laut.de-Kritik
Einstige Gitarren-Verfechter sammeln sich auf der Techno-Tanzfläche.
Review von Philipp SchiedelDas Hamburger Label L'Age D'Or ist mit seinem elektronischen Ableger Ladomat 2000 so etwas wie everybody's Darling in Sachen deutscher Independent. Seit Jahr und Tag liegt Chef Carol von Rautenkranz mit nahezu keiner Veröffentlichung richtig daneben und hat deutsche Gitarren-Musik mitgeprägt wie kaum ein anderer.
Aktuelle Darlings wie die Sterne, Ur–Hamburger Schüler wie Brüllen oder Kolossale Jugend, die Union Youth-Vorgänger Jonas und nicht zuletzt Tocotronic gehen auf seine Kappe. Hamburg als Standort für gute Musik ist ohne Lado kaum mehr vorstellbar.
Nun also die fünfte Werkschau des Labels. Und wieder ist sie ein neuer und bester Beweis, warum man national keine Konkurrenz fürchten braucht. Fresh präsentiert man sich hauptsächlich elektronisch, wie man es von einem eigentlichen Gitarrenlabel wohl nicht erwartet hätte.
Das zeigt aber eigentlich nur, wie umtriebig und verschieden die Hörgewohnheiten bzw. das Interesse der Hamburger sind. Und es zeigt einen vor allem in letzter Zeit ganz wichtigen Fakt in der Entwicklung der Hamburger Klientel: die einstigen Gitarren-Verfechter sammeln sich zunehmend auf den Techno-Tanzflächen.
Die Liste derer, die eigentlich ein "richtiges" Instrument spielen, nun aber immer öfter an Knöpfchen spielen, ist auf "Wir" ziemlich lang: Dirk von Lotzow, seines Zeichens Sänger und Gitarrist von Tocotronic, hüpft nun mit Phantom/Ghost herum, Mense Reents war bei den Goldenen Zitronen, usw. und so fort. Superpunk oder Fink wirken da ganz ohne dicke Bassline doch schon etwas verloren, fügen sich aber trotzdem perfekt in den Hörfluss ein.
Wer Abwechslung sucht, ist hier bestens beraten: Von den wahnsinnig guten Disco-Punk-Newcomern Spillsbury über den Electro-Hip Hoppigen Grant Buffet bis zu den Sommer-60s-Gitarren von Tenfold Loadstar ist alles vertreten, was heutzutage unter den Begriff Indie fällt.
Miss Kittin steht neben dem infantilen Casio-Sound vom Sterne-Keyboarder Richard, die kruden, japanisch singenden 8doggymoto neben den Cowboyhüten von Fink. Alles hat seinen verdienten Platz.
"Es passt alles ineinander", wie die ebenfalls aus Hamburg stammenden Tomte einst sangen. Ich singe: Fünf Punkte für diesen Pflichtkauf und trinke auf die nächsten Jahre. Keep on movin', Lado.
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