laut.de-Kritik

Leider zu viele Würmer in dem Apfel.

Review von

Hält das Paradies die Erwartung, die das Cover des neuen Shakira-Albums "Oral Fixation Vol.2" verspricht, dann nichts wie hin an diesen Ort. Obwohl die interessanteren Leute sicher in der Hölle zu finden sind. Doch wenn die kolumbianische Sirene als lockende, kaum bekleidete Eva dort wartet, liegt der Wunsch nahe, sich schnellstens in den passenden Adam zu verwandeln.

Das im CD-Booklet enthaltene Poster macht ordentlich Appetit: Shakira posiert da als Urmutter der Menschheit. Die wichtigsten Teile (leider) von kunstvoll um sie drapierten Zweigen verdeckt, aber lecker schaut sie trotzdem aus. Lockend hält sie einen roten Apfel in der Hand. Leider prickeln die Songs auf "Oral Fixation Vol. 2" bei weitem nicht so wie das erotische Ausklappbild.

Der Longplayer startet mit geistlichen Chören auf "How Do You Do" und entwickelt sich zur Midtempo-Popnummer samt E-Gitarren und verschleppten Beats. "Don't Bother" fiel schon als Singleauskopplung nicht übermäßig auf. Ganz nett, aber eben auch nicht sonderlich mitreißend. Auch geht in der englischen Variante viel vom Schwung und Charme verloren, die Shakiras spanischsprachige Produktionen auszeichnen. Zu oft verweist sie auf beliebige, austauschbare Musik-Standardmuster.

Bereits nach wenigen Titeln zeigt sich eines der Hauptmankos des Albums: Shakiras Stimmarbeit geht dem Hörer schnell und gewaltig auf den Senkel. Sie kann ja singen, keine Frage. Aber welcher Teufel reitet sie nur, diese überzogene Stimmakrobatik bis zum Überdruss einzusetzen? Alle paar Takte jodelt oder greint sie, dreifache Kehlkopfüberschläge prasseln auf den wehrlosen Hörer ein - die deutlich zu oft und zu akzentuiert eingesetzte Phrasierungstechnik gereicht den Songs leider nicht zum Vorteil.

Auf "Illegal" hat Carlos Santana seinen Auftritt. Von Veredelung des ohnehin müden Titels keine Spur. Der Gitarrengott gniedelt sein Solo derart lustlos hinunter, dass es nur noch ärgerlich ist. Wer als Gaststar nicht mehr zu bieten hat als einen lauen, gelangweilten Part, der sollte doch besser sich und sein Instrument zu Hause lassen – anstatt unschuldige Plattenkäufer zu malträtieren. Carlos entpuppt sich gar als ganz übler Wurm in Shakiras Paradiesapfel und klingt hier wie ein Richard Clayderman der E-Gitarre.

Einige gute Pop-Momente bietet der Sixties-angehauchte Track "Hey You". Auf der Ballade "Your Embrace" zeigt Shakira, dass sie auch anders kann: Nämlich ohne übertriebenen Einsatz des Stimmvolumens. Nicht nur diese Zurückgenommenheit macht den Track besonders hörenswert, sondern ist auch eine der raren, wirklich gelungenen Kompositionen. Ebenso wie "Something", das ebenfalls im Balladenkleid verpackt ist. Der halbherzige Mix aus Pop- und Rockelementen in "Costume Makes The Clown" funzt leider nicht. Die Gitarrenarbeit klingt hier zu bemüht auf Metal-Momente getrimmt. Und Shakira ist einfach keine 100%ige Rocklady, deshalb steht ihr diese Pose auch nicht recht.

"Timor" entpuppt sich als ziemlich fader Fladen mit Kinderchor, gruseligen Achtziger-Beats und ausgelutschten Gitarrenlicks. Das nervige Elektronikgefiepe als Sound-Accessoire passt da dann tatsächlich zum Song und gibt ihm entgültig den Rest.
Sicher hat Rick Rubin als Produzent oft überdurchschnittliche Arbeit geleistet, seine beste ist dies aber nicht. Dafür erscheint vieles halt zu belanglos und durchschnittlich, was die Arrangementkostüme angeht. Auch das kompositorische Überraschungsmoment hält sich leider in Grenzen.

Ach, Shakira. Dabei ging es doch so gut los mit dem Aufklapp-Cover. Also: Nächstes Mal bitte wieder das kolumbianische Feuer lodern lassen. Und deswegen die hübsche Foto-Beigabe nicht weglassen, ja?

Trackliste

  1. 1. How Do You Do
  2. 2. Don't Bother
  3. 3. Illegal (feat. Carlos Santana)
  4. 4. The Day And The Time (feat. Gustavo Cerati)
  5. 5. Animal City
  6. 6. Dreams For Plans
  7. 7. Hey You
  8. 8. Your Embrace
  9. 9. Costume Makes The Clown
  10. 10. Something
  11. 11. Timor

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LAUT.DE-PORTRÄT Shakira

"Ob Latin oder nicht, ich liebe den Rock'n'Roll, und der ist international!" Shakira steht auf Gitarrenrock, den sie mit aufmüpfigen Texten verfeinert.

2 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    Kompositorisch wie stimmlich ist Shakira wohl insgesamt sehr gehobener Durchschnitt.
    Ein paar Perlen immer wieder, die sie hervorbringt.
    Der Rest gehobenes Niveau, aber manchmal halt auch etwas nervig durch zuviel gefühltriefendsollendes Geknödel.

    Leider trifft letzteres auch teilweise auf die spanischsprachigen Lieder von ihr zu.
    Insgesamt meine ich aber, dass es sich unbedingt lohnt, die englischen Lieder etwas zur Seite zu schieben und sich mit ihren spanischen zu beschäftigen.
    Dort sind die Texte etwas tiefer, ausserdem passt die Sprache manchmal wirklich besser zur Musik.
    Schön, dass das anscheinend auch Shakira erkannt hat und ihre spanischsprachigen Veröffentlichungen zugunsten der englischsprachigen nicht vernachlässigt.

    Etwa gleichauf dem Niveau der Musik und der Stimmführung sind natürlich die Erscheinung, das Tanzen, die Darbietung auf der Bühne.

    Alles super Entertainment mit einer sexy Frau.
    Ausserdem finde ich sie sehr sympathisch - aus der Ferne beurteilt.

    Wenn es aber nicht eine kleine Handvoll von Songs geben würde, die sie wirklich aus der Masse hervorstechen lassen, würde ich mich kaum mit ihr beschäftigen.

    Hüftenschwingen à la Shakira sieht zwar gekonnt und sexy aus - aber alleine das würde mich nicht hinterm Ofen hervorlocken.

    Aber ein nettes kleines Mädel mit grosser Stimme halt, das vielleicht in ihrem Leben mal noch richtig geniale Sachen machen könnte - ein paar fast geniale Lieder hat sie ja schon.

  • Vor 6 Jahren

    Ich finde es toll,dass Du neben Englisch sogar Spanisch beherrschst.Ich beherrsche nichteinmal Doitsch so richtig.Schapoh !