte um eine Fortsetzung handelt. Dem voraus ging das Minialbum "Pittsburgh", auf dem er sich seiner Großmutter mütterlicherseits widmete. Auf der aktuellen Scheibe besingt er die Mutter seines Vaters, die er nie kennenlernte. Da sein Vater im Säuglingsalter bereits ins Waisenhaus kam, wuchs er bei einer anderen Familie auf. Deshalb hatte auch der Sohnemann nie Kontakt zur Familie des Daddys. Aber, wie es der Zufall so will, kam 2015, 60 Jahre nach der Trennung, der Kontakt zustande. Papa Fitzsimmons war bereits tot, sowie auch dessen Mutter.

Perfekter Stoff also, um daraus ein Album zu machen. Der Songwriter verarbeitet musikalisch das Nicht-Kennenlernen der eigenen Oma, wirft Fragen auf, was gewesen wäre wenn ... Logisch, dass die sechs Songs keine jauchzenden Spaßhymnen sind.

Aber was erzählt man über eine Person, die man nicht kennt? Zwar stellt er bereits im ersten Song "People Change Their Minds" mit gewohnt sanfter, zerbrechlicher Stimme klar, dass er ihr keine Vorwürfe macht, den Sohn verlassen zu haben, macht es dann aber doch. Der Vater war doch noch viel zu jung, unterlegt mit einer so feinen Gitarre, die nur ihr Nötigstes macht, um dabei nicht den Gesang zu stören. Für die Bridge weht ein bisschen Klavier herein, einzelne Zeilen erhalten einen zarten Nachdruck mittels Streicher.

Man muss die Platte ein paar Mal hören und vor allem genau, um die feinen Nuancen, die die Lieder unterscheiden, wirklich zu bemerken. Leise im Hintergrund abgespielt wirkt alles etwas breiig.

"Hear Your Heart" beweist sein feines Händchen für Melodien, zu den beiden Gitarren mischen sich wunderbare, ergänzende Klänge. Es fühlt sich ein bisschen an wie ein gesungenes Märchen. An die gedoppelten Vocals muss man sich gewöhnen, aber stellenweise ergänzt noch eine Frauenstimme den Songwriter, was den Sound noch bezaubernder macht. Obwohl der Inhalt weniger märchenhaft, eher gruselig ist. Oder wer will schon den Herzschlag seiner toten Oma spüren, während sie Six-Feet-Under begraben liegt?

Danach geht es dann aber leider etwas fad weiter. "A Part" und "Charleroi" fehlen leider komplett die Highlights und plätschern vor sich hin. Zwar durchaus schön, aber nicht wirklich aufregend.

Mit "Fare Thee Well" nimmt die ganze Sache dann doch wieder etwas Schwung auf, nicht zuletzt dank des Banjos, das etwas Abwechslung ins Songwriter-Einerlei bringt. Rhythmisch versetzt, legen sich die Streicher und das Klavier darum und endlich passiert etwas. Weniger Melancholie, aber trotzdem reichlich melodiös.

Und dann geschieht es: ein Schlagzeug. Bei "Nothing Can Be Changed" ertönt eine Snare. Zwar wie immer bei Fitzsimmons nur sehr sanft, aber alles andere wäre auch fehl am Platz. Die Erkenntnis, dass nichts Rückgängig gemacht werden kann, ist zwar keine neue, aber so ehrlich serviert bekommt man sie selten. Ich bin mir sicher, dass wenn die Oma das hören würde, sie käme nicht umher das ein oder andere Tränchen zu verdrücken.

Seine Stärken spielt er auch auf diesem Album aus, wenn er die Zeilen ins Mikrofon haucht und man sogar beim zuhören Angst hat, etwas zu sagen. Man will ja nicht stören. Technisch absolut einwandfrei gezupfte Gitarren treffen auf Streicher. Aber die Möglichkeiten sind dann doch begrenzt. Manchmal würde man sich wünschen, dass er etwas mehr aus sich heraus kommt und an der einen oder anderen Stelle etwas Unberechenbares einstreut. Aber es bleibt alles beim Alten.

Trackliste

  1. 1. People Change Their Minds
  2. 2. Hear Your Heart
  3. 3. A Part
  4. 4. Charleroi
  5. 5. Fare Thee Well
  6. 6. Nothing Can Be Changed

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