13. Dezember 2004

Nur einmal mit Morrissey Tee trinken...

Interview geführt von

Es ist Anfang Dezember und bitterkalt im Palladium, in dem die Beatsteaks am Abend vor 4.000 Leuten auftreten. Im Soundcheck spielen sie The Cure, es folgt eine Fotosession auf der Bühne. Komischer Typ, dieser Schlagzeuger, denke ich beim Zuschauen: Wieso hat der sich so ein dünnes, hässlich-türkisfarbenes Hippie-Tuch um die Schultern gelegt? Genau dieser merkwürdige Vogel sagt etwas später zur Promoterin: "Ok, ich nehme das Interview mit Laut". Thomas Gotz, der einzige Schwabe in der Berliner Band, soll also mein Gesprächspartner werden.

Vor nicht einmal einem Monat setzten sich die Beatsteaks bei den MTV Europe Awards gegen Konkurrenz wie Die Ärzte und Rammstein durch: Sie nahmen den Preis für den besten deutschen Act aus Rom mit nach Hause. Die Party muss ja der Wahnsinn gewesen sein! "Ich war leider nicht dabei. Zu der Zeit lag ich krank im Bett. Die anderen haben da so ziemlich jeden wichtigen Star getroffen und ordentlich einen drauf gemacht." Wirklich traurig darüber, dass er nicht dabei war, hören sich Thomas' Worte allerdings nicht an.

Was er sicher nicht verpasste, waren die Aufnahmen zum Hit-Album "Smack Smash". Die Beatsteaks spielten die Platte live ein - lastete da nicht ein extrem hoher Druck auf der Band? "Nein, das war eher das Gegenteil." Die Jungs hätten vorher sehr viel geprobt. Als sie die Songs anschließend aufnahmen, schien es ihnen, als habe sich die Situation kaum verändert. "Deshalb ist es viel entspannter, so aufzunehmen, als wenn man jede Spur einzeln einspielt." Die Entscheidung, dieses Album mit einer anderen Technik aufzunehmen, ist jedoch nicht aus dem Drang zur Weiterentwicklung entstanden. Die Beatsteaks nähmen sich eine Veränderung nicht gezielt vor.

Man habe sich vielmehr "vor allem zwischenmenschlich entwickelt", meint Thomas. Einigen mag es komisch erscheinen, dass eine Band gerade mit dem Erfolg zusammen wächst. Sich noch näher kommt, als sie es ohnehin schon war. Doch schaut man sich eine Live-Show der Beatsteaks an, so kann man nicht anders, als ihnen glauben. Man merkt, wie nah sich die Personen, die da auf der Bühne feiern, sind.

Auf ihrer letzten Single "Hello Joe" huldigen die Beatsteaks dem The Clash-Sänger Joe Strummer. Doch warum gerade Strummer? Bei den Ramones, ebenfalls Heroen des Punk-Rock, gab es ja in letzter Zeit auch einige Tote zu beklagen! "Ich konnte immer mehr mit The Clash anfangen." Die Briten waren Thomas' Helden. Er brachte sie einst den anderen Bandmitgliedern nahe. Aber gerade wegen dieser Verehrung für The Clash und die Person Strummer hätte er sich "wohl nie getraut, vorzuschlagen einen Song für Joe Strummer zu schreiben". Das sei einer Idee von Sänger Arnim entsprungen.

Auf der B-Seite der "Hello Joe"-Single finden sich deutsche Lyrics, wie es sie in der Anfangszeit der Band vereinzelt gab. Allerdings stammen die deutschen Vocals zu "Frieda Und Die Bomben" nicht von Arnim, sondern kommen aus dem Mund des Turbostaat-Sängers Jan. Könnte die Band es sich vorstellen, selber wieder auf deutsch zu singen? "Vielleicht wäre das auf dem nächsten Album mal wieder eine Option."

Doch zurück in die Vergangenheit: Nach dem letzten Album "Living Targets" trennten sich die Beatsteaks von ihrem langjährigen und sehr namhaften Indie-Label "Epitaph". Ausgerechnet beim Major-Riesen Warner fanden sie Unterschlupf. Hat dieser Wechsel was mit Problemen bei Epitaph zu tun? Nun, Epitaph Europe sitzt in Holland, da kam es schnell zu Sprachbarrieren: "Es war schwierig, sich mit Holländern auf Englisch zu streiten." Und das tut man ab und an, weil eine Band sich die Arbeit manchmal anders vorstellt, als das Label. Außerdem konnte Epitaph den Stand der Beatsteaks auf dem deutschen Musikmarkt am Schluss nicht mehr korrekt einschätzen. So wurden beim letzten Album nicht genug CDs gepresst, "weil die einfach nicht abschätzen konnten, wie viel sich in Deutschland verkaufen würde".

Mit Warner gibt es nun vor allem eins: "Viel mehr Promo ... wir haben nicht gedacht, dass wir zum Album drei Videos machen, die dann auch noch alle im Fernsehen laufen." Während Thomas das erzählt, wirkt er einerseits immer noch erstaunt darüber, seine eigenen Songs auf MTV zu entdecken. Auf der anderen Seite scheint er in dieser Hinsicht ziemlich abgeklärt oder einfach nur auf dem Boden der Tatsachen geblieben.

Doch dieser Label-Wechsel und der damit verbundene Erfolg zieht auch Skeptiker und Neider an. Die werfen den Bands dann gerne den Ausverkauf vor. Können die Beatsteaks das noch hören? Nehmen sie es überhaupt ernst? Anscheinend nicht. "Das bringt den Fans doch Vorteile", so einfach ist Thomas' Meinung dazu. Sie bekommen Videos der Beatsteaks zu sehen, der Vertrieb liefert genug CDs aus ... Nein, (aus)verkauft hätte sich die Band nicht im geringsten.

Dies könnten ihnen allzu fanatische Unabhängigkeits-Verfechter auch aus einem anderen Grund vorwerfen: Mit ihrem Background im Punkrock bekommen die Beatsteaks unzählige Anfragen, ob sie auf diversen Soli-Konzerten auftreten. Doch die Jungs haben sich dagegen entschieden, jeden umsonst mit ihrem Auftritt zu unterstützen. Oben erwähnte Kritiker heulen nun: Für Geld machen die alles, aber was Gutes tun ... Nun, die Beatsteaks hatten ihre Gründe, nicht mehr auf jedem Konzert für einen guten Zweck aufzutauchen. Es wäre schlicht zu viel geworden. So setzten sie sich zusammen, um ihre Prioritäten zu finden. Heraus kam dabei, dass sie sich vorrangig auf Soli-Konzerten gegen sexuellen Missbrauch aussprechen wollen. Doch wie kommt gerade eine reine Männer-Band auf dieses Thema? "Das ist vielleicht nicht das Thema, das man bei einer Jungs-Band erwarten würde", überlegt Thomas, "aber vielleicht haben wir es gerade deswegen gemacht!?"

Nach diesem schweren Thema kommen wir ein wenig ins Plaudern. Gemeinsam überlegen wir, was ein wirklich erstrebenswerter Job wäre (wenn wir nicht schon so einen tollen hätten ...). Bei Rough Trade (dem legendären Plattenlabel von Smiths- und Strokes-Entdecker Geoff Travis) in England zu arbeiten, gehört für uns beide definitiv dazu. "Und wenn man dann mal Tee mit Morrissey getrunken hat, könnte man ohnehin aufhören", schwärmt Thomas. Oder man würde es schaffen, die Libertines wieder zusammen zu bringen. Aber wir sollten nicht zu viel träumen. Statt dessen streiten wir uns zum Abschied noch ein wenig darüber, welcher der beiden Libertines-Frontmänner denn nun besser aussieht (er ist für Peter, ich für Carl). Komisch? Nein! Thomas ist wirklich ein sehr Sympathischer!

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