laut.de-Biographie
Shiml
"Das ist meine Geschichte, und ich kipp' für jedes Wort eine Träne in den Teich meiner Seele." Wer auf Party- oder Gute Laune-Tracks hofft, ist bei Shiml an der falschen Adresse. Der Bremer setzt zwar durchaus auf Vielseitigkeit, die leichte Muse zählt allerdings nicht zu seinem Fachgebiet. Shiml geht entweder derbe zur Sache oder aber er gewährt düster-melancholische Einblicke hinter seinen Horizont.
Musik zählt schon früh zu Jan Viohls Leidenschaften. Aufmerksame Eltern unterstützen die Begeisterung, indem sie ihrem 14-jährigen Sohn, der in seinem Zimmer vor sich hin frickelt, ein Mikrofon und einen kleinen Sampler verehren. "Eigentlich bin ich gar kein Rap-Fan", behauptet Jan von sich. "Ich hör' mir alles an, aber es gibt mir nichts." Um so erstaunlicher, dass er gemeinsam mit einigen Kumpels aus einer Laune heraus zu rappen beginnt.
Jan entdeckt im Hip Hop ein Ventil, das ihm erlaubt, Dinge auszudrücken, die er anders nicht loswerden kann. Sein Alias Shiml verkörpert seine draufgängerische Seite, hinter dem sich eine im Grunde eher zurückhaltende, nachdenkliche Persönlichkeit verbirgt: "Ich möchte meine eigenen Emotionen in meiner Musik verpacken, und ich möchte unterhalten. Aber in erster Linie rappe ich für mich." Shiml beginnt seine Rap-Karriere um 1999 in gar nicht zimperlicher Gesellschaft: Bei TBO, dem Team Bremen Ost, setzt man auf Battlerap. Wenig später entschließt sich der Bremer jedoch zum Alleingang.
Bald schon wird klar: Es fehlen die Beats. "Ich war nie ein großer Amirap-Fan", bekennt Shiml im Interview mit MZEE. Als einzigen US-Rapper, mit dem er etwas anfangen kann, nennt er Eminem. Rappen über Ami-Instrumentals kommt für ihn deshalb nicht in Frage. Da er so gut wie keine Kontakte in die Szene besitzt, er sich demzufolge ganz alleine durchbeißen muss, lautet die Devise: Selbermachen. Hier wurzelt sein Anspruch: "Musik sollte etwas Eigenständiges haben. In der deutschen Rap-Landschaft wird viel zu viel kopiert."
Shiml entwickelt sich gezwungenermaßen zum Allroundtalent. Er schreibt und rappt, produziert seine eigenen Beats und mischt die Ergebnisse höchstpersönlich ab. All das geschieht nachts: "Tagsüber kann ich das nicht", grinst er. Zu diesem Zeitpunkt betrachtet er Rap als Hobby, ums Geld geht es ihm keineswegs. Er spart sich mühsam einiges an Equipment zusammen, bevorzugt in den Schulferien wird - zu Shimls eigenem Vergnügen - an der Musik geschraubt. Verwendet er anfangs noch viele Samples, geht er später mehr und mehr dazu über, seine Instrumentals selbst einzuspielen.
Erst ein Freund überzeugt den Jungen aus der Hansestadt davon, seine Werke auch anderen zugänglich zu machen. Das Internet entpuppt sich als gute Möglichkeit, das in Eigenregie entstandene Material ohne großen Kostenaufwand und weitgehend unbeeinflusst von irgendeiner Form der Zensur an den Mann zu bringen. Shiml stellt mehrere Alben zum kostenlosen Download bereit - und sieht sich so erstmals damit konfrontiert, dass sich ein breiteres Publikum mit seinen Ergüssen beschäftigt. "Was die Leute sagen, ist mir allerdings weitgehend egal", so der Einzelgänger.
Gemeinsam mit Mix Chris und MontanaMax, zwei Kollegen aus Bremen, mit denen Shiml über die Musik eine enge Freundschaft entwickelt hat, veröffentlicht er 2005 das Kollabo-Album "Nach Uns Der Rest". Die Produktion überlässt er hier ausnahmsweise Mix Chris. Im gleichen Jahr erscheint außerdem ein Best of TBO-Album, auf dem bis dato unveröffentlichte Shiml-Tracks zu hören sind.
MontanaMax schickt, zunächst ohne Shimls Wissen, die CD an verschiedene Labels und erregt so die Aufmerksamkeit von Selfmade-Records-Boss Slick One. Shiml, der sich ohnehin gerade auf der Suche nach einem Label befindet, trifft sich einige Male mit ihm. Der Funke springt über. Die Verschiedenheit der Charaktere bei Selfmade und deren Philosophie, innovative Wege zu beschreiten, überzeugen: Der Bremer nimmt ein Angebot des jungen Labels an und unterschreibt seinen ersten Plattenvertrag.
Sein Album "Hinterm Horizont", an dem er seit der Zusammenarbeit mit MontanaMax bastelt, ist zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon fertig. Shiml entschließt sich dennoch, es diesmal nicht in Eigenregie sondern gleich über Selfmade zu veröffentlichen, nicht jedoch, ohne es vorher noch einer gründlichen Überarbeitung zu unterziehen. Obwohl er alle Tracks auf eigenen Beats schreibt, nimmt er etliches neu auf. Unter anderem beteiligen sich Mix Chris, Selfmades Leib- und Magenproduzent Rizbo und Flipstar von Creutzfeld & Jakob. Neben Flipstar greifen Slick One und MontanaMax als Gäste zum Mikrofon.
Als "Hinterm Horizont" im Februar 2006 erscheint, hat Shiml, inzwischen 21 Jahre alt, soeben seinen Zivildienst hinter sich gebracht. Den Dualismus zwischen kompromisslosen Doubletime-Punchlines und tiefgründigen, persönlichen Texten zu oft melancholischen Melodien verdeutlicht das Doppel-Video zu "Bis Ans Limit/Meine Geschichte", in welchem der Kontrast optisch umgesetzt wird.
Obwohl er mittlerweile ein Teil von ihr ist, hält das den Jungen mit der Lederjacke nicht ab, von Herzen über die deutsche Hip Hop-Szene zu schimpfen: Diese sei verarmt, oberflächlich, verdummt, marktorientiert, und keiner mache mehr etwas Eigenständiges. Für seine Labelgenossen Favorite oder Kollegah oder einen Selfmade-Sampler greift Shiml dennoch gerne zum Mikrofon, denn: Wenn überhaupt, so höre er höchstens Rap aus den eigenen Reihen.
Nach seinem Soloalbum "Im Alleingang" (2009) und "Generation Null" (2010, mit MontanaMax) geht Shiml zunächst für einige Jahre in Rap-Rente, ehe im Sommer 2018 das Comeback-Album "Agora" erscheint.
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