laut.de-Kritik
Reunion und Abschiedsparty nach 50 Jahren.
Review von Ulf KubankeEin halbes Jahrhundert lang wandeln die Grateful Dead unter den Sterblichen. Nun fällt für sie der letzte Vorhang. Einmal noch machen sich Bob Weir, Phil Lesh und Co. auf, den Deadheads und dem gesamten Universum ihr ganz eigenes Gebräu aus Rock, Blues und Psychedelic zu servieren. Fünf lange Marathon-Konzerte gab es im Sommer. Dies hier ist ihr letzter Gig. Das Ergebnis fällt wahrlich dreadful great aus.
Auch ohne ihren charismatischen Frontman Jerry Garcia machen The Dead auf der Bühne eine ausnehmend gute Figur. Sie waren Zeit ihres gesamten Bandlebens ein Kollektiv mit vielen kreativen Schultern. Besonders den musikalischen Anteil Weirs und Leshs kann man nicht hoch genug einschätzen. So konnte es nach dem Zerbrechen ihrer Schicksalsgemeinschaft kein weiteres Studioalbum geben. Ohne Garcia wäre ihnen dies nach eigenem Bekunden als Frevel und unwürdiger Kommerzkram erschienen. Live jedoch entfachen sie mit dieser Reunion noch einmal den Zauber ihres umfangreichen Katalogs. So bietet das Abschiedskonzert einen magischen Trip durch fünf Dekaden.
Das popkulturelle Interesse an dieser einmaligen Wiedervereinigung nahm in den Staaten nahezu surreales Ausmaß an. Führte man hier das Wort "Blockbuster-Event" im Mund, es wirkte fast wie eine Untertreibung. Um dem Andrang Herr zu werden, gab es neben den reinen Konzerttickets zahllose Kinos, die eine Übertragung boten, sowie improvisierte Riesenleinwände im ganzen Land. Außerdem stellten YouTube, diverse Radiostationen, Streamingdienste und TV-Sender die Show zeitversetzt zur Verfügung. Sogar für das Superbowl-gestählte amerikanische Showbiz war das Ereignis ein Novum.
Zur Krönung erfahren The Greatful Dead Anerkennung von höchster Ebene. Behandelte man Garcia und Co. jahrzehntelang als eine Truppe subversiver Tunichtgute und Staatsfeinde, gab es für dieses rauschende Finale sogar eine Botschaft aus dem Weißen Haus. Präsident Obama persönlich gratulierte zum 50. und würdigte Grateful Dead als Ikonen amerikanischer Kreativität und Leidenschaft. Die Band nahm das ganze Tamtam recht ungerührt zur Kenntnis und lief unbeeindruckt zur musikalischen Hochform auf.
Ihre überbordende Spielfreude fließt auch 20 Jahre nach offizieller Auflösung ungehemmt. All ihre Besonderheiten und typischen Kennzeichen rollen die Final Dead lässig als prächtigen Teppich aus. Das 'Rhythm Devils' genannte Duo aus Mickey Hart und Bill Kreutzmann baut ein Fundament aus Beats und Percussion ("Drums"). Als erste relevante Combo im Rockzirkus setzten GD konzeptionell auf zwei simultan agierende Drummer.
Lesh wird seiner musikhistorisch bedeutsamen Rolle als einflussreicher Bass-Innovator gerecht. Bereits in den ganz frühen Tagen erfand er den Bass als melodisch agierendes Lead-Instrument. Auch in dieser Show emanzipiert er sich oft und gern von Gitarre und Trommeln und gibt den Ton an. Die Gitarrenarbeit teilen sich derweil Weir und Gaststar Trey Anastasio von Phish. Als Edeljoker glänzt Bruce Hornsby, der Grateful Dead bereits auf der 1991er Tour begleitete.
Spieldauer und Setlist schöpfen erwartungsgemäß aus dem Vollen. Der Gig fährt fast dreieinhalb Stunden reine Spielzeit auf. Dabei zelebrieren die Greateful Dead eindrucksvoll jene ausufernde Lust spontaner Improvisation, die ihren Ruf als eine der weltbesten Live-Acts aller Zeiten zementiert. Das blinde Verständnis untereinander und die sensitive Fähigkeit aller, auf plötzliche Einfälle eines Einzelnen sofort weiterentwickelnd einzugehen, fasziniert auch heute noch ungebrochen.
Die Songs selbst spannen dabei einen weiten Bogen. Vom Endsechziger Psychedelic-Bonbon "Space" oder "China Cat Sunflower" über das 70er Artrock-Highlight "Terrapin Street" bis hin zu späten Hits à la "Touch Of Grey". So decken sie fast alles ab, was das Herz begehrt. Lediglich ihre eigentlich unverzichtbare Visitenkarte "Dark Star" fehlt unverständlicherweise im Programm. Doch trotz dieses kleinen Wermutstropfens bleibt man nach dieser grandiosen Abschiedsvorstellung bewegt zurück und tut es unwillkürlich dem alten Jerry-Garcia-Zitat gleich: "Nothing left to do but smile, smile, smile."
1 Kommentar mit einer Antwort
Kleine Korrektur: Der gute Mann heißt Trey Anastasio
danke, luchsauge.
sollte korrigiert sein.