laut.de-Kritik

Mehrfach-Urlaub in Sam City ist Pflicht.

Review von

Mensch, was für eine Geheimniskrämerei um so ein kleines Stück silberfarbenen Kunststoffs. Gleich mehrfach wurde zum Pre-Listening eingeladen und selbst zum Interview gab es das neue Album der Killers nur bei Kaffee im Vorhör-Raum. Stattdessen hagelte es die wirklich wichtigen Informationen und Bilder zum neuen Style der Band. Alle sollen nun Bärte haben. Aus dem androgynen kleinen Jungen Brandon Flowers ist ein Schnorres-Mann geworden. Macht man Menschen mit solch einer Informationspolitik neugierig oder nervt man nur?

Beides ist der Fall. Jetzt jedenfalls liegt es vor, das neue Werk "Sam's Town" - mit einem Cover, das es schwer macht, nicht über Äußerlichkeiten zu sprechen. Statt hell und bunt ist das Artwork in schwarz-weiß gehalten, auf der Rückseite hat Starfotograf Anton Corbijn die Killers abgelichtet, als würden sie gerade für neue Folgen von Bonanza vor der Kamera stehen. Wir haben es also nun mit Naturburschen aus der Wüste zu tun.

Findet sich ein ähnlich radikaler Wechsel auch in der Musik? Ja und nein. Ja, weil die offensichtlichen Hits nicht zu finden sind, die das letzte Album zuhauf auftischte - "Sam's Town" kickt nicht schon beim ersten Hören. Nein, weil dennoch alle Killers-typischen Zutaten am Start sind: Jede Menge Keyboards mit Streicherkonserven, Brandon Flowers' theatralische Stimme, die meist fiktive Geschichten zum Besten gibt, Tanzbeats und rockende Gitarren. Die Feinabstimmung macht den Unterschied und ein Wille zur Kunst anstelle von Künstlichkeit.

Das fällt schon zu Beginn bei "Sam's Town" auf. David Keunings Gitarre ist so präsent wie nie zuvor. Die Strophe begleitet er mit fett verzerrten, abgestoppten Tönen - ein Sound, der sich durch viele Songs der Platte zieht. Das Keyboard tritt nur in wenigen Momenten aus dem Hintergrund, während derer es allerdings extrem präsent ist. Der Auftaktsong stellt eine Art rockenden Prolog dar, der unheimlich viel auf kleinem Raum zusammen trägt - eingefasst in Jahrmarktatmosphäre, es gibt mehr Teile, als in einem Killers-Song üblich und schließlich tritt noch der Band-Chor in Aktion, der sich an einigen Stellen des Albums in mehrstimmigem Gesang ergeht.

"Sam's Town" ist eindeutig mehr Album als "Hot Fuss", ein Blick auf die Tracklist fördert das Konzept zu Tage. Ein "Enterlude" begrüßt den Hörer, richtet einige Worte an ihn und hebt den Vorhang zur Kopfkinowelt der Killers. Das "Exitlude" am Ende entlässt ihn wieder in die Realität. Die Killers wollen mehr als nur ein paar Hits aneinander reihen. Vielleicht suchen sie sogar so etwas wie inhaltliche Bedeutung.

"When You Were Young" ist das eingängigste Stück und folgerichtig auch die Vorabsingle. Es scheint die Brücke zwischen Jetzt und Damals zu schlagen. "Uncle Jonny" schiebt von der ersten Sekunde an überzeugend. Wenn so die Zukunft der Killers klingt, habe ich damit kein Problem.

Mit der Zeit wird auch "For Reasons Unknown" zu einem potentiellen Hit-Kandidaten, während diese geschmacklosen Keyboard-Streicher bei "Read My Mind" sich nicht schönhören lassen wollen - da kann man versuchen, was man will. Der Klang zieht sich wie ein Teppich aus Schneckenschleim unter den Strophen her. Fies. Auch sonst ist der Song etwas platt und einfallslos geraten. Gleiches gilt für den Anfang von "Bones": Sorry, aber diesen Keyboardsound haben auch die Flippers schon benutzt. Der Rest ist dagegen wieder ziemlich anständig.

Die Melodien klingen irgendwie bekannt, zumindest vertraut. Brandon Flowers legt dieses Mal mehr Wert auf eine persönliche Note. So verarbeitet er zum Beispiel seine Flugangst zu "Why Do I Keep On Counting". Der Sound von "Sam's Town" ist geerdeter und rockiger als der des Vorgängers. Vielleicht tragen die Produzentenfüchse Flood und Alan Moulder die Verantwortung dafür. Ob Ersterer ihnen zu diesen pumpkinsmäßigen Steigerungen ("This River Is Wild", "Sam's Town") geraten hat?

Abgesehen von einigen störenden Keyboardeskapaden, die man den Vieren nur schwer verzeihen kann, macht der Besuch der imaginären Killers-Stadt Spaß. Sie ist nicht nur eine Reise wert, der Mehrfach-Urlaub wird pflichtverordnet. Es gibt viel Neues zu entdecken, einiges Altbekannte fühlt sich nach Heimkommen an. "Sam's Town" ist weniger aufgesetzt als "Hot Fuss", weniger Varieté. Da wird das Image schnell zur Nebensache, was es eigentlich auch bleiben sollte.

Trackliste

  1. 1. Sam's Town
  2. 2. Enterlude
  3. 3. When You Were Young
  4. 4. Bling (Confession Of A King)
  5. 5. For Reasons Unknown
  6. 6. Read My Mind
  7. 7. Uncle Jonny
  8. 8. Bones
  9. 9. My List
  10. 10. This River Is Wild
  11. 11. Why Do I Keep Counting?
  12. 12. Exitlude

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