laut.de-Kritik
Für die Berliner Fans hat es sich gelohnt, dem Schneesturm zu trotzen.
Review von Janosch MüllerGute 500 Meter misst die Schlange vor dem Berliner Astra. Aber die Vermummten harren geduldig ihres Stars, auch wenn es ihnen eine Stunde lang mit Schmackes ins Gesicht schneit. Sogar Amy muss später eingestehen: "When I arrived here, that was probably the first time that I thought: The weather is actually better in Scotland!"
Endlich im Schutz der Halle angekommen, geben die knapp 2000 ein abwechslungsreiches Bild ab: Unter zahlreichen Mädels an der Grenze zur Volljährigkeit findet sich auch noch ein guter Teil Männer und Frauen um die 50. Ein paar bringen ihren Nachwuchs mit. Es ist ein ruhiges, betont braves Publikum, hier und da kreisen Colas. Bis ich jemanden mit einem 0,2er Bier entdecke, muss ich schon eine ganze Weile suchen.
Als Vorband fungieren Martin and James, ebenfalls aus Schottland. Nach ihrem Auftritt ist man nicht nur auf Amys beinharten schottischen Akzent einigermaßen vorbereitet. Martin und James lassen auch die Halle mit ihrem letzten Song - einem Cover von "All I Have to Do Is Dream" - gut vorgewärmt zurück.
Die Umbauten auf der Bühne ziehen sich aber in die Länge und die gute Stimmung verfliegt allmählich wieder. Erst nach ungefähr einer halben Stunde ist es so weit: Der Bass donnert, das Licht wird gedimmt und Amy erscheint in mörderischen High-Heels und blau-gleißendem Glitterkleid.
Vielleicht ist es die lange Wartezeit? Vielleicht liegt es daran, dass Amy mit zwei noch unbekannten Songs von ihrem nächsten Album anfängt? Oder ist es die berüchtigte Berliner Begeisterungsresistenz? Die Leute klatschen jedenfalls eher artig. Erst mit dem Hit "This Is The Life" kommt so richtig Stimmung in die Bude: Jubel brandet auf, Arme heben sich, Mädchenherzen schmelzen bestimmungsgemäß.
"Mr. Rock'n'Roll" setzt zwei Songs später den nächsten Höhepunkt. Richtig rockig wird es aber erst mit "Next Big Thing": Die E-Gitarre tritt nach vorne, Amys Stimme sprüht Funken und es gehen alle mit, die noch genug Platz haben, sich zu bewegen.
Als Kontrast gibt es eine besinnliche Zugabe: Springsteens "Dancing In The Dark" covert Amy ohne Bandverstärkung. Den Abschluss bildet "Don't Tell Me That It's Over". Genau das denken sich wohl auch die Fans: Der Applaus wäre eine zweite Zugabe wert. Aber als das Licht angeht, ist in den Gesichtern trotzdem zu lesen: Es hat sich heute gelohnt, den Elementen zu trotzen.