laut.de-Kritik
Jubel, Trubel, Diskokugel.
Review von Michael SchuhAuf den richtigen Start kommt es an. Eine alte Weisheit des Sports, die längst auch bei Konzertveranstaltungen und eben bei Langspielplatten, neudeutsch: Longplayern, seine Berechtigung erfährt. Der erste Albumtrack führt einen an das Kommende heran, manchmal weich und geschmeidig, manchmal eher brachial. Saalschutz bevorzugen die zweite Variante.
Im Folgenden eine kleine Abschrift ihrer zu Marschtrommelwirbeln erklingenden Begrüßung: "Yeah, aha, aha, yeah, that's the way, I like it, groovy, yeah, party people präsentiert: die Synthesizer, defending disco dancing, never surrender, no fake, no gadgets, no gimmicks, no tricks, Saalschutz in da hoouuuse, aaiight?"
Ähh, okay. Viel mehr als der zitierte Ali G sind die beiden Saalschützer aus Zürich aber die Helge Schneiders des Schweizer Elektro-Pop. Mit gehörig Mut zum kindlichen Wortwitz und hochgetunten 80s-Bässen fegen DJ Flumroc und DJ M.T. Dancefloor denselben nicht etwa leer, sondern lassen ihn rotieren.
Dies gilt vor allem für "19, 9 & 90", einem straighten Elektro-Pamphlet mit deep knallenden Oktavbässen, das man der schreienden Menge am besten nach Jeans Teams "Keine Melodien"-Remix kredenzt. Jubel, Trubel, Diskokugel - und nebenbei ein Kniefall vor Prince ("1999")! Zum Thema Disko darf auch das Groovebeben "Leererer, Inhaltsloserer Ausdruck" (feat. Stina Galaxina) nicht vergessen werden, das mancher bereits von der Zickzack-Compilation "Bis auf Weiteres eine Demonstration" von 2002 oder einer Split-Maxi mit Knarf Rellöm kennen dürfte.
Flumroc und Dancefloor sehen sich ein bisschen als Pop-Revoluzzer, die einen Mordsspaß haben, dem ach so ernsthaften Business um sie herum mit narrativ durchdachtem Unsinn, ähnlich den Berlinern von Mitte Karaoke, die Schwere zu nehmen. Sie heißen uns "willkommen zu meiner kleinen Nachtmusik, die kleine Popmusik wird dich nie mehr verlassen". Ein bisschen stimmt das auch.
Schmunzelnd begleitet man die beiden Laptop-Knallköpfe beim Kunstraub ("Leererer, Inhaltsloserer Ausdruck"), goutiert man den leicht halluzinogenen Synthie-Pop française à la Vive La Fête in "SMS d'amour" oder kniet nieder vor "Diedrich Diederichsen". Textauszug: "Diedrich Diederichsen, wir lieben dich - aber deine Bücher, verstehn wir nicht!"
Auf Albumlänge durch wenige Ausrutscher ("Today We All Gonna Die", "Dancin' Movin'") etwas anstrengend, birgt "Das Ist Nicht Mein Problem" zwischen all dem Dada-Elektropunk und C64-Bleep-Romantik doch ein untrügliches Entertainment-Potenzial, das mächtig Lust auf die Live-Performance weckt. Dort dürfen dann nach Lust und Laune Saalschutz-Slogans zum Stakkato-Sequencer mitgebrüllt werden: "Ich will den ganzen Tag nur Saalschutz hör'n" oder auch: "Ohne Saalschutz machen nichtmal Drogen Spaß". Auch wenn ich letzteres in dieser Form nicht unterschreiben möchte.
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