laut.de-Kritik
Zu Tränen rührende Vorstellung neuer Songs im kuscheligen Rahmen.
Review von Vicky ButscherDas Kölner Gloria zeigt sich am Donnerstag Abend nicht zum ersten Mal als perfekte Venue für einen kuscheligen Vorab-Gig. Hier spielten schon Muse und Interpol in familiärem Rahmen. Heute also Coldplay. Im Sommer werden die vier schüchternen Briten die größten Open-Air-Bühnen der Welt in ihren Bann ziehen. Heute hatten ein paar hundert Fans und Gäste die Chance, die Band ganz nah zu erleben. Die 350 Tickets, die man im Vorverkauf erstehen konnte, waren in 32 Minuten vergriffen.
Gelangt man am Abend endlich ins Gloria, so findet man sich mit höchsten Sicherheitsvorkehrungen konfrontiert. Alle Handys müssen ausnahmslos schon am Eingang abgegeben werden. Es folgt ein Body-Check auf Mobiltelefone, Fotoapparate und Aufnahmegeräte. Vor dem Eingang zum Bühnenraum dann noch mal die Anweisung: Alle Taschen, auch die kleinsten Handtäschchen, müssen an der Garderobe abgeben!
Als ich endlich den Raum betrete, haben Coldplay ihren ersten Song schon gespielt. Die Band wirkt hoch konzentriert, Bassist Guy Berryman gar cool-abwesend. Als ob er keinen Spaß habe, mit dieser Band zu spielen. Man könnte meinen, er sei nur ein Profi-Bassist, der eben für die Tour eingesprungen ist. Das ändert sich das ganze Konzert über nicht. Nicht einmal, als Sänger Chris Martin ihm lächelnd etwas ins Ohr flüstert. Vielleicht ist dem Basser Chris' in die Musik versunkene Art ja auch ein wenig peinlich? Immerhin spielt dieser - vor allem am Klavier - als würde es kein Morgen geben. Wie schon in den letzte Jahren liegt er bei besonders berührenden Passagen fast auf dem Klavier, biegt den Rücken zu einem Buckel, wie ihn eine 90-jährige Frau nicht unschöner durch die Gegend tragen könnte. Vielleicht hat Berryman es aber auch einfach nur satt, immer links neben dem großen Scheinwerfer zu stehen.
Martin ist der Einzige, der während des Gigs immer weiter auftaut. Bereits beim zweiten Song "Politik" muss ich ob der intensiven Stimmung und hohen Emotionalität der Melodie mit den ersten Tränen kämpfen. Coldplay überzeugen also auch ohne wahnsinnige Light- und Videoshow. Es stehen ja auch vier versierte Musiker auf der Bühne.
Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch warte ich auf die neuen Songs. Auf den ersten Blick wirken die neuen neben den hochemotionalen Melodien des letzten Albums etwas flach. Vor allem der Gesang kann mit tränenüberströmten Stücken wie "The Scientist", "God Put A Smile Upon Your Face" oder "In My Place" nicht mithalten. Dafür hat vor allem das Schlagzeug an Energie und Vielfalt gewonnen.
Die neuen Stücke klingen, als habe sich die Band über den Frontmann Chris Martin mit seinen dominanten Gesangslinien emanzipiert. Live geben Coldplay dennoch ein anderes Bild ab. Martin ist weiterhin der Einzige, der auf der Bühne herumwuselt, zu "Yellow" wie mit einem Springseil durch die Gegend hüpft. Er taut mit der Zeit auf, beginnt, das Publikum einzubeziehen, und versucht sich mit missglückten Ansagen auf Deutsch. Artig entschuldigt er sich, als er dann doch ein paar wenige Sätze auf englisch anhängt. Auch für die Geduld des Publikums den neuen, noch unbekannten, Songs zu lauschen bedankt er sich artig. Heraus stechen die starke Ballade "What If" und das Schlagzeug-lose "'Til Kingdom Come". Bei dem Stück sattelt Will Champion von den Drums zu Piano und Mundharmonika über.
Auch die Zugabe - "A Message" und "Fix You" - gibt sich zurückhaltend. Wirkten die Stücke von "A Rush Of Blood To The Head" bei der Live-Vorstellung vorab eher rockig, so scheint sich das neue Album "X & Y" auf die ruhige Seite der Band zu konzentrieren und die Gesangslinien etwas zurückzustellen.