laut.de-Biographie
Tua
"Ich denke nicht mehr in Rap, sondern in Musik." Die Einschränkungen, die die Verortung in einer bestimmten Schublade mit sich bringt, hat Tua hinter sich gelassen. Statt sich mit Hip Hop zu begnügen, unternimmt er - als MC, Sänger, Produzent und Musiker - Abstecher in Trip Hop-, Elektro- und Drum'n'Bass-Gefilde.
"Es geht eigentlich nur darum, dass ich machen kann, was ich will", erklärt Tua gegenüber backspin.de. Neben Fuß- und Basketball erobert die Musik schon früh das Herz des 1986 geborenen Reutlingers mit ukrainischen Wurzeln.
Bereits als Kind nimmt er seine Songs auf Kassetten auf. Darüber hinaus lernt er Gitarre- und Klavierspielen. Die Schule bleibt bei alledem jedoch auf der Strecke. Tua bricht das Gymnasium ab und widmet sich, solo oder zusammen mit Gleichgesinnten, seiner eigentlichen Passion.
Seine vielfältigen musikalischen Neigungen resultieren in einer wahren Flut von Projekten. So ist er im Rahmen des Künstlerkollektivs Bassquiat aktiv oder bildet zusammen mit Kaas, Maeckes und Plan B die Spaßtruppe Die Orsons.
Jedoch: "Ich habe gemerkt, dass, egal wie ähnlich, cool oder kreativ die Leute sind, ich nur machen kann, was ich will, wenn ich alleine bin. Es liegt daran, dass ich wirklich alles selber machen kann: Beat, Text, Mischen, usw. Dass es wirklich genau so wird, wie ich es mir vorstelle." Ein Alleingang bleibt nicht aus.
Mit "Nacht" legt Tua 2005 bei Royalbunker sein Debütalbum hin. Obwohl dieses weithin auf positive Resonanz stößt, herrscht ob des weiteren Vorgehens Uneinigkeit. Während Labelboss Staiger unmittelbar einen zweiten Longplayer nachschieben möchte, hat Tua andere Pläne und widmet sich zunächst allerlei Seitenprojekten.
Ein Track auf einem Newcomer-Sampler der Juice erregt die Aufmerksamkeit Samy Deluxe'. In einem Interview entschlüpft ihm ein Lob. Für Tua, der sich inzwischen bei Royalbunker verabschiedet hat, Anlass genug, bei Deluxe Records anzurufen. Nach kurzem Hin und Her steht der Kontakt: Tua kommt bei Samys gesund geschrumpften Label unter.
Das Warten auf ein neues Solo-Album nimmt dennoch Dendemannsche Züge an. "Ich habe meine persönliche, besonders intelligente Strategie gefunden, die ich seit geraumer Zeit durchziehe", witzelt er gegenüber rap.de. "Ständig neue Releasedates ansagen und dann solange verschieben, bis auch der Letzte, den es interessiert hätte, schließlich die Nerven verloren und einen verflucht hat."
Ganz so schlimm wird es dann doch nicht: Nach einigen Vertagungen, einer EP, einer Gratis-Download-Veröffentlichung mit übrig gebliebenen Tracks und einem Deluxe-Sampler mit Chef Samy und Ali A$ stellt er "Grau" doch noch fertig. Das sorgt insbesondere klanglich für einige Überraschungen.
"Ideenlosigkeit nervt mich. Beziehungsweise die gleichen Ideen haben wie 10.000 Rapper vor einem und sich dann fühlen, als wäre man die Mensch gewordene Innovation." Tua zieht, so honoriert es auch Selfmade-Kollege Shiml im Interview, hörbar sein eigenes Ding durch. Zum Rap addiert er Gesang und greift auf ungewöhnliche elektronische Klänge zurück.
Das bescheidene Ziel: etwas schaffen, dass man, ohne sich schämen zu müssen, auch jemandem zeigen kann, der mit Hip Hop eher weniger am Hut hat. Am allgemein in der Szene herrschenden Weltuntergangs-Geschrei beteiligt Tua sich nicht: "Ich persönlich kann nicht das Musikgeschäft ändern, also versuch' ich lieber, das zu machen, was ich kann: gute Musik."
Als Deluxe Records kurz drauf die Geschäfte einstellt, kommt zusammen, was ohnehin zusammengehört: Tua folgt seinen Orsons-Kollegen Maeckes, Plan B aka Bartek und Kaas zum Stuttgarter Indie-Label Chimperator. Die wachsenden Ambitionen der Band inklusive Universal-Deal tun seiner Umtriebigkeit als Solokünstler aber weiterhin keinen Abbruch.
2010 erscheint "Evigila", ein Kollabo-Album mit seinem Freund und Wegbleiter Vasee. Und mitten in die jeweilige Vorbereitungsphase der Orsons-Alben Nummer drei und vier, die das ehemalige Spaßprojekt als ernstzunehmende Band etablieren, platzt Tua mit eigenbrötlerischen Solo-EPs: 2012 versucht er sich mit "Raus" auf einem Dubstep-Fundament als Sänger. 2014 entwirft er auf "Stevia", das Rap-Talent erneut außen vor lassend, ein modernes R'n'B-Soundbild.
"Jeder von uns hat Ambitionen, seine Vision durchzuziehen", erläutert er 2016 im laut.de-Interview die Quasi-Bandpause. "Klar, ich will aus mir raus. Ich will das auch wissen. Ich will ja nicht nur ein Viertel von mir sein, oder noch weniger. Das ist nicht befriedigend für jemanden wie mich. Das reicht mir nicht."
2019 wagt er sich endlich wieder am Langspiel-Format und bringt mit "Tua" ein autobiographisch gefärbtes Album heraus. Darauf verarbeitet der Reutlinger das schwierige Aufwachsen in der Vorstadt und den Tod des Vaters, aber auch die künstlerische Entwicklung spiegelt sich in der Musik. Der Rapper aus Royal Bunker-Tagen taucht darin auf, ebenso der Elektro-Frickler, als der er seit "Grau" bekannt ist. Neu hingegen ist seine Öffnung für den Pop, die ein wenig Licht in die Grau-in-Grau-Ästhetik des tuaschen Erzähluniversums bringt.
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