laut.de-Kritik
"This song is dedicated to George W. Bush: It's called 'Sabotage'".
Review von Michael SchuhSie tragen gelb-grüne Trainingsanzüge, die obligatorischen Basecaps und stürmen zu den Beats von Mixmaster Mike auf die große Bühne des Zeniths. Dabei brüllen sie "50 cups of coffee and you know it's on", aber eigentlich vernimmt man nur die zum Beastie Boys-Markenzeichen mutierten, schrillen Stimmen von Mike D. und Adrock. MCA, der Dritte im BB-Bunde, hat sich passend zu seinem grauen Elder Statesman-Haarschopf seit längerem ein heiseres Röchelorgan zugelegt, das nach wie vor sehr lustig klingt.
Natürlich braucht keiner der Anwesenden in der Halle auch nur einen Kaffee, um fit zu werden. Sechs Jahre B-Boy-Live-Abstinenz genügen da völlig. Geradezu verschwenderisch verramschen die New Yorker die Highlights "Root Down" und "Sure Shot" per Medley mit dem Opener "Super Disco Breakin'", lassen die Halle dabei aber galant austicken. Ein bisschen verrückt ist es ja schon. Egal, was die Beastie Boys heute tun, lassen oder sagen, ob sie Präsidenten kritisieren, einen Online-Song veröffentlichen oder einfach nur ihre Webseite relaunchen, die Fangemeinde johlt begeistert. Diesen beinahe gottgleichen Beliebtheitsstatus, und darin sind sich Hip Hop- und Alternative-Jünger ausnahmsweise mal einig, genießen die drei New Yorker so ziemlich genau seit 1994, als das Album "Ill Communication" den Siedepunkt ihres schrittweise auf- und ausgebauten Coolness-Kodex' in Style und Beatproduktion markierte. Unvergessen der Videoclip zum Song-Bastard "Sabotage", in dem Adrock, Mike D. und MCA mit Schirm, Charme und jeder Menge Schnauzbart Agentenserien der 70er Jahre persiflierten, lange bevor es cool war, Spiegelsonnenbrillen zu tragen. Trendsetter eben.
Zehn Jahre später trifft man in München tatsächlich Fans an, die sich in ähnlicher Form Stoffreste über den Mund kleben und Perrücken aufsetzen - der Kult lebt weiter. Dies gilt im weitesten Sinne auch für den Sound der Beastie Boys. Statt neue Territorien zu erschließen, bemühte man sich auf zwei weiteren Studioalben eher um Marken-Etablierung mit geringfügigen Sound-Updates. The beat remains the same. Live interessieren solche Haarspaltereien niemand. Der Hip Hop-lastigen Einführung, später noch um die aktuellen Songs "Triple Trouble" und "Right Right Now Now" erweitert, folgt das erste, von Mixmaster Mike virtuos überbrückte Break, das den Protagonisten als Umziehpause dient.
Jener Mixmaster, zum zweiten Mal auf einer Beasties-Tour dabei, hatte auch seinen spektakulären Auftritt. Nachdem er in Düsseldorf direkt aus der Backstage-Küche einlief, baute er sich in München kurzerhand hinter dem Getränketresen rechts von der Bühne auf, um sich kurz darauf schallplatten-biegend den Weg durchs gemeine Volk hoch zur massiven Empore zu bahnen. Natürlich verfolgten ihn dabei gleich mehrere Kameras, um dem Hunger nach Bildern auch live gerecht zu werden. Gerade die zahlreichen Einspiel-Szenen sorgten so des öfteren für Lachanfälle (Adrock beim Aussprechen der Stadt "Baden-Baden"). Gespannt durfte man im Vorfeld vor allem sein, ob die Band erneut Punkbretter der frühen Beasties-Jahre in die Show integriert, was gleichzeitig die stimmungsträchtigste Lösung gewesen wäre. Stattdessen ließ sich das Trio, um einen Keyboarder und einen Percussionisten verstärkt, auf einer Art Mini-Gartenlauben-Bühne zurück ins Geschehen schieben, um dort, heimelig unter Lampions und in feinem Anzug, entspannt rockende Jazz-Instrumentals zu kredenzen. Für Freunde der wahwah-getränkten "Check Your Head"-Häppchen ein wahres Fest. "Sabrosa", "Lighten Up" und "Something's Got To Give" erstrahlten so in vollem Jam-Glanz.
Pünktlich zum zweiten Hip Hop-Teil leuchteten die Leinwände hinter den Boys dann in retromäßigem Neonröhren-Chic, passend zu den Old School-Beats von "Open Letter To NYC" oder "Brass Monkey", das zur allgemeinen Verwunderung vom Debütalbum in die Setlist rutschte. Auf allzu dreiste Fan-Wünsche wie "No Sleep Till Brooklyn", das sich manche Besucher vor der Show in der Beasties-Dunkelkammer wünschten, ging das Trio natürlich nicht ein. Doch wer braucht derartige Songs, wenn die Band noch "Intergalactic", und zum Abschluss, wieder im Liveband-Line Up, "Sabotage" im Ärmel hat? Der größte Hit der Band ging selbstredend raus an George W. Bush, und ist wahrscheinlich einer der wenigen Songs dieser Welt, der anschließend keine Zugabe mehr zulässt.