laut.de-Kritik

Gemischte Platte mit Blues, Barjazz und Guitar-Mainstream.

Review von

Watt'n Schock. Du hast entweder die falsche CD im Player, oder der Mann im Plattenladen hat dich gewaltig verarscht. Ich kann nicht glauben, dass das Mr. Slowhand ist. Der Opener "Reptile" dudelt wie ein Soundtrack der 40er. 'One Note Samba' - gepaart mit 'Bluebossa' - der Hochtöner vibriert dezent und zeitlos. Das kann doch wohl nicht wahr sein.

Doch erdig startet Clapton gleich danach durch mit dem Blues "Got You On My Mind", und später leidet er den Blues mit Ray Charles' "Come Back Baby". Im Spiegel-Interview meint er selbst, dass er mittlerweile singen kann. Das stimmt! Doch dass er neben dem Blues auch Volumen in der Stimme hat, kann man 'Mr. Slowhand' wohl niemals nachsagen.

Clapton bringt's leider auch ganz dick: das jazzig, bossamäßige "Believe In Life" beweist, dass er wohl doch in die Tage gekommen ist. "What happend to the girls, I used to know?" Ja, das möchte er wohl gern wissen. Ebenso das seichte "Find myself" (am Besten gleich überspringen). Wohl eine Hommage an den Barjazz der 40er. Wenn wenigstens Sarah Vaughan die Lyrics ins Micro hauchen würde. Clapton flüstert in ungeahnten Höhen, die bei "Tears In Heaven" längst nicht so peinlich waren.

Ganz anders und stimmig für mich ist die J.J. Cale Coverversion "Travlin Light". Groovig wie Mister Cale persönlich und eine Stimmung wie Mark Knopfler und Chris Rea zusammen auf dem Highway. Good old Times. Wie damals: "After Midnight" oder "Cocaine", Cale-Coverversionen von Clapton, das passt! Warum machen Cale und Clapton eigentlich nicht mal 'ne Platte zusammen? Und Clapton beehrt auch noch andere Kollegen: "Aint Gonna Stand For It" von Stevie Wonder oder "Don't Let Me Be Loneley Tonight" von James Taylor, das dem maskulinen Background-Chor, den Clapton auf "Reptile" bei fast allen Songs einsetzt, alles abverlangt.

Mit "Broken Down" knüpft er an diverse frühere Eigenkompositionen an, die wohl immer noch die wahre Clapton-Seele widerspiegeln. Guitar-Mainstream, gepaart mit soulig, warmen Funkansätzen. In wahrster Luther Allison-Manier gewinnt er wieder mein Vertrauen. Oder mit dem Slowblues "I Wanna Little Girl" mit genialer Klavierbegleitung, wie einst der Bluesklassiker "Stormy Monday". Und weiter mit "Second Nature", einem Song, der wohl irgendwann mal von Joe Cocker gecovert werden wird, falls ein zahlungskräftiger Werbeträger winkt. Oder auch mit dem jazzigen "Modern Girl". Die Fans zumindest werden zufrieden sein.

Dass er doch noch etwas Pfeffer im Arsch hat, will er wohl mit "Supermann Inside" beweisen. Wär' eigentlich nicht nötig gewesen. Dafür drückt er mit dem nachdenklichen Instrumentalstück "Son And Sylvia" zum Ausklang nochmals mächtig auf die Tränendrüse. Oder war das nur die Zugabe für die fingerpickende Claptongemeinde.

Das Fazit: fällt schwer: Ich glaube, Clapton wollte sich mit "Reptile" einfach mal durch die verschiedenen Stilrichtungen schlängeln, die ihn beeinflusst haben und sie gemeinsam auf einer Platte servieren. Am Stück oder geschnitten, das ist die Frage? Für mich dann doch lieber geschnitten und beschränkt auf die wenigen Glanzlichter.

Trackliste

  1. 1. Reptile
  2. 2. Got You On My Mind
  3. 3. Travelin' Light
  4. 4. Believe In Life
  5. 5. Come Back Baby
  6. 6. Broken Down
  7. 7. Running Back
  8. 8. Ain't Gonna Stand For It
  9. 9. I Wanna Little Girl
  10. 10. Second Nature
  11. 11. Don't Let Me Be Lonely
  12. 12. Modern Girl
  13. 13. Superman Inside
  14. 14. Son & Sylvia

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