laut.de-Kritik

Rap braucht Typen wie F.R.

Review von

Vor ein paar Jährchen behauptete das Bo steif und fest, Hip Hop brauche kein Mensch, der Mensch jedoch Hip Hop. Damit lag er eigentlich nicht ganz richtig. Hip Hop respektive Rap ist eine lyrische Ausdrucksform und braucht somit genau eines: einen Rapper. Kein Weib, Wein, Gesang, keine Bitches, keine überstylishen Caps, keine Hooklines und ganz sicher kein Abitur.

Soll der Rap spannender sein als eine durchschnittliche Talkshow braucht der Rapper Inspiration, Wortgewandtheit und nicht zuletzt: etwas zu sagen. Abitur alleine garantiert diese Skillz nicht, das sieht jeder Abiturient an seinen Mitschülern. Ist Bildung sogar kontraproduktiv? Azad und Dendemann, Savas und David Pe beweisen: Diese Diskussion braucht Rap so dringend wie Zähne am Arsch. Und statt Rap andauernd tot zu definieren, reicht es völlig, einfach mal gut zu rappen.

Hier jedoch kippt Jungstar F.R. die Waage in der stilisierten Challenge mit Straßenpoet Bass Sultan Hengzt klar zu seinen Gunsten. Den Wunderkind-Bonus der ersten zwei Alben hat er längst nicht mehr nötig: "Vorsicht, Stufe!" ist kein 'gutes Rapalbum für einen 18-Jährigen', es ist einfach ein gutes Rapalbum. Vielseitig, intelligent, abwechslungsreich, kurzweilig und technisch äußerst versiert vorgetragen. Punkt.

Die traditionell stolze Rapszene wird sich zwar nie eingestehen, dass ein grade mal 18-Jähriger mehr Gedanken übers Leben zu Ende geführt hat als das Gros seiner Konkurrenz. Wer sich davon löst, der wird sich aber das ein oder andere Mal verklärt grinsend wieder finden. Der junge Mann reiht so viele Punchlines aneinander dass es schon eine Lupe braucht, um die Füllreime zu finden. Und obwohl man ohne einen gewissen Grad an Allgemeinbildung sicher nicht alle würdigen kann, unterhält F.R. nicht nur angehende Studenten glänzend.

Auch Abiturienten fluchen wie Rohrspatzen, besaufen sich wie zehn Russen und haben danach, man höre und staune, auch mal Sexfantasien. Solche Themen serviert zu bekommen, ohne sich permanent fremd zu schämen, ist selten genug - ganz unabhängig vom Bildungsgrad. "Vorsicht, Stufe!" schafft den schwierigen Spagat zwischen Representing und Augenzwinkern, zwischen dicker Hose und erhobenem Zeigefinger. Achtzehn Tracks, die genaueres Zuhören endlich mal belohnen. Ich neige mein Haupt und ziehe völlig bewusst den Vergleich zu Großmeister Curse.

Es sind völlig subjektive Gründe, die diesem Album in meinen Ohren Klassikerstatus absprechen. Erstens: Wer nicht gut singen kann, der sollte es bleiben lassen. Das gilt für F.R. ebenso wie für Favorite. Generell ist mir schleierhaft, warum es derzeit en vogue ist, grandiose Texte in gebetsmühlenartig wiederholten Gesangshooklines zu ersäufen. Zweitens: Die Zusammenarbeit mit den Beatgees ist ganz klar ein Fortschritt. Trotzdem zielt seine Instrumentalauswahl immer noch gerne mal völlig an meinem Geschmack vorbei.

Drittens: Fabians Stimme klingt noch immer so, als wäre er im Stimmbruch. Das erlaubt ihm eine enorme Vielseitigkeit beim Stimmeinsatz (insbesondere beim grandiosen "Gerne So Wie Ich"), aber auf Dauer nervts.

Nichts davon trübt nachhaltig den Gesamteindruck eines Albums, das F.R. in der Tat in die Spitzengruppe der deutschen MCs katapultiert. Wer nach "Vorsicht, Stufe!" den oft geschmähten Studentenrap immer noch als elitär und weltfremd empfindet, der hat nicht richtig zugehört oder eine Menge Vorurteile. Und die braucht Rap noch weniger als ein Abitur.

Trackliste

  1. 1. Jag' Das Gelände Hoch
  2. 2. Rap Braucht Abitur
  3. 3. Prison
  4. 4. Melodie Des Lebens
  5. 5. Erwachsen Werden
  6. 6. Rap Ist Mein Fetisch
  7. 7. Geister Und Dämonen ft. Olli Banjo
  8. 8. Kopf Gegen Herz
  9. 9. Seelenfrieden
  10. 10. Gerne So Wie Ich
  11. 11. Verlorene Seelen
  12. 12. Phantom Der Poser ft. Ercandize, DJ CSP
  13. 13. Das F Und Das R
  14. 14. Grenzenlos
  15. 15. Nie Gesehen
  16. 16. Stillstand
  17. 17. Flucht Zu Dir
  18. 18. Alles Was Ich Habe

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206 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Kann in allen Punkten nur zustimmen!
    Find das Album gut gelungen. Endlich mal neue Impulse im deutschen Rapgame. Hoffentlich kommt da noch mehr. Was wirklich einziger Minuspunkt in meinen Augen bleibt, ist tatsächlich die Auswahl der Beats. War schon das größte Manko bei "Mittelweg" und ist auch jetzt noch sein größtes Problem finde ich. Da würde ich mir eine einheitlichere Linie wünschen. Ein instrumentalisches Durcheinander ist nie gut für ein Album - das beweist auch dieses von F.R. ... Technisch und inhaltlich jedoch spitzenklasse! Würd ihn technisch direkt hinter Savas ansiedeln. Top Deluxe!

  • Vor 16 Jahren

    Gute Review, kann auch nur zustimmen. Hab's mir nun auch zugelegt und würde ebenfalls 4/5 geben.
    Vielleicht hätte man noch eher auf die Tracks und weniger auf die Grundsatzdiskussion über F.R. und Abiturientenrap eingehn können.
    @laut.de (« ...das Groß... »):

    :???: :D

  • Vor 16 Jahren

    Verlinkt doch mal bitte die Review mit dem anderen "Vorsicht Stufe"-Thread.

  • Vor 16 Jahren

    @Toriyamafan (« Uläsbahr. »):

    Is nich lustig.

    Fick dich. :)

  • Vor 16 Jahren

    @Sodhahn (« @Garret (« unter der bedingung das du zum nächsten vogelkundler geschickt wirst und überprüfen lässt wieviele familien denn nicht nur bei oder..in dir zusammentreffen sondern auch tatsächlich wohnen

    und ein insektenforscher sollte auch zu rate gezogen werden,nur für den fall das nicht ausreichend futter hinter deinen linken ohr wuselt »):

    :lol: »):

    auch :lol:
    bin sowieso gerade extrem belustigt durch den bubugroupie

  • Vor 16 Jahren

    also ich sag da mal folgendes zu: überschießendes raptalent is sowohl unserm herrn hier wie auch den "street guys", gemeint aggro - und egj - genossen, zuzugestehen!!! f.r. hat sein abi und kann stolz auf seine achieved goals bisher im leben sein. aber man darf nich vergessen, dass sido und bu den deutschrap erst überhaupt ja wieder wirklich in gemacht ham mit ihren durchbruchs, sowie chakuza österreich auf die rapkarte gesetzt hat!!