laut.de-Biographie
Nelly Furtado
"Whoa, Nelly!", so der Titel ihres Debüts, könnte als Ausdruck für diese außergewöhnliche Sängerin und Songschreiberin nicht besser gewählt sein. Die Erklärung hierfür liegt auf der Hand. Während viele in ihrer musikalischen Sozialisation in engen Schubladen verharren und sich gegen neue Strömungen verschließen, versperrt sich Nelly beharrlich gegen jedwede Einschränkungen.
Die Einflüsse ihrer Musik, die manch einer aus Ermangelung der richtigen Schublade als "Hip Pop" bezeichnet, sind so vielfältig, wie die Persönlichkeit der jungen portugiesisch-stämmigen Kanadierin. Ihr nahezu repräsentativer Querschnitt der Musik des 20. Jahrhunderts zeigt, dass diese Frau das Klischee des open-minded- Weltbürgers nicht nur als Feigenblatt vor sich her trägt, sondern dies auch lebt.
Die geistige Befreiung von Grenz-Denken geht bei Nelly noch weiter, denn Musik ist für sie nicht nur reine Unterhaltung. Obwohl sie auch Wert darauf legt, dass sie sehr wohl unterhalten will, aber all das auf einem höheren, spirituellen Level.
Sie erzählt gerne, dass für sie Musik etwas Göttliches hat, und dass für sie außer Frage stünde, dass ihr Talent ein Gottesgeschenk sei. Dies kann sie auch guten Gewissens behaupten, denn wenn man schon im Alter von vier Jahren zweisprachig singt (englisch und portugiesisch), im Laufe der Jugend in Jazz-Bands und Musicals performt, Ukulele und Posaune spielt, dann muss man zwangsweise davon ausgehen, dass hier ein Pflänzchen heran wächst, dass es zu pflegen gilt.
Die Credibility, die so manch einer mit der Lupe sucht, springt Nelly förmlich in den Schoß. Zur Produktion ihres Debütalbums muss sie bei einigen ganz großen Namen wenig Überzeugungsarbeit leisten, damit diese Herren ihr unter die Arme greifen. Mike Elizondo und Brad Haehnel haben schon mit Musikern wie Dr Dre, Eminem und Snoop Dogg zusammen gearbeitet. Dass die ihre Arbeit nicht in den Dienst irgendeines daher gelaufenen Schnösels stellen, sollte sich von selbst verstehen.
Bei diesem Namedropping könnte man fast davon ausgehen, dass das nächste süße Schnuckelchen mit einem Hip Hop-Album an den Start geht. Aber "Whoa, Nelly!" besticht mit dem Charme eines bunten Gemischtwarenladens und präsentiert Musik, wie sie sein sollte. Fernab von genrespezifischen Zuordnungen hat sie mit den richtigen Partnern eine kleine Kostbarkeit zur Welt gebracht, die auch in Deutschland eine Menge Leute anspricht. Zwei Hitsingles ("I'm Like A Bird" und "Turn Off The Light") dudeln auch hierzulande ununterbrochen im Radio und verhelfen ihr zu einem - zumindest in diesem Umfang - wohl unerwarteten Erfolg.
Als sich der Rauch des ersten großen Medienrummels etwas verzieht, stehen einige Preise in Nellys Vitrine, unter anderem mehrere Juno Awards und ein Grammy. Pekuniär hat sich "Whoa, Nelly!" auch ganz dicke ausgezahlt: vierfach Platin in Kanada, Doppelplatin in den USA, Großbritannien, Australien und Irland, sowie in elf weiteren Ländern Gold, darunter auch Deutschland. Bereits 2002 auf der mit "Burn In The Spotlight" betitelten Tour, beginnt sie, neue Songs zu schreiben. Im Frühsommer 2003 begibt sie sich ins Studio, um diese auf Band zu bannen. Zu diesem Zeitpunkt ist sie bereits schwanger. Das Kind kommt im September zur Welt und hört auf den Namen Nevis.
Ihr zweites Album, das zuerst unter dem Arbeitstitel "Fresh Off The Boat" angekündigt wird, erscheint im November 2003, allerdings heißt es nun schlicht "Folklore". Die Tourneen zu dieser CD gestalten sich aufgrund ihrer neuen Rolle als Mutter nicht ganz so extensiv wie noch zu Zeiten ihres Debüts. Trotzdem ist keineswegs Müßiggang angesagt. Während in Deutschland mit "The Grass Is Green" die fünfte Single ausgekoppelt wird, laufen die Vorbereitungen für den Nachfolger zu "Folklore" schon auf Hochtouren.
Im Juli 2005 gibt sie auf ihrer Webseite bekannt, dass bereits 20 neue Songs im Kasten sind. Es dauert dann aber doch noch fast ein Jahr, bis im Juni 2006 mit "Loose" ihr drittes Album in den Läden steht. Und die Überraschung ist groß: Nelly ist in die Rolle der Disco-Tanzmaus geschlüpft. Bereits im Video zur Vorabsingle "Maneater" turnt sie so freizügig und akrobatisch durch ein verlassenes Fabrikgebäude, als wollte sie sich bei Madonna als Background-Tänzerin bewerben. Kritische Stimmen legen der Sängerin denn auch Anbiederung an den musikalischen Zeitgeist nahe, zumal der Vorgänger "Folklore" doch weit hinter den Verkaufserwartungen der Plattenfirma zurück blieb.
Nelly hat selbstverständlich ganz andere Erklärungen für ihre Hinwendung an Black Music, Hip Hop und Latin: "Diese Platte zeigt ganz deutlich, wie ich bin, wenn ich loslasse. Mich gehen lasse. Sie zeigt, wer ich bin, wenn ich vor kreativer Energie regelrecht platze."
Auch die Öffentlichkeit liebt die neue Nelly. "Maneater" (12 Wochen Top 10) schlägt nachhaltig in die Discotempel der Republik ein, die Nachfolgesingle "Promiscuous" erklimmt gleich Platz 6 der deutschen Singlecharts, wodurch es "Loose" sogar bis auf Platz 1 der Albumcharts schafft.
Der weltweite Wirbel um das Album lässt die Künstlerin im Anschluss an ihre Tournee eine längere Pause einlegen. Neben privatem Glück (sie heiratet 2008 ihren kubanischen Freund Demacio Castellon, der an "Loose" als Tontechniker beteiligt war), gründet sie ihr eigenes Indie-Label (!) Nelstar und arbeitet an einem lange gehegten Traum: einem Album in spanischer Sprache, das Ende 2009 erscheint. Ein erneuter Stilwechsel der portugiesisch-stämmigen Sängerin, die sich scheinbar partout nicht auf ein Genre festnageln lassen will.
Für "Mi Plan" gewinnt sie als erste Kanadierin überhaupt einen Latin Grammy. Ein Zeichen für die Vielseitigkeit der Sängerin. Es folgen einige Features, unter anderem mit Tiesto und Pharrells Band N.E.R.D.. 2010 eröffnet sie zusammen mit Bryan Adams die olympischen Winterspiele in Vancouver. Außerdem erhält sie einen Stern auf dem kanadischen Ableger des Walk Of Fame und veröffentlicht ihr erstes Best Of Album.
Doch gerade als ihr Stern am hellsten strahlt, trübt ein dunkler Fleck das Firmament. Sie gerät unter starken Beschuss, als die Enthüllungen der New York Times und WikiLeaks aufdecken, dass Nelly für eine Million Dollar beim libyschen Diktator Gaddafi aufgetreten ist. Sie verspricht danach, die Million an wohltätige Zwecke zu spenden, aber dennoch bleibt ein fader Nachgeschmack.
"The Spirit Indestructible" erscheint im September 2012 mit einem wahren Monster-Aufkommen an Produzenten, namentlich Tiesto, Timbaland und The Neptunes. Wie sie selbst sagt, ist das Album nachhaltig von Künstlern wie The XX und Florence And The Machine beeinflusst.
Danach legt Nelly eine längere Pause ein und meldet sich erst 2016 wieder zurück. Sie singt die Nationalhymne bei den NBA All-Star Games in Toronto und veröffentlicht im Februar die erste Single aus ihrem mittlerweile sechsten Studioalbum. "The Ride" erscheint allerdings erst ein Jahr später und soll eine Verbindung zu Dallas, Texas haben, wo die Aufnahmen entstanden sind. Neben ihrer Musikkarriere versucht sich Nelly auch als Schauspielerin. Neben einigen Gastauftritten in Serien wie CIS:NY, spielt sie 2008 auch eine Nebenrolle im Blockbuster "Max Payne". An längere Pausen im Musikgeschäft haben sich ihre Fans längst gewöhnt. Erst sieben Jahre nach "The Ride" legt sie mit "7" ein neues Album vor.
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