25. Oktober 2024

"Wir sind eh alle gefickt"

Interview geführt von

Die australischen Punk-Rocker sprechen über ihr deutsches Lieblingsessen, Sexismus und die Persönlichkeit von Amy.

"Hey, hast du spontan Zeit fürs Interview?", fragt mich der nette Mitarbeiter vom Beggars-Label. Spontan heißt in diesem Fall am nächsten Morgen. Ungünstig, wenn man gerade von einer Feier nach Hause kommt. Bassist Gus kriecht mit ebenfalls kleinen Augen unter seiner Bettdecke hervor und macht den Anschein, dass seine letzte Nacht auch nicht unbedingt erholsam verlief. Der ruhige Drummer Bryce übernimmt daher den Großteil der dennoch knappen Antworten.

Die sympathischen Australier, die mit putzigem Akzent sprechen, sind keine Rock-Diven, die arrogant vor sich her schmatzen. Eigentlich spiegeln sie genau den Sound ihrer Band wider, der stets on point und ohne Schnörkel auskommt.

Gus: Uahhh. (räkelt sich oberkörperfrei im Bett) Hey Leute. Was geht?

Hey Gus. Alles cool. Ich habe gerade erzählt, dass ich eine roughe Nacht hinter mir habe. Aber es sieht so aus, als ob das gleiche auch auf dich zutrifft.

Gus (lacht): Haha, klar! Immer! Vor allem rough!

Hey, ich muss das kurz mal ansprechen. Ihr habt hier vor kurzem noch in meiner Nähe gespielt. Auf dem Freak Valley Festival in Netphen. Könnt ihr euch daran zufällig erinnern?

Gus: Äh. Keine Ahnung. In welchem Jahr war das?

Bryce: Uff! Ach Moment. Das war in der Nähe von diesem Schulungszentrum für behinderte Menschen, oder?

Ja, genau, das Festival findet jährlich auf dem großen Platz vor dem Gebäude statt. Ich hoffe, ihr habt eine gute Erinnerung an den Auftritt in meiner Region und Deutschland im Allgemeinen.

Bryce: Ja, ich liebe vor allem Kebab. Unfassbar lecker! Das schmeckt richtig gut bei euch. Also allein deswegen lieben wir Deutschland, haha. Wir hatten auch gute Konzerte mit dieser Band aus Berlin.

Gus: Jealous!

Aus meiner Region kommt auch noch speziell gutes Bier. Okay, nicht das beste, aber deutlich besser als das Northern Lager aus Australien. Sorry, aber das schmeckt wirklich richtig furchtbar.

Bryce: Ja, das ist wirklich richtig schlecht. Es ist absoluter Müll und sie verkaufen das bei jeder großen Sportveranstaltung. Ich trinke das grundsätzlich nicht.

Gus: Ach naja, so schlecht ist es auch nicht.

Bryce: Wahrscheinlich, weil du eh kein Bier mehr trinkst.

Eigentlich eine gute Entscheidung. Ich hätte mich mal daran halten sollen, aber es gibt ja nichts, was Alka Seltzer nicht reparieren kann. Aber kommen wir mal lieber zu eurem Album. Es hat schon wieder diesen harten Rock'n'Roll-Style, aber nun gibt es auch Songs wie "Big Dreams", die eine andere, sensiblere Seite zeigen.

Bryce: Wir sind nicht unbedingt mit einem großen Plan in den Albumprozess gestartet, aber irgendwie war wohl im Hinterkopf schon der Wunsch da, dieses Mal was anderes auszuprobieren. Ich meine, wir können auch nicht bis zum Ende aller Tage immer nur diese drei "In Your Face"-Akkorde spielen. Also haben sich Declan und Amy eines Tages zusammen gesetzt. So ist "Big Dreams" entstanden.

"Sie haben die Rechnung ohne Amy gemacht."

Amy ist eine sehr präsente Frontfrau. Ist das okay für euch Jungs, auch mal einen Schritt zurück in den Hintergrund zu gehen?

Gus: Haha, vielleicht nicht unbedingt für Declan! Er genießt es nämlich sehr, wenn die hübschen Mädchen ihn anhimmeln. Also ich und Bryce finden das eigentlich ganz gut, wenn wir nicht so die Aufmerksamkeit auf uns ziehen, aber eigentlich sollten wir dran arbeiten.

Bryce: Es ist schon großartig, so eine starke, weibliche Persönlichkeit als Sängerin zu haben. Punk ist eh meistens die ganze Zeit so ein Boys-Club.

Gus: Ja, vor allem weil wir ständig Furz-Witze reißen.

Ein Haufen Typen im Nightliner ... oder ist sie am Ende eher die, die noch dreckigere Jokes reißt?

Bryce: Haha, das muss sie vielleicht besser selbst erzählen. Wir versuchen aber auf jeden Fall, so viel weiblichen Stuff anzuheuern wie es nur geht, damit es eine gute Atmo ist, in der sich jeder wohl und sicher fühlt.

Ihr habt euch gegen sexistisches Verhalten auf euren Konzerten ausgesprochen.

Ja, es gibt immer solche aggressiven Typen, aber die kommen mittlerweile kaum noch zu unseren Shows. Amy ist auch gut darin, für jeden einen Safe Space zu schaffen. Sie hat diesbezüglich auch schon ihr ganzes Leben damit Erfahrungen gemacht, dass unangenehme Kerle sie dumm anmachen. Es ist einfach furchtbar, dass manche Typen sich so benehmen und das positive Konzerterlebnis damit stören wollen. Du kannst natürlich nicht beim Eingang schon sehen, wer so drauf ist, aber sobald sie sich auf unseren Shows daneben benehmen oder Leute uns das sagen, werden sie sofort raus befördert. Sie haben die Rechnung ohne Amy gemacht, die sie direkt vor dem ganzen Leuten anspricht und blamiert

Sie haben eindeutig Amy unterschätzt, und sie kann sich schon gut alleine helfen. Gab es aber trotzdem Momente, wo ihr trotzdem zur Hilfe kommen musstest?

Bryce: Die gab es tatsächlich schon häufig. Allerdings ist Gus dann besonders gut, diese Typen mal eine kräftige Ansage zu geben.

Gus: Allerdings, ich kann sehr furchteinflößend sein (murmelt etwas in breiten australischen Akzent).

Abgesehen von den Ausflügen mit "Big Dreams" kommt gerade "It's Mine" unfassbar roh daher. Ich hatte schon vermutet, dass ihr auf dem dritten Album etwas runter vom Gaspedal geht, aber der Song ist ja fast schon lo-fi?

Bryce: Declan hat da viel an seinem Pedal herumgeschraubt, und das war einer der Songs, die wir noch kurz vor der Studio-Session geschrieben haben. Wahrscheinlich ist der deswegen so roh, weil wir ihn wirklich noch sehr schnell und ohne große Bearbeitung gespielt haben. Er hat dadurch natürlich mehr diese Fuck Off-Attitüde als zum Beispiel Big Dreams.

Fuck Off Attitüde hatten Oasis noch zu Anfang ihrer Karriere. Sorry, dass ich die hier so einflechte, aber ich habe im Vorfeld eine Folge von dem YouTube-Format "What's In My Bag?" gesehen. Ihr habt da Alben in dem legendären Amoeba-Plattenladen gekauft und eines davon war "What's The Story? Morning Glory".

Bryce: Ja, Amoeba. Das hat Spaß gemacht. Hast du ein Oasis-Ticket bekommen?

Ja, aber zu einem Mondpreis

Bryce: Oh ja, die haben wirklich viel gekostet. Die spielen genau einen Tag vor meinem Geburtstag in Manchester. Ich versuche irgendwie doch noch an Tickets zu kommen.

Der Support-Slot ist auch nicht bekannt gegeben worden. Wäre das nicht eine Sache für euch?

Bryce. Haha, als ob die uns nehmen würden! Ich befürchte, da sind wir weit von entfernt.

Aber ihr bzw. Amy habt auch so einen Working Class-Background.

Gus: Also Amy hat es 100% geprägt, woher sie kommt.

Bryce: Es ist so viel von ihrer Persönlichkeit in den Texten. Sie ist eine faszinierende Person, aber ich versuche gerade die Worte zu finden, die ihre ganze, interessante Persönlichkeit noch genauer beschreiben. Du wirst auf jeden Fall in ihren Texten erkennen, wie sich ihre Umwelt auf sie auswirkt und woher sie kommt. Es ist wirklich so eine komische und schrullige Gegend, wo sie aufwuchs. Sie hat aber auf jeden Fall viel von dieser Arbeiter*innen-Attitüde. Sie ist unfassbar fokussiert und ehrgeizig in allem, was sie macht. Aber auch sie geht ja nun auf dem Album weiter und beschäftigt sich mit den Dingen, die in der Welt vor sich gehen.

Ja, ihr beschäftigt euch auf diesem Album wirklich viel mit politischen Sachen oder großen Technik-Konzernen, aber andererseits vermittelt der Albumtitel "Cartoon Darkness" auch schon fast eine spaßige Betrachtungsweise der augenblicklichen Weltuntergangsstimmung. Etwas nach dem Motto "Irgendwie ist alles eh schon verloren, dann lasst uns noch Spaß zum Ende haben."

Bryce: Ja, trifft es ziemlich gut. Wir haben das auch mit dieser Sichtweise betrachtet. Wir sind eh alle gefickt, und dann kann man auch genauso gut ein Bier zischen und der ganzen Scheiße noch etwas abgewinnen.

Nur rumjammern macht es ja auch letztendlich ja auch nicht besser. Da kann man auch alles in die Waagschale legen und eben versuchen, die größte Band des Planeten zu werden?

Gus: Haha yeah. Wir versuchen wirklich unser Bestes, damit wir diesen Planeten erobern.

Bryce: Ja, da wollen wir auch sicherlich hin, aber eigentlich klingt das auch nach sehr viel Mühe und Stress. (lacht)

"Erfolg ist ein lustiges Konzept"

Mit dem Erfolg verändern sich natürlich auch Perspektiven und die Erwartungen. Hat euch das auch beeinflusst?

Gus: Ja klar, so ganz kalt lässt der wachsende Erfolg nicht. So sehr du auch so tust, als ob das alles keinerlei Auswirkungen auf dich hast, aber irgendwie findet es eben doch statt.

Bryce: Erfolg ist aber auch ein irgendwie ein lustiges Konzept. Du erreichst eines Tages das große Ziel, aber sobald du dann dort bist, reicht es dir dann auch schon wieder nicht. Ich kann da natürlich auch nur für uns sprechen.

Einen Einfluss haben auch die Fans. Wenn du immer erfolgreicher wirst, kommen natürlich auch bald die Sellout-Vorwürfe der Leute, die schon von Anfang an dabei waren.

Bryce: Ja gut, was kümmert es uns. Wir sind ja keine andere Band, und wenn du uns am Anfang mochtest: Warum dann nicht auch, wenn wir in großen Stadien spielen?

Dieser Disco-Sound bei "Me & The Girls" ist jedenfalls etwas Neues.

Gus: Es geht um Weiterentwicklung. Wir mögen es auch mal Dinge aus verschiedenen Welten zu kombinieren. Immer schön weiter die Straße hoch!

...

Bryce: Ähm, ich habe es gerade auch nicht ganz verstanden. Klingt aber geheimnisvoll.

Gus: Ähm, naja egal! So bin ich eben.

Bryce: Ich glaube, solche Experimente kommen auch mit der Sicherheit, die wir nun haben. Wir hatten bei diesem Album einfach viel mehr Zeit und auch nicht mehr so den ganzen Druck von irgendwo her. Wir haben uns diesmal aber auch etwas mehr bemüht und über das Album als Ganzes auch mehr Gedanken gemacht.

Also war das schon so etwas geplant, dass auch mal mehr in anderen Genres ausprobiert?

Bryce: Ja, etwas war es wirklich so. Wir haben ja privat nie nur Rockmusik gehört. Wir haben uns dann schon zusammen gesetzt und mal überlegt, ob wir nicht auch unsere Lieblingskünstler aus anderen Richtungen mehr Einfluss auf dem Album geben. Wir sind aber ehrlich gesagt auch keine besonders großartigen Musiker oder beherrschen unsere Instrumente auf einem hohen technischen Level wie unsere Idole.

(Promoter schaltet sich ein: Okay, Leute! wir müssen nun auch zum Ende kommen.)

Alles klar. Ich muss das mal zum Schluss sagen: Es ist nicht immer einfach, euren Akzent zu verstehen. Das ist keine Kritik, aber es erinnert mich an einen Clip, wo ein Australier von einem Briten aufgefordert wird, doch bitte mal einfach mal No zu sagen und er antwortet in breitesten Australisch ...

Beide: Nooougghhh!

Gus: Haha, ja ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht einfach für dich ist, unseren Akzent zu verstehen.

Ich gebe einfach mal zum Schluss zu: Das war heute nicht mein Sahnetag. Ich glaub ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich heute wirklich nicht in Form war. ...

Gus: Ach Quatsch! Das war wirklich absolut okay. Mach dir keinen Kopf. Wir hatten heute wirklich richtig beschissene Interviews und das war keines davon. Buddy, du hast es gerockt!

Naja, nicht wirklich. Aber ich danke euch so sehr für euer Verständnis! Hey, wir sehen uns dann bald in Deutschland. Bye!

Beide: Bye. Wir freuen uns schon!

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1 Kommentar

  • Vor einem Monat

    Jo, Rinkster, mach dir nen Kopp, ob Du als Interviewer evtl. zu unprofessionell rübergekommen sein könntest bei einer der (lange Zeit) betont ranzigsten, rotzigsten und siffigsten Punkcombos dieses Planeten... wobei: an den Fragen liest mensch es dann doch recht eindeutig, dass Du irgendwie gar nicht so wirklich dort gewesen zu sein scheinst. :D

    In der nächsten analogen Situation (sie WIRD kommen :) ) lass doch einfach morgens den Rinkster gleich neben dem Kater im Bett liegen und geh stattdessen als Punkster hin - zumindest auf die Sniffers scheinst Du ja annähernd authentisch gewirkt haben. :lol: