laut.de-Kritik
Das "A" heißt, dass er auf Alles scheißt.
Review von Philipp GässleinRapmusik soll der Punk der Neuzeit sein, das ist ja gewissermaßen ein geflügelter Satz. Allerdings begeht man einen Fehler, wenn man hinter dem großen Anarchie-Zeichen auf dem Cover rapkulturelle Basisthemen wie Kritik an der Gesellschaft oder Aufzeigen sozialer Missstände wittert. Nein, das A hat für Favorite die selbe Bedeutung wir für den durchschnittlichen 15-jährigen Iro, der Omis erschreckt und an die Glasfassade vom Kaufhof pinkelt: Es heißt, dass er auf alles scheißt.
Und diese Einstellung bringt er, das muss man gestehen, wirklich atemberaubend glaubwürdig rüber. Im einzelnen werden da die Exfreundin ("Aus Und Vorbei"), der eigene Labelboss ("Erc hatte Recht, was für ein Drecksladen / Slick gibt mir Geld, doch dafür will er Sex haben") und jegliche Form von Political Correctness ("Index") unter einem riesigen Haufen Rapshit begraben. Und - natürlich - die liebe Konkurrenz. Da wird schon im Opener "Ein Rapper Reicht" nach einem unspektakulären Intro eine Zeile aus Bushidos "Augenblick" persifliert oder Fler in einer Art und Weise gedisst, die kaum eine Konterchance lässt: "Du sagst, ich seh aus wie Fler, auch wenn ich's nicht so seh' / fang ich schon mal an zu sparen für ne Gesichts-OP."
Dabei trieft aus jeder einzelnen technisch hochwertig vorgetragenen Zeile die Selbstironie. Bei Favorite weiß niemand so genau, was nun ernst zu nehmen ist, und was nicht, wann die Selbstdarstellung aufhört und wann die Persiflage auf andere Rapper anfängt. Allerdings, und das unterscheidet ihn von Labelkollege und zweifachem Featuregast Kollegah, wirkt Favorite alleine deshalb schon sympathisch, obwohl er in puncto gerapptem Bullshit und Fäkalworttiraden den von ihm gedissten Wortakrobaten kein Stück nachsteht.
Es gibt in Deutschland keine fünf Rapper, die ihre Reime derart flüssig vortragen können, auch auf Albenlänge und völlig unabhängig vom Beat. Da befindet er sich in guter Gesellschaft: Selfmade-Labelchef Slick One hat einen in Deutschland einzigartigen Stall voller Technik-Talente gesignt. Und die featuren sich selbst wie die Hölle: Kein Gast des Albums kommt nicht aus dem eigenen Lager, von drei Produzenten und Jason abgesehen, die allerdings relativ grau bleiben.
Die Leistung der Hausproduzenten Flipstar und Rizbo sind das einzige echte Manko der Scheibe. Und ich kann es nicht mal an konkreten Punkten festmachen: Die Beats wurden hochgradig professionell produziert, mit ausschweifenden Arrangements versehen und gehen teils echt gut nach vorne, und trotzdem wollen diese verdammten Biester einfach nicht ins Ohr. Ein Jammer, denn gerade diese beiden Beatbastler walzen mich normaler Weise mit Leichtigkeit vollkommen platt.
Die größten Pluspunkte sammelt Favo allerdings mit der anderen Seite des Harlekins: dem weinenden Auge. Tracks wie "Schwesterherz" oder besonders "Gegen Den Herrn" zeigen erst auf, wie viel der gute Mann eigentlich kann. "Was soll ich sagen? Ich bin von deinen Gaben enttäuscht! / Schick mir deinen Sohn, ich hänge ihn per Nagel ans Kreuz!" - persönliche Abrechnungen mit dem Herrgott gibt es einige (unter anderem übrigens auch von Sido und B-Tight), aber wer zur Hölle setzt sich mit einem solchen Thema auseinander und fließt dabei noch wie der verdammte Styx, ohne seine Seele an den Satan zu verkaufen?
Trotz allem hat das Album insgesamt zu wenig Kracher, zu wenige Stücke, die langfristig im Gedächtnis bleiben. Traurigerweise, denn Favorite quillt das Talent so offensichtlich aus allen Löchern, dass es ihm nicht weiter schwer fallen sollte, Klassiker am Fließband rauszuhauen. Vielleicht sollte Slick One seinen Schützling nächstes mal nicht nur zwei Wochen einsperren, wie in einem Skit behauptet, sondern für ein halbes Jahr, unter streng kontrollierter Zugabe von Drogen und feinsinnig produzierten Beats.
13 Kommentare
kann ich irgenwie nicht verstehen, dass du die beats nicht magst. der ein rapper reicht beat fickt ja wohl alles weg. und auch die von rizbo bei track 4,5,8,11,12,16 sind wahnsinn. flips beats sind solala.
ganz ok die review ansonsten. hätte aber 4 punkte erwartet allein schon weil Rappen kann tödlich sein 4 erhielt damals. Harlekin ist sicher eine grosse steigerung aufs collabo album bezogen.
nö, ich stimme herrn gässlein vollkommen zu.
auch, wenn ich gern dabei sein will, wenn er von slick one dafür durchgeschüttelt wird.
darf ich?
bittöh!
eigentlich gute review...auch wenn nach so wenigen negativen argumenten auch ne 4 drin sein hätte können (müssen)!
*Schäge für Hip-Hop Klitsch Klatsch Klitsch Klatsch*
Sehr geiles Album. Die Beats knallen, die Lines sind favemäßig abgedreht und auch die deepen Sachen überzeugen!
super album von fav..
favs: (;))
ein rapper reicht
index
gegen den herrn
selfmade millionär
ps. rappen kann tödlich sein ist sein bestes album imho bis jetzt