Krankt die Musikindustrie wirklich an Klon-CDs und MP3s oder eher an der Unfähigkeit des eigenen Personals? Viele glauben inzwischen Letzteres. Die Branche bläst daher zur Bildungsoffensive. Wie die aussieht, kann man ab heute Abend beim Fernsehsender Arte bestaunen.
Leipzig/Mannheim (rai) - Schuld an der Krise der Musikbranche sind nicht CD-Brenner und Online-Tauschbörsen, sondern die Inkompetenz des eigenen Personals. Diese ketzerische These findet in Branchenkreisen immer mehr Zuspruch. "Die Entlassungswelle in der Musikindustrie sollte ihren vorläufigen Höhepunkt gesehen haben. Und siehe da, ein viel verbreitetes, aber kaum offen benanntes Resümee lautet: Gut, dass einige der schlimmsten Wichtigtuer und Nichts-Könner von Bord sind", so die Analyse von Judith Zimmermann vom Forward2Business-Büro in Leipzig.
Immer deutlicher sei geworden, "dass die Krise der Industrie eben nicht nur die Krise von Download & Co. ist, sondern eine Krise einer Branche, die lieber glitzerte, als ihrem Nachwuchs das kleine Einmaleins beizubringen … eine Krise von juvenilen Quereinsteigern, die keine Wege in die Zukunft fanden, weil ihnen niemand gezeigt hatte, wie man sucht."
Beispielhaft erscheint die Karriere des abgebrochenen Germanistik-Studenten und Wannabe-Wallraff Tim Renner, der erst kürzlich in seiner Autobiographie enthüllte, wie schnell der Aufstieg gehen kann vom Junior-A&R zum Präsidenten des weltweit größten Tonträgerherstellers. Tatsächlich war besonders Renners Label Motor Music lange Zeit berüchtigt für Mitarbeiter, die hauptsächlich damit beschäftigt waren, cool zu sein. Zeit für echte Arbeit blieb da kaum.
Aufgeschreckt von diesen PISA-mäßigen Erkenntnissen bläst die Musikindustrie nun zur Bildungsoffensive. Das vom MDR-Jugendradio Sputnik unterstützte Forward2Business-Büro initiiert ein Mentoring-Programm, in dem "hochkarätige Branchenkenner als Mentoren und die Nachwuchshoffnungen der Branche als Mentees gemeinsam Projekte verwirklichen und sich selbst entwickeln." Gleich eine komplette Ausbildungsplattenfirma gründete eine Stuttgarter Initiative mit dem etwas sperrigen Titel "Europäisches Zentrum für Musikwirtschaft, Popkultur, junge Musik, Rock und Existenzgründung". Im Rahmen ihrer Ausbildung zum "European Pop Creative" lernen die Teilnehmer dort unter Anleitung von branchenerfahrenen Dozenten, wie man einen Künstler über den Zeitraum von zwei Jahren coacht, produziert und vermarktet.
Die renommierteste Musikausbildungsstätte ist aber zweifellos die 2003 mit viel politischer und einiger popmusikalischer Unterstützung gegründete Mannheimer Pop-Akademie. Wie man sich ein Studium "Popmusikdesign" oder "Musikbusiness", vorzustellen hat, zeigt ab heute Abend der Fernsehsender Arte in einer fünfteiligen Doku-Soap. Montag bis Freitag, jeweils um 20:15 Uhr verspricht das popmusikalische Telekolleg einen Einblick in das Leben und Studieren von Sängerin Katja (20), Schlagzeuger Moritz (18), Rapper Deniz (22) und Sänger/Songwriter David (21). Gemeinsam mit ihnen erleben die Zuschauer wertvolle popausbildungstechnische Highlights wie "Nationalhymne singen mit Xavier Naidoo". Wir sind gespannt.
Noch keine Kommentare