laut.de-Kritik
Auch wenn das Wetter nur am ersten Tag mitspielte, gab's mächtig was auf die Ohren.
Review von Michael EdeleMittwoch, 17. August
War ich mir Mittwochmorgen nicht sicher, ob es sinnvoll ist, so früh anzureisen, erweist sich die Idee am Nachmittag als brillant. Die Zeltplätze sind bereits rappelvoll und wir stellen unsere Stoffhütten auf einem abgeernteten Maisfeld auf, das die Hanglage einer mittleren Steilwand aufweist. Am besten, man fixiert seinen Schlafsack ebenfalls mit nem Hering. Es sei denn, man hat Saugnäpfe an Händen und Füßen oder mindestens eine Fledermaus in der Familie und schläft eh mit dem Kopf nach unten. Der Versuch, der misslichen Lage mit ein paar Kannen Bier Abhilfe zu schaffen, endet kläglich ...
Donnerstag, 18. August
Entsprechend kurz und unbequem sind die Nächte. Und die Duschen mit einem Wasserdruck vergleichbar "Zärtliche Cousinen Teil 3" tragen auch nicht gerade zum Aufwachen bei. Viel hilfreicher ist da der Kaffee, den uns das MY OH MY-Team im Pressezelt in die Hand drückt. Nachdem die erste Kanne in meinem Hals verstaut ist, geht es auch mal vor die Bühne, um einen Blick auf die deutsch-norwegische Connection Midnattsol zu werfen. Diese zelebrieren recht gut gemachten Folk-Metal und haben mit Sängerin Carmen Elise Espanaes und Bassistin Birgit Öllbrunner zwei echte Hingucker in der Band. Da Carmens Stimme nicht im trällernden Sopranbereich liegt, kommt der Eröffnungsgig der Band sehr angenehm und unterhaltsam rüber.
Switch zur Pain Stage, wo Final Breath mit ihrem heftigen Thrash den Fans auch die letzten Maiskolben aus dem Arsch, Verzeihung, den Ohren husten. Mit dem nicht mehr ganz so neuen Sänger Eumel, den man mit Kurzhaarfrisur kaum erkennt, präsentieren sich die Bayern äußerst tight und spielfreudig. Sollte mich wundern, wenn die Jungs nicht ein paar zusätzliche Fans gewonnen haben. Auf der Hauptbühne geben anschließend Born From Pain eine Kostprobe davon ab, wie sich good old Hardcore mit ner kräftigen Portion Doom anhören muss. Vor allem Klampfer Stefan macht dabei einen auf mörderdicke Hose und hat den Evil-Blick wohl wochenlang vorm Spiegel geübt. Gegen Ende des Gigs kann aber selbst er sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Mit The Bones hat prinzipiell noch kein Konzertveranstalter was falsch gemacht. Die Schweden kann man eigentlich überall auf die Bühne schieben und den Schalter auf Go stellen. Das Quartett rockt einfach immer und überall wie Sau und das gute Wetter trägt zur allgemeinen Partystimmung mächtig bei. Spaß haben auch Impious, die einfach wie die wilde Sau loslegen und live genauso wenig Gefangene machen wie auf Tonträger. Wer aber nen Drummer in der Band hat, der seine Rastas ständig helicoptermäßg durch die Gegend schwingt und trotzdem präzise wie ein Uhrwerk ist, hat eh schon gewonnen.
Schandmaul können sich ihrer Fans beim "Heimspiel" ziemlich sicher sein und gehen entsprechend entspannt auf die Bühne. Dort führen sie wie gewohnt ihre Tänze auf und verbreiten einfach eine enorm relaxte Atmosphäre, die schnell auf die Meute vor der Bühne übergreift. Diese ist sofort dabei, als zur kollektiven Kniebeuge aufgefordert wird. Hüpfen ist eben immer noch die Lieblingsbeschäftigung der Bayern. Über die Bühne hüpft bei Therion eigentlich keiner doch mit dreiköpfigem Chor im Hintergrund sorgen die Schweden ebenfalls für gute Unterhaltung. Zwar scheiden sich die Geister an der Intonation von Sänger Mats Leven und eine spätere Tageszeit hätte bestimmt auch zur Stimmung beigetragen. Doch alles in allem liefern Christofer Johnson und Band eine anständige Show ab.
Mit Hüpfen ist man allerdings bei Ektomorf wieder nicht schlecht beraten, denn die Ungarn lassen von Beginn an ihre Groovemonster von der Kette. Vergleiche mit Soulfy oder Sepultura hin oder her, live ist das Quartett nicht zu verachten, und die zahlreich anwesenden Fans sehen das genauso. Warum Haggard nicht auf die Hauptbühne dürfen, sondern sich mit ihrem Orchester auf die Pain Stage drängen müssen, versteh ich nicht so recht. Beeindruckend ist die Darbietung der Münchner auf alle Fälle. Mastermind Asis macht jederzeit den Eindruck, alles im Griff zu haben und allein die Kombination der unterschiedlichen Musiker auf der Bühne ist atemberaubend. Zusammen mit der tollen Lightshow geben die Mittelalter Deather ein audiovisuelle Vollbedienung.
Die Nacht zieht sich noch länger hin, das Pressezelt leert sich und genauso der ein oder andere Magen. Die Finger ins Erdreich gekrallt, übersteht man die zweite Nacht ohne größeren Hangabtrieb ...
Freitag, 19. August
... und kriecht erneut zu den gnädigen Kaffeegöttern ins Pressezelt. Dort angekommen, schaffte man es zunächst nur kurz zu Korpiklaani vor die Bühne, die zwar einen netten Folk-Metal zum Besten geben, aber durch eine Horde Kameraleute genervt werden, die ständig einem der Musiker vor der Nase hängt. Korpiklaani präsentieren trotzdem ne gute Portion Humpa à la Finntroll und machen mit Ziehharmonika und nem Geweih am Mikro, ganz gute Stimmung.
Für einen Massenauflauf sorgen Koroded auf der Hauptbühne zwar nicht direkt, aber die Jungs aus Düren geben sich alle erdenklich Mühe und ballern ihre Songs vom letzten Player "The Absurd Beauty Of Being Alone" gekonnt ins Publikum. Sänger Jan ist zwar sichtlich nervös, spurtet aber von einem Eck ins andere und bringt seine abwechslungsreichen Vocals sehr souverän. Der Rest der Band ist perfekt aufeinander eingespielt und präsentiert sogar einen neuen Song. Dass bei Krisiun nicht allzu viel auf der Bühne abgeht, ist schon aufgrund der Triobesetzung klar. Dafür lassen die Brasilianer musikalisch gleich mal gar nichts anbrennen. Von Klampfer Moyses sieht man zwar nie das Gesicht, dafür jagt er ein Monsterriff nach dem anderen durch die Speaker und soliert, wie ein Meister. Death/Thrash at its best!
Auf der Pain Stage sind inzwischen Skindred gelandet und starten ihre Reggae Metal-Party. Sänger Benji ist dennoch der Meinung, dass das Publikum mehr mitmachen könnte und legt einfach noch mal von vorne los. Danach gibt es aber keine halten mehr und die Briten lassen es richtig krachen. Wer da noch still steht, wurde am Vorabend eingemauert. Wenig später legen auch Norther an gleicher Stellen einen souveränen Gig hin. Die Band, welche ihre Gitarristen auch mit Acts wie Ensiferum und Glasshouse Garden teilen muss, sorgt mit ihrem Sound à la Children Of Bodom für ausgelassene Stimmung. Technisch und musikalisch gibt es bei den Finnen nichts zu bemängeln.
Für erstklassige Partylaune sorgen im Anschluss die Spaßvögel von den Apokalyptischen Reitern. Trotz ihrer Faxen kommt der musikalische Anspruch bei den Reitern nie zu kurz und so gibt es erstklassige Unterhaltung von der Band aus Weimar. Nach den ersten paar Songs bläst sich im Bühnenhintergrund noch eine Hüpfburg auf, die sofort von der Backstagecrew belagert wird. Die Düsterheimer von Behemoth sind bei etwas Sonnenschein auf der Pain Stage nun mal nicht halb so finster, wie sie es gerne wären. Dennoch lässt sich an der Musik der Polen nichts aussetzen und auf jeder Klingonenparty wären sie mit ihrem Bühnenoutfit der absolute Renner. Technisch leistet das Quartett aber Großes und auch den Fans scheint’s zu gefallen.
Zu Dark Tranquillity fängt es dann richtig an zu schiffen und der Fotograben vor der Main Stage würde sich besser zum Schlammringen, als zum Fotografieren eignen. Da Schwimmhäute zwischen den Zehen immer recht albern aussehen, verkrümeln wir uns ziemlich schnell wieder ins Pressezelt und erst zu Atrocity wage ich mich wieder raus. Der Regen hat nachgelassen und die Schwaben lassen sich den Spaß auch nicht nehmen. Krulles Ansagen sind Geschmackssache, aber die Songs vom letzten Album "Atlantis" funktionieren live ausgesprochen gut. Das Publikum sieht die Sache ebenso und rockt eine dreiviertel Stunde ordentlich ab.
Opeth machen es dem Fotografen dann gewohnt schwer, denn das Licht scheuen die Schweden wie der Teufel das Weihwasser. Außerdem wagen sie sich nur recht selten an den vorderen Bühnenrand, den man nicht mal ohne Probleme überschauen kann, wenn man Shaquille O’Neil heißt. Die Meute lauscht den Klängen von Mikael Akerfeld trotz Regen andächtig und feiert auch die Neuvorstellungen mächtig ab. Choreografien wird man von den Skandinaviern eh nie sehen, dafür ist das musikalische Menü erstklassig.
Auf der Pain Stage bittet dann Wattie Buchanan mit The Exploited zum Tanz. Das Flagschiff des britischen Hardcores startet unglaublich energiegeladen und rotzt mal wieder alle zwei Meter auf die Bühne und in den Fotograben. Der Ton ist gewohnt rau, was auch ein Fan erfahren muss, der es irgendwie tatsächlich auf die Bühne geschafft hat. Anstatt die Chance zu nutzen und von der Bühne zu diven, latscht er nur blöd über die Bühne, rempelt Wattie noch an und wird von dem prompt kopfüber in den Fotograben geschickt. Etwas unfein, aber so kennt man den Punk-Paten. Da bei In Extremo sogar VIVA II mit dem Kamerateam unterwegs ist, dürfen nur die Fotografen einiger weniger Magazine in den Graben. Zwar hat man damit endlich mal Platz, aber durch den Regen ist dieser nur bedingt nutzbar und es bleibt auch wenig Zeit, die Spielmänner anständig abzulichten.
Samstag, 20. August
Nachdem der Regen über Nacht nur hin und wieder pausiert hat, freu ich mich fast über die Hanglage, denn so stehen die Pfützen nur am Zeltende und nicht im ganzen Zelt. Fast der ganze Rest der Belegschaft hat es vorgezogen, im Auto zu übernachten, sieht am nächsten Morgen aber auch nicht viel besser aus. Das geplante Grillen für den Mittag fällt im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser und Rettung verspricht einmal mehr Thomas Feldmann, der heilige Hüter der Kaffeekanne. Der nächtliche Sängerknabe ein paar Zelte weiter ging auf die angebotene Klötenzerrung leider nicht ein, dennoch war auch diese Nacht eher mit wenig Schlaf gesegnet, weshalb Orphaned Land die erste Band sind, die mich vor der Bühne sehen.
Die Israelis stoßen auf großes Interesse von Seiten des Publikums, auch wenn der ständige Regen natürlich seinen Tribut fordert. Davon lässt sich das Sextett aber nicht beeindrucken, sondern bietet eine noch bessere Show als im Vorprogramm von Paradise Lost. Nicht nur die Frauenwelt lässt sich von den Männern auf der Bühne mit ihren orientalischen Klängen beeindrucken. Für ordentlich was auf die Nuss sorgen dafür die Hessen von Disbelief, die wieder einen verdammt tighten Auftritt abliefern. Die Jungs sind ständig in Bewegung auch Sänger Jagger scheint bestens aufgelegt zu sein. Seine extremen Vocals sind einmal mehr der Hammer.
Such A Surge sind dann leider die letzte Band, welche wir auf dem Summer Breeze zu Gesicht bekommen, da sich nicht nur mein Zelt Richtung Feldweg verabschiedet hat, sondern auch die erste Erkältung bei der Belegschaft ansteht. Die Braunschweiger zeigen einmal mehr, warum sie als Live Band einen hervorragenden Ruf haben. Wenn man sich den weiß getünchte Michel mal so anschaut, fragt man sich, wer eigentlich auf dem letzten Cover der Band abgebildet ist. Das Publikum macht jedenfalls eine riesige Party und wir uns auf den Heimweg, weshalb Bands wie Subway To Sally, Lacuna Coil, End Of Green oder Pain leider ohne uns spielen müssen.
Bilder zu (fast) allen besprochenen Bands gibt's in den jeweiligen Artistportalen