laut.de-Kritik
Amphetamine en masse? Oder doch nur Rohkost?
Review von Giuliano BenassiBei bestem Wetter in den Biergarten WM-Achtelfinale schauen - oder doch lieber in eine düstere Halle, um einen Altrocker zu begutachten? Eine Frage, die offenbar viele mit Biergarten beantworteten, denn die Ränge der Ravensburger Oberschwabenhalle waren kaum mehr als bis zur Hälfte gefüllt.
Doch Billy Idol ist schon zu lange im Geschäft, um sich von so etwas entmutigen zu lassen. "Räivensbörg! Yeah?" brüllte er auf die Bühne springend. Den Namen erwähnte er nicht wieder. Hört sich auch nicht so gut an wie Berlin oder Hamburg, zumindest wohl nicht aus Rockstar-Sicht.
Mit "Ready Steady Go" brachte der Blondschopf dann ein frühes Stück von Ende der 70er Jahre, als er noch bei Generation X am Mikro stand. "Dancing With Myself" folgte auf den Fuß und zeigte, dass Steve Stevens die Riffs immer noch drauf hat, auch wenn Drecksarbeit ein Rhythmusgitarrist erledigte. Kein überaus anstrengender Abend für Steve - wäre ja auch schade um die toupierten Haare gewesen.
Nicht nur die Frisur versetzte die Besucher 25 Jahre zurück. So war eher Wehmut als Abrocken angesagt. Ab und zu den Arm heben oder sich die Griffel am Feuerzeug zu verbrennen waren Action genug. Die Lage in der Halle war so gemütlich, dass selbst der Sanitätsdienst Fotos schoss.
Neues Material interessierte hier keinen. Recht früh kamen "Flesh For Fantasy" und die zwei Stücke, auf die die meisten gewartet hatten: "Sweet Sixteen" und "Eyes Without A Face". Da war es auch für Billy an der Zeit, die Brust zu entblößen: Erstaunlich, wie hager er angesichts seiner Exzesse geblieben ist. Amphetamine en masse? Oder doch Rohkost ohne Fettzusatz? Wahrscheinlich Letzteres, so mühelos wie er rumhüpfte.
Das Pflichtprogramm war bald abgehakt: Noch "L.A. Woman", "Rebel Yell" und "White Wedding" bevor das Konzert mit "Moni Moni" samt Bandvorstellung zu Ende ging. "I'm Billy fucking Idol", rückte sich der Alt-Poppunker schließlich noch selbst ins Licht, bevor eineinhalb Stunden nach Beginn Steppenwolfs "The Pusher" vom Band tönte.
Ein ehrlicher, wenn auch nicht mitreißender Gig - und die Spanier kickten derweil müde die Portugiesen raus. Wenigstens war das Bier überall kalt.