laut.de-Kritik
Extraterrestrische Role Models auf Mission.
Review von Matthias MantheAltersweisheit zählt nicht nur auf dem Dorf, sondern ist auch in Lutetia ein fester Wert. Die neue Generation französischer Elektro-Heroen (i.e. Daft Punk-Manager Pedro Winter und seine zu Recht gehypte Ed Banger-Posse) pilgerte in ihren Anfangstagen sicher regelmäßig in die Bastion Homem-Christo/Bangalter, um sich guten Rat und Inspiration von den Role Models zu holen. Sie haben offensichtlich gut hingehört - French Touch ist momentan wieder schick wie kaum ein anderer elektronischer Genus.
Justice, DJ Mehdi und SebastiAn sind nur einige von vielen Klassenbesten, die derzeit für massig Stürme in europäischen Venues sorgen. Letzterer wurde vom Hauptact auch zur Mitreise durch deutsche Spielstätten geladen. Doch nur wenige Eingeweihte wissen um den Hochkaräter im Vorprogramm, der da zusammen mit DJ Kavinsky, versteckt hinter einem riesigen schwarzen Vorhang, edelste Feinwaren auflegt. Diese Insidergrüppchen tanzen in sich versunken zu SebastiAns elektrifizierenden Orkanböen. Anheizer? Das hier kickt wie ein halbes Reaktorunglück.
Absolut gar nicht geerdet gehen dagegen die Urahnen der French (Filter-)House-Welle im Anschluss zu Werke. Ohne Zögern stellen Daft Punk klar, was mancher in Anbetracht von Ed Banger und Kitsuné kurzzeitig vergessen haben könnte: Die Primusse haben ihre Hausaufgaben seit 1997 immer erledigt - und halten auch 2007 alle Zügel in der Hand. Ich würde sogar fragen: Wer braucht den Eifelturm, wenn er als Aushängeschild futuristische Freaks in Raumanzug und Helm haben kann, die in einer LCD-verstärkten Pyramide stehen und Knöpfchen drehen?
Dessen Mantelfläche besteht aus Millionen von Flüssigkristallen, und die können einiges: Einzelne Farben aufleuchten lassen, sirenenartig rotieren, dann wieder geometrische Formen projizieren oder das menschliche Antlitz in tausenden Varianten präsentieren. Unglaublich, was sich währenddessen auf der überdimensionalen Matrix im Hintergrund abspielt, wo Begriffe wie "FUCK" und "HUMAN" aufblitzen. Außerordentlich auch die Lightshow des Toblerone-artigen Gitters direkt neben den Hauptakteuren.
Fehlt als Ultima Ratio eigentlich nur noch, dass sich Captain Future himself zwischen den wortlosen Menschmaschinen aufbaut und das Publikum per Megaphon ins Dance-Nirwana katapultiert. Andererseits steht die orgiastische Full-House-Party im Vorhof der Pyramide ohnehin schon unter dem Motto Selbstverlust. Daft Punk bieten eine dramaturgische Meisterleistung, die, wollte man nicht ins Pathetische abrutschen, nicht mehr zu überbieten sein dürfte.
Nach 70 + 10 Minuten stoppt schließlich die Musik. Zwei Aliens ernten Euphorie, applaudieren ihrerseits dem Auditorium und steigen wieder in ihr Pimp-Spaceship. Und allen Bemühungen um objektive Rekapitulation zum Trotz spürt wohl jeder Anwesende: Das hier war einmalig. Audiovisuelle Synergie in Perfektion. Extraterrestrische Missionare im unermüdlichen Einsatz für den Frieden zwischen den Galaxien. Mensch und Roboter können Freunde sein, da glaube ich von jetzt an dran. Are you human after all?