laut.de-Kritik

Wo Ameisen mit Kolibris Kaffee trinken, braucht es kein Stimmwunder.

Review von

Brauchen wir neben Regina Spektor, Lily Allen und Kate Nash noch mehr zuckersüße, trällernde Püppchen mit roten Lockenmähnen, die von ihren Major-Labels aus Gründen der Authentizität in grelle Puffärmel-Kinderkleidchen gesteckt werden? Und deren Debüt bereits vor Veröffentlichung dreimal in den Himmel und zurück gejubelt worden ist?

Die Antwort lautet: Ja, brauchen wir. Zumindest wenn sie klingen wie Alison Sudol alias A Fine Frenzy. Dabei ist die Amerikanerin bei weitem kein Stimmwunder. Meist wispert sie ihren Gesang eher - ohne jedoch damit die Nerven zu strapazieren. Sie haucht ihren Weltschmerz hingebungsvoll ins Mikro, ohne dabei vor Schmalz zu triefen oder in Kitsch abzudriften.

Immer schön an besagten Falltüren vorbei transportiert sie durch ihre Stimme so viel ehrliche Emotion, dass man sich ständig fragt, was der 21-Jährigen denn schon alles Schreckliches zugestoßen sein mag in ihrem kurzen Leben.

In den sanftesten A Fine Frenzy-Momenten könnte man meinen, Sarah McLachlan interpretiere Coldplay-Songs, in den leidenschaftlicheren Augenblicken hat man das Gefühl, Keane hätten ihren Sänger gegen Nelly Furtado eingetauscht. Dabei begleitet sich Alison zum größten Teil selbst am Piano.

Dennoch, und bei aller Begeisterung: Mitunter wirkt das Album überproduziert. Etwas weniger poplastige Arrangements und weniger Streicher-Pipapo, dafür mehr von den sparsam platzierten, folkloristisch angehauchten Akkordeon- und Trompeten-Parts - eine solcher Kräfteausgleich hätte die gelegentlichen Übersättigungsmomente verhindern können.

Alisons interessante Stimme und ihr außergewöhnliches Gespür für Melodien retten jedoch immer wieder vor der Monotoniefalle. Kaum weniger atemberaubend sind auch die Texte. Getreu der shakespearschen Weisheit "The poet's eye, in a fine frenzy rolling / Doth glance from heaven to earth, from earth to heaven" spaziert Alison mit offenen Augen durch eine eigene, märchenhafte Welt, die voll ist von Sehnsucht, Herzschmerz und unerfüllten Träumen.

In ihrem zauberhaften Mikrokosmos trinken Ameisen und Kolibris zusammen Kaffee, streifen todtraurige Kreaturen verloren durchs Zwielicht und bitten kleine Fische die Forellen darum, ihr Leben zu retten. Besser, man lässt die Gelegenheit, für 62 Minuten in die herrliche A Fine Frenzy-Parallelwelt einzutauchen, nicht verstreichen. Wer weiß, wann einem das nächste Mal solch märchenhafter Songwriter-Pop begegnet?

Trackliste

  1. 1. Come On, Come Out
  2. 2. The Minnow & The Trout
  3. 3. Whisper
  4. 4. You Picked Me
  5. 5. Rangers
  6. 6. Almost Lover
  7. 7. Think Of You
  8. 8. Ashes And Wine
  9. 9. Liar, Liar
  10. 10. Last Of Days
  11. 11. Lifesize
  12. 12. Near To You
  13. 13. Hope For The Hopeless
  14. 14. Borrowed Time

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