laut.de-Kritik
"Im Frühtau zu Berge wir ziehn, fallera."
Review von Daniel StraubAndere Bands feiern ihr 25-jähriges Dienstjubiläum. Laibach lassen bereits ein Jahr früher die Sektkorken knallen. Macht nichts. Laibach waren ja schließlich noch nie mit anderen Bands zu vergleichen. Warum sollte sich das ausgerechnet im Jahr 2004 ändern? So dürfen sich Fans und neu zu begeisternde nach der Deluxe-Best-Of-CD "Anthems" nun über die Videos der slowenischen Skandal-Band freuen, die in ihren süffisant ironischen Überzeichnungen mehr als einmal Anlass zum nachdenklichen Schmunzeln geben.
Im Zentrum der DVD stehen selbstverständlich die Visualisierungen der Laibach-Kunst im M-TV-kompatiblen Drei-Minuten-Format. Der Opener "Drzava" aus dem Jahr 1986 atmet in seiner freudlosen Schwarz-Weiß-Ästhetik noch viel vom Industrial-Flair, das den frühen Veröffentlichungen von Laibach zu eigen ist. Deutlich eigenständiger kommt hingegen die Riege der Klassiker daher: angefangen mit dem Opus-Cover "Life Is Life" über das Queen-Remake "Geburt Einer Nation" ("One Vision") bis hin zu "Sympathy For The Devil" und "Across The Universe".
Mit diesen Videos etablierten Laibach endgültig ihr volkstümelndes Landler-Outfit als genauso prägnantes wie umstrittenes Markenzeichen. Bei "Live Is Live" stapfen die vier Herren im strengen Marschschritt durch die Wälder ihrer Heimat Slowenien und bewegen mit viel Pathos die Lippen zum Playback. Nicht immer ganz akkurat, was dem Ganzen eine ungewollt (?) komische Note verleiht.
Für "Sympathy For The Devil" zogen sich Laibach 1988 in eine der vielen Karsthöhlen Sloweniens zurück. Ein perfektes Setting; vor allem dank der zuhauf mitgeführten Fackeln. Wunderbar passt das zappelnde Licht zu den Größe und Macht suggerierenden Klanglandschaften, die Laibach ein ums andere Mal vor einem aufschichten. Mit dem von Metropolis-Referenzen durchzogenen Clip "Wirtschaft Ist Tot" ersetzen Laibach ihre angestaubten Jancker durch postmoderne, silberglänzende Uniformen, bevor sie sich mit "The Final Countdown" als körperlose Wesen im virtuellen Raum neu erfinden.
Im Anschluss an die kultigen Videos von Laibach verortet eine überaus spannende und gut gemachte Dokumentation von Saso Podgorsek den ästhetischen Entwurf von Laibach in seiner historischen, sozialen und künstlerischen Dimension. Der kalte Krieg, das Yugoslawien Titos und dessen Zerfall, die neuen nationalen Bestrebungen auf dem Balken, die daraus resultierenden Kriege, die Unabhängigkeit Sloweniens sowie der 11. September klingen hier an und geben jedem, der mehr über neue slowenische Kunst erfahren möchte einen umfassenden und kompakten Einstieg.
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