laut.de-Kritik
Das lang verschollene Debüt einer unfassbaren Chanteuse.
Review von Ulf KubankeEndlich erblickt eine wahre Kostbarkeit der einzigartigen Esther Ofarim erstmals auf CD das Licht der Welt. Das schlicht "In London" betitelte Soloalbum der israelischen Ausnahme-Chanteuse aus dem Jahr 1972 ist nicht nur ein klassisches Singer/Songwriter-Werk, sondern schlichtweg ein Klassiker, der jahrzehntelang nicht erhältlich war.
Produziert und teilweise mitkomponiert hat dieses Meisterstück kein Geringerer als die Folklegende Bob Johnston, unter anderem berühmt für seine Mitarbeit an großen Alben von Bob Dylan ("Highway 61 Revisited", "Blonde On Blonde"), Leonard Cohen ("Songs From A Room"), Johnny Cash ("At Folsom Prison") und Simon & Garfunkel ("Sounds Of Silence").
Entsprechend ruhig und erhaben geht es auf "In London" zu. Die Besinnung auf ihre ureigene musikalische Persönlichkeit und die Abwesenheit ihres Ex-Mannes Abi lässt Esther förmlich aufleben. All das mitunter betulich Schlagerhafte der Vergangenheit schüttelt die zierliche Sängerin aus Galiläa mit erstaunlicher Leichtigkeit ab.
Das französische Freiheitskämpferlied aus dem Zweiten Weltkrieg "Chant Des Partisans" mutiert bei Ofarim zum "Song Of The French Partisan". Eindringlich zelebriert sie dieses Lied gleichzeitig klagend, kämpferisch und sehnsüchtig. Die Sängerin gehört zweifellos zu der überschaubar kleinen Gruppe begnadeter Interpreten à la Frank Sinatra oder Tina Turner, die fremde Songs nicht kopieren, sondern regelrecht erobern.
"Waking Up" sei jedem Rotweinfreund zum Kerzenabend wärmstens ans Herz gelegt. Auch die beiden Cohen-Nummern gehören zu den wenigen Fremddeutungen, die gekonnt etwas hinzusetzen und gleichzeitig tiefes Verständnis für das Innenleben dieser Lieder offenbaren. Sogar dem inzwischen tausend Fußgängerzonen-Tode gestorbenen "El Condor Pasa" haucht Esther Leben und Würde in den neuzeitlich von Blockflöten malträtierten Körper.
Wer genau hinhört, merkt, dass trotz der zarten, zerbrechlichen Stimmung ein imposantes Orchester im Hintergrund agiert. Hier ist die sprichwörtliche Quadratur des Kreises gelungen: bombastisch, aber intim! Der scheinbare Widerspruch gelingt. Ein vielköpfiges, aber hochgradig zurückhaltendes Orchester agiert auf einem dominanten Gerüst aus Gitarre, Bass und Piano.
Abgerundet wird das Ganze mit zusätzlichen drei Bonustracks als Weltpremiere. Mit dieser Platte erhält man eine ebenso historische wie zeitlose Schallplatte bar jeder Patina. Aneinandergereiht schimmern die Lieder sanft wie eine Kette poetisch musikalischer Folkperlen, dargeboten von einer der wundervollsten Stimmen des 20. Jahrhunderts.
3 Kommentare
Ah ... das BureauB-Paket scheint bei Dir angekommen zu sein, hm?
Das Label ist irgendwie faszinierend - hab' unlängst ein paar Alben aus deren Sortiment bestellt und hatte keinen einzigen Ausfall dabei. Scheint sich um Leute mit Geschmack zu handeln.
Ähm, ja ... Danke für den Hinweis *geld zusammenkratz*
Gruß
Skywise
allerdings: marlene dietrich, hilde knef und cluster. super
@Zapato El Don (« allerdings: marlene dietrich, hilde knef und cluster. super »):
James Last, Palais Schaumburg und der Soundtrack von Signor Rossi. Perfekte Mischung
Gruß
Skywise