laut.de-Kritik

Einstige Gitarren-Verfechter sammeln sich auf der Techno-Tanzfläche.

Review von

Das Hamburger Label L'Age D'Or ist mit seinem elektronischen Ableger Ladomat 2000 so etwas wie everybody's Darling in Sachen deutscher Independent. Seit Jahr und Tag liegt Chef Carol von Rautenkranz mit nahezu keiner Veröffentlichung richtig daneben und hat deutsche Gitarren-Musik mitgeprägt wie kaum ein anderer.

Aktuelle Darlings wie die Sterne, Ur–Hamburger Schüler wie Brüllen oder Kolossale Jugend, die Union Youth-Vorgänger Jonas und nicht zuletzt Tocotronic gehen auf seine Kappe. Hamburg als Standort für gute Musik ist ohne Lado kaum mehr vorstellbar.

Nun also die fünfte Werkschau des Labels. Und wieder ist sie ein neuer und bester Beweis, warum man national keine Konkurrenz fürchten braucht. Fresh präsentiert man sich hauptsächlich elektronisch, wie man es von einem eigentlichen Gitarrenlabel wohl nicht erwartet hätte.

Das zeigt aber eigentlich nur, wie umtriebig und verschieden die Hörgewohnheiten bzw. das Interesse der Hamburger sind. Und es zeigt einen vor allem in letzter Zeit ganz wichtigen Fakt in der Entwicklung der Hamburger Klientel: die einstigen Gitarren-Verfechter sammeln sich zunehmend auf den Techno-Tanzflächen.

Die Liste derer, die eigentlich ein "richtiges" Instrument spielen, nun aber immer öfter an Knöpfchen spielen, ist auf "Wir" ziemlich lang: Dirk von Lotzow, seines Zeichens Sänger und Gitarrist von Tocotronic, hüpft nun mit Phantom/Ghost herum, Mense Reents war bei den Goldenen Zitronen, usw. und so fort. Superpunk oder Fink wirken da ganz ohne dicke Bassline doch schon etwas verloren, fügen sich aber trotzdem perfekt in den Hörfluss ein.

Wer Abwechslung sucht, ist hier bestens beraten: Von den wahnsinnig guten Disco-Punk-Newcomern Spillsbury über den Electro-Hip Hoppigen Grant Buffet bis zu den Sommer-60s-Gitarren von Tenfold Loadstar ist alles vertreten, was heutzutage unter den Begriff Indie fällt.

Miss Kittin steht neben dem infantilen Casio-Sound vom Sterne-Keyboarder Richard, die kruden, japanisch singenden 8doggymoto neben den Cowboyhüten von Fink. Alles hat seinen verdienten Platz.

"Es passt alles ineinander", wie die ebenfalls aus Hamburg stammenden Tomte einst sangen. Ich singe: Fünf Punkte für diesen Pflichtkauf und trinke auf die nächsten Jahre. Keep on movin', Lado.

Trackliste

  1. 1. Goldenboy With Miss Kittin - 1234
  2. 2. Beige GT - Knights Of The Jaguar
  3. 3. Ascii.Disko - Einfach
  4. 4. Tocotronic vs. Console - Freibug V3.0
  5. 5. Egoexpress - Something To Hide
  6. 6. Grand Buffet - Things That Go Hump In The Night
  7. 7. Spillsbuy - Das Spiel Ist Aus
  8. 8. 8doggymoto - Ashimoto
  9. 9. State Of Chaos - Beatnik
  10. 10. Stella - Bosses Of The Soul
  11. 11. Plundersonics - Mutants Here I am
  12. 12. Turner - My Aeroplane Mania
  13. 13. My Robot Friend - We're The Pet Shop Boys
  14. 14. Grom - Love Rocket
  15. 15. Jan Gazarre - Pop Life
  16. 16. Justus Köhnke - Ich Versteck Mich Vor Der Wirklichkeit
  17. 17. Sensorama - It's The Thing
  1. 1. Sensorama - Where The Rabbit Sleeps
  2. 2. Tocotronic - Hi Freaks
  3. 3. Beige GT - Funghi Pudel
  4. 4. Kandisquer - Forgein Machine
  5. 5. Lawrence - Titel 3
  6. 6. Fink - Sieh Mich Nicht An
  7. 7. Mense Reents - Alles Ist Da
  8. 8. Superpunk - Right Back Where We Started From
  9. 9. Commercial Breakup - Bizarre Love Triangle
  10. 10. Phantom/Ghost - Electric Alcatraz
  11. 11. Carsten Jost - Make Pigs Pay
  12. 12. Suguru Kusumi - La Street
  13. 13. Aeric - Toute Facon
  14. 14. Migon - Bad, Evil, Wicked
  15. 15. Richard - Liebe Am Fluss
  16. 16. Egoexpress - Music No Music Music
  17. 17. Andi & Mari - Sony

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