laut.de-Kritik
Manchmal würde man sich eine Altersbeschränkung auf 18 wünschen.
Review von Philipp GässleinZwei Stunden Liveprogramm - das bieten im Moment nicht einmal die Beginner. Bushido schaffte dies im Rahmen seiner "CCN2"-Tournee sogar ohne Vorband an einem Abend, der nicht nur den Boden des Konstanzer Kulturladens, sondern auch die Trommelfelle der Zuschauer zum Beben brachte. Trotz Ausweis- und Waffenkontrolle lag das gefühlte Durchschnittsalter beim Publikum deutlich unter 16.
Während sich andere Rapper in einer solchen Umgebung am wohlsten fühlen, quittierte Bushido diesen Umstand auf seine Art: Während des obligatorischen "Wer ist lauter, die rechte oder die linke Seite?"-Spielchens bescheinigte er seinen Fans, den Stimmbruch noch vor sich zu haben. Auch sonst präsentierte sich der Ex-Aggroberliner als bestechend guter Entertainer. "Bitte dem Sohn danach nicht verbieten, meine Musik zu hören", bat er etwa die erziehungsberechtigten Begleitpersonen im Saal, bevor er sie mit dem definitiv nicht jugendfreien "Gangbang" schockte. Humor hat der Mann ja, und nicht zu knapp.
Bushido und sein Support Baba Saad griffen tief in die Kiste und rappten Songs aus vier Alben, wobei Saad immer die Rolle des Ex-Homies Fler einnahm - was mitunter zu recht obskuren Situationen führte. Direkt nachdem zum Beispiel das Publikum aufgefordert wurde, den Mittelfinger gegen Fler zu erheben, rappten die gleichen Fans bei "Cordon Sport, Massenmord" im Refrain den Namen Frank White begeistert mit. Auch andere Rapper bekamen aber ihr Fett ab: Blumentopf, Samy Deluxe, Torch, die Headliners, Sido - Bushido befindet sich derzeit im Krieg mit der gesamten deutschen Rapszene.
Manchmal würde man sich doch eine Altersbeschränkung auf 18 wünschen: Während er den Rauchern im Raum einen schnellen Tod prophezeite, lagen überall im Saal Plastik-Visitenkarten aus, mit denen wohl auf das Ordnen von Kokslinien angespielt werden sollte. Text: "Diese Karte macht Stein zu Pulver." Zumindest musikalisch konnte den beiden keiner etwas vormachen. Die meisten Tracks sind sorgsam ausgewählte Burner aus "CCN1", "Vom Bordstein Bis Zur Skyline" und "CCN2". Die Bassboxen leisteten hervorragende Arbeit - selbst in den hintersten Ecken des Konzertsaales bebte der Boden - und verwandelten den Kulturladen streckenweise in einen Hexenkessel, obwohl die Rapper Klassiker wie "Stupid White Man", "Zukunft" und "Feuersturm" ausließen.
Am Ende kam es dann noch zu einer Premiere, als Cassandra Steen das erste Mal live während der Tour auftrat und "Hoffnung Stirbt Zuletzt" von "Electro Ghetto" performte. Obwohl die Dame ganz offensichtlich unter heftigem Lampenfieber zu leiden hatte, stellte sie doch ihr enormes Gesangstalent auch live unter Beweis. Als kurz vor 24 Uhr die Rapper endgültig die Bühne verließen, dürften die T-Shirts der Ordner wohl die einzigen im Saal gewesen sein, die keine großflächigen Schweißflecken auswiesen, denn Prügeleien blieben glücklicherweise völlig aus. In Erinnerung wird Bushidos Konzert dennoch bleiben, nicht zuletzt wegen des komischen Tones im Ohr, der noch zwei Tage anhielt, bevor er Schmerzen wich.