laut.de-Kritik

MT Dancefloor und Flumroc toppen sich selbst.

Review von

Yeah, Saalschutz ist zurück. Die Band, bei deren Namen ich immer an die berüchtigten Saalschlachten zwischen Rechten und Linken in der Weimarer Republik denken muss, hatte vor zweieinhalb Jahren mit "Das Ist Nicht Mein Problem" ein Debütalbum vorgelegt, das elektroaffine Musiknerds mächtig aufhorchen ließ. Wie geht es also weiter?

Schon das Intro lässt ahnen, dass Saalschutz dazu ansetzen, sich selbst zu toppen. Jörg Buttgereit, bekannt wohl als Regisseur von so illustren Filmen wie "Nekromantik", begrüßt den Hörer und versichert, dass wir es hier mit netten Jungs zu tun bekommen. Als ob wir das nicht schon gewusst hätten. Und dann gehts los: "Gesamtwerk verbrannt, Gesamtwerk verbrannt, eines Tages sterbe ich mit dem Sequenzer in der Hand!" Kann ein Album mit einem größeren Knall beginnen? Mit voll aufgedrehten Sequenzern und Synthesizern wirbeln DJ MT Dancefloor und DJ Flumroc durch die Gehörgänge.

Das Ohrenmassaker nimmt seinen Lauf, und man kann nicht anders, als unverschämt Spaß daran zu empfinden. Saalschutz machen all das, was sich sonst niemand traut: sie stellen Suggestivfragen und reißen die Metaebene ein. Dabei knallen sie einem dick angerührte Beats und knarzende Synthies um die Ohren, dass es eine Freude ist. Zwischendurch melden sich die Räuberhöhle, Egotronics Torsun und die Bum Khun Cha Youth zu Wort und preisen das Züricher Duo. Da stimmen wir ungefragt ein und zu.

In der Hookline zu "1! 2! Yeah! Yeah! Yeah!" gestehen sie über pumpende Beats: "Das ist keine Hookline, wir sind gescheitert an der Suche danach." Macht nix, wir tanzen trotzdem! Gerne chillen wir auch auf ihr Kommando, wobei das bei Tanztrieb fördernder Musik natürlich schwer fällt. Tanzbarkeit regiert "Macht's Möglich", mehr noch als den Vorgänger, das hier ist noch eine Nummer fetter als 2004. Ob "Richtige Deejays" oder "Shake That Ass" ("Forever, unverbindlich"), der Körper will, die Beine müssen sich bewegen.

Highlight des Albums: "Saalschutz, Den Ganzen Tag", wer möchte das nicht? Hier sind die zwei DJs am nächsten an ihrem selbsterfundenen Discopunk-Ideal. Auch wenn es danach gleich wieder sehr elektroid und in Anlehnung an die Beatles verkündet wird: "While my synthesizer gently weeps ..." Als es um Achilles und seine verwundbare Stelle geht, wähnt man sich kurz im falschen Album, doch dann geht das euphorisierende Fiepen und Knarzen weiter, und auch das schamlose Zitieren: "Hey wait I got a new complaint!"

Nach dem fulminanten Possetrack "Shake That Ass Part 2" endet "Macht's Möglich" mit einem Titel, der das ganze Album äußerst passend zusammenfasst: "Tausendsassaesk". In der Gewissheit, dass sich Saalschutz in der Tat getoppt haben, schwitzend und wirr vor lauter Glückshormonen brüllen wir "Popmusik ist nie passiert!" und drücken die Playtaste.

Trackliste

  1. 1. Sehr Nette Menschen
  2. 2. Das Lied Mit Den Suggestivfragen
  3. 3. 1! 2! Yeah! Yeah! Yeah!
  4. 4. Everybody Chill Out (feat. Stina Galaxina)
  5. 5. Richtige Deejays
  6. 6. Shake That Ass
  7. 7. Saalschutz, Den Ganzen Tag
  8. 8. Defendin' Disko Dancin' (feat. Jane Foxxxy, Stina Galaxina und Lolita Defekt)
  9. 9. Hey, Achilles! (by Knarf Rellöm)
  10. 10. Beschwerdefrist Abgelaufen
  11. 11. Shake That Ass Part 2 (feat. Phantwo, Strikk, Big Zis, Tinguely Dä Chnächt, G.I. John und Lügner)
  12. 12. Tausendsassaesk

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