Was als Sensationsenthüllung einer Hessischen Rundfunkredakteurin im Rohr zu krepieren drohte, wächst sich nun zur veritablen Hexenjagd aus: Der Beef der ARD mit Muhabbet. Keine Nachricht, eine Glosse.
Berlin (rai) - "Rapper" liest sich lässiger in der Schlagzeile. Tatsächlich ist Muhabbet ein schnulziger Teenieschwarm, der als singender Vorbildchabo das Role Model für ministeriale Integrationsszenarien geben soll. Großer Job für einen 23-jährigen Jungen aus Köln-Bocklemünd, dessen berufliche Hauptreferenz bislang ein kitschiges Liebesliedchen war, in dem er auf handelsüblichem R'n'B verzweifelte Poesiealbumtexte performt.
Doch Muhabbet schlägt sich tapfer. Mit Treue-Bekenntnissen wie im Song "Ich Will Nicht Gehn" entzückt er nicht nur Außenminister Steinmeier, sondern erwärmt auch das Herz bürgerlich gesinnter Einwandererkinder. Zwischen Bravo und The Dome engagiert sich Muhabbet für Kampagnen gegen Gewalt, fördert Schulbands und SOS-Kinderdörfer und bringt es bis zum UNICEF-Botschafter.
Der Rest ist bekannt: Muhabbet absolviert einen Promoauftritt mit den Außenminister Allstars, was der Frankfurter Dokumentarfilmerin Esther Schapira willkommener Anlass ist, eine Anekdote vom Rande einer Fernsehpreisverleihung zum medienwirksamen Skandal hochzujazzen. Im Gewusel zwischen Fingerfood und Prosecco soll sich Muhabbet dort despektierlich zur islamistisch motivierten Ermordung des holländischen Filmemachers Theo van Gogh geäußert haben.
Der genaue Wortlaut dieser kurzen Battle lässt sich nicht mehr rekonstruieren, es steht Aussage gegen Aussage. Als erhärtender Beweis für die radikale Gesinnung Muhabbets müssen Interpretationen zweifelhafter Songtexte herhalten, die sein Bruder und er irgendwann mal im heimischen Kinderzimmer produziert haben und die das große Gedächtnis namens Internet der Nachwelt bewahrte.
Der ARD ist das Beweis genug, sie schwingt die ganz große Islamismuskeule. Aber die Skandalisierung will nicht recht gelingen, schnell überwiegen Stimmen der Vernunft, die jahrelange Wohltätigkeit und Engagement des Sängers höher bewerten als pubertäre Raplyrics aus seiner Teenagervergangenheit. Nicht einmal die Bildzeitung, sonst kaum einer xenophoben Steilvorlage abgeneigt, mag sich empören.
Doch nun legt die ARD kräftig nach: Im Auftrag des Polit-Magazins Kontraste "recherchierten" zwei Reporter des Rundfunks Berlin Brandenburg in Muhabbets "Vergangenheit" und rücken ihn in einer abenteuerlichen Räuberpistole kurzerhand in den "Dunstkreis der Grauen Wölfe", einer Organisation türkischer Rechtsextremisten. Härtester und dummerweise auch einziger 'Beweis' der öffentlich-rechtlichen Enthüllungsjournalisten für eine solche Verbindung: Ein "Internet-Freund" von Muhabbet, ein gewisser Osun Baba, sei - so heißt es in der Kontraste-Sendung vom gestrigen Donnerstag - "ein erklärter Grauer Wolf".
Moment mal, "Internet-Freund"? Ja tatsächlich: Die fleißigen und mutigen ARD-Reporter sind dort hingegangen, wo es wehtut und haben unter den 7.852 Myspace-Friends Muhabbets tatsächlich einen ansonsten vernachlässigenswerten Leverkusener Rapper mit zweifelhaften Ansichten entdeckt.
Nun muss man sich natürlich fragen, ob die nur in galaktischen Maßstäben zu umschreibende Entfernung zwischen einer Myspace-'Freundschaft' und echten sozialen Beziehungen einer im öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag tätigen Politikredaktion tatsächlich unbekannt sein kann. Oder ob die ARD einfach mal Bock auf Beef hat, weil sie Muhabbets Songs scheiße findet. Wir vermuten verständnisvoll Letzteres und freuen uns, dass unsere Rundfunk-Gebühren derart unterhaltsamen Zwecken zugeführt werden.
108 Kommentare
peinlich. peinlich. und für sowas werd ich irgendwann noch gez bezahlen.
Mal wieder großartiger Enthüllungsjournalismus, der hier betrieben wurde. Man ist sich scheinbar für nichts zu schade...
Ja diese großen Politmagazine neigen zu echtem Qualitätsjournalismus, ob das nun Kontraste, Report aus Mainz oder das allseits geliebte Frontal 21 des ZDF ist.
Ziemlich armseelig von der ARD/Konraste sich zu so einem Müll hinreißen zu lassen.
@anon (« @caras: Hier kommt es darauf an, was genau verglichen wird. Aber solche Differenzierungen überfordern Dich wohl, da Du Dich auf Argumente nicht verstehst...
@masterpiece: und Du verstehst Dich schon gar nicht darauf. Du weist nicht, wovon Du redest, tönst nur rum! »):
na, um auf den quark einzugehn bin ich mir dann doch zu schade.
@splidttercrist (« Der von Hitler importierte? Woher bitte importiert? Dieser Antisemitismus wurde nicht importiert, sondern ist Produkt lauter wirrer Thesen aus dem 19. Jahrhundert. Alles irgendwelcher hirnloser Verschwörungsgespinste, in denen alle irgendwelche geheimen Organisationen, die sich von der Gesellschaft absondern, ihre Fäden sponnen. Und wer bot sich da besser an als eine Gruppe, die schon im Mittelalter als Feinde der Gesellschaft galten, sich generell der Gesellschaft eher distanziert gegenüber sahen? »):
Hat nichts mit dem Topic zu tun, aber egal.
Wie du richtig konstatierst, hatten die Juden dort Probleme, wo sie abgeschottet und unter sich lebten. Und das war damals nur in Osteuropa der Fall. Da wollte man die Juden vertreiben, und dort fand Hitler dann auch die Zustimmung, die er in Deutschland so nie bekommen hat (keines der sechs Vernichtungslager befand sich in Deutschland!). Denn als Hitler hierher emigrierte, waren die deutschen Juden emanzipiert und integriert, waren in Kultur und Wissenschaft angesehen, das "Weltjudentum" fast dabei, sich aufzulösen, und Sebastian Haffner schreibt treffend: "[...] der vermeintliche Drachentöter mordete Wehrlose." Hitlers Antisemitismus war vermutlich das erste, was er sich aneignete (noch vor seinem Welteroberungstraum) und den er nach Deutschland mitbrachte, wo man darauf recht verhalten reagierte (im Gegensatz zu der Reaktion auf den Welteroberungstraum). Hitler hatte zwei Gelegenheiten, den deutschen Antisemitismus zu testen, der Boykott der jüdischen Geschäfte und die Reichskristallnacht, und die Begeisterung der Deutschen hielt sich in Grenzen, was erklärt, weshalb die Vernichtungslager dann im Osten standen: Hitler traute seinem erwählten Volk nicht.
Ob er seinen Unsinn selbst geglaubt hat? Ja, hat er, sein gesamtes Weltbild war darauf aufgebaut:
Als am 5. Dezember die russische Gegenoffensive startete, war Hitler klar, dass er mit seinem Welteroberungsplan gescheitert war, aber er hatte ein zweites Ziel, und das konnte er noch verwirklichen - die "Endlösung der Judenfrage", beschlossen auf der Wannseekonferenz am 20. Januar 1942. Von nun an lautete die Devise "Halten um jeden Preis", um Zeit zu gewinnen, Zeit für die Ausrottung der Juden.
Zitat (« Schon mal drüber nachgedacht, wer heutzutage das Bildungswesen dominiert? Wer sind denn die ganzen weißhaarigen Professoren und Lehrer? [...]Beim Nationalismus ist das doch recht schwer, besteht er schon ewig und hat noch immer eine sehr große Wirkung auf die Menschen. »):
Du neigst zu Pauschalisierung, macht das die Dinge einfacher? Wir leben doch in einer pluralistischen Gesellschaft - und meine kurze Geschichte des Nationalismus solltest du ein zweites Mal lesen, dem Anschein nach sind dir einige wichtige Aspekte entgangen.
Zitat (« Faschismus? Wie kommst Du bitte auf Faschismus? »):
"den Staat nicht mehr haben wollen" werte ich mal als faschistisch, weil antidemokratisch (ich nehme an, der Staat soll durch einen neuen ersetzt werden).
Zitat (« Unser System funktioniert eben nicht mehr. Der Verfassung stirbt aufgrund stark sinkender Geburtenraten sein Volk weg und wird ersetzt durch ein Haufen anatolischer Halbaffen, die, obwohl sie schon in der zweiten oder dritten Generation hier leben, noch nicht mal die Sprache richtig können, die eine Terrororganisation nach der anderen hier etablieren (PKK, Graue Wölfe) und langsam aber sicher dem letzten Deutschen klarmachen, dass ein ordentliches Leben mit ihnen nicht zu machen ist. »):
Hier, nur für dich:
http://www.statistik-portal.de/Statistik-P…
In Europa steht Deutschland mit seiner Geburtenrate gar nicht so schlecht da, Schlusslicht ist Spanien. Noch einer:
http://www.destatis.de/
Vielleicht beruhigt dich das ein wenig.
Zitat (« Geschichtsunterricht kommt später. »):
Mit Benotung?
@ratspräsident (« Ich finde dies nämlich schon eher positiv. Man darf doch auf sein Land stolz sein, oder nicht? Vielleicht sehe ich das nur so, da ich in Bayern wohne »):
Wenn man in Bayern wohnt, mag man Bier und Fussball, aber man ist nicht automatisch Nationalist.
Unterscheidet eigentlich hier irgendjemand zwischen Nationalstolz und Patriotismus? Also mit meinem Sprachgefühl klingt "Ich bin stolz auf mein Land" ein wenig verschroben. Oder war irgendjemand von euch an der Ausarbeitung der Verfassung beteiligt? Für mich hört sich "Ich bin stolz (auf etwas, womit ich gar nichts zu schaffen habe)" so an, als schmücke man sich mit fremden Federn.
"Ich bin Patriot" hört sich schon besser an. Mit meinem Sprachverständnis bedeutet das: "Ich vertrete die Werte und Ideale, die in der Verfassung niedergeschrieben sind."
Und wir sind schon ganz gespannt, was splidttercrist da noch hinzufügen will.
@Amalia («
Unterscheidet eigentlich hier irgendjemand zwischen Nationalstolz und Patriotismus? Also mit meinem Sprachgefühl klingt "Ich bin stolz auf mein Land" ein wenig verschroben. Oder war irgendjemand von euch an der Ausarbeitung der Verfassung beteiligt? Für mich hört sich "Ich bin stolz (auf etwas, womit ich gar nichts zu schaffen habe)" so an, als schmücke man sich mit fremden Federn.
"Ich bin Patriot" hört sich schon besser an. Mit meinem Sprachverständnis bedeutet das: "Ich vertrete die Werte und Ideale, die in der Verfassung niedergeschrieben sind."
Und wir sind schon ganz gespannt, was splidttercrist da noch hinzufügen will. »):
Hehe, Bier und Fußball. Was gibt es Schöneres. Nein, Ernst bei Seite. Ich finde du nimmst mir die Worte aus den Mund. Genau danach hab ich gesucht. Patriotismus triffts. Auch deine Definition, erweitert um vielleicht lokale Aspekte, ist genau das, was ich eigentlich ausdrücken wollte.