laut.de-Kritik
Es gibt nur Beats, Raps und eine Menge Hände in der Luft.
Review von Philipp SchiedelWas denkt wohl dieser etwa 40jährige-Mann mit der Halbglatze, der mit seinem kleinen, vielleicht zehn Jahre alten Sohn ein Konzert der Lieblingsrapper besucht? "Was hab ich falsch gemacht?" oder doch "Ach, da kann ich auch drüber lachen!"?
Man weiß es nicht. Doch als zum jugendlich-freundlichen Konzertbeginn um viertel vor Acht der Dortmunder Soundgarden gerade mal halb gefüllt ist, wird wohl auch er sich gewundert haben. Für eine Band, die ein paar Tage zuvor noch die Spitze der Charts knapp an Tokio Hotel abgeben musste eine doch mehr als enttäuschende Vorstellung.
Vielleicht war es der teure Eintritt, das Fehlen einer Vorgruppe oder doch einfach nur die Probleme für die minderjährige Zielgruppe in die große Stadt und wieder nach Hause zu kommen. Denn im Gegensatz zu Tokio Hotel wird sich die elterliche Begeisterung doch sehr in Grenzen gehalten haben, den Fahrdienst zu Sido und Harris zu spielen.
Doch der Papa mit der Halbglatze ist ein guter Papa. Er fuhr und lässt seinen Sohn nun heftig mit dem Kopf nicken, während das Hip-Hop-Urgestein DJ Stylewarz als Tour-DJ der Lieblingsrapper die Bühne entert. Vor allem für Sido (Harris ist als Ex-Spezializt im Rap-Geschehen ja sowieso schon ein alter Hase) kommt diese Begleitung einem kleinen Ritterschlag gleich. Aufgenommen in den Kreis? Keine Ahnung, ich hab's nicht zu entscheiden. Aber hey, warum nicht? Sido hat Style, kann sich inszenieren und hat definitiv mehr als eine Handvoll geile Tracks auf Lager.
Den Kids ist es egal. Den Fans in der ersten Reihe dürfte der gute Mann, dessen Hochzeiten nun auch schon ein paar Jahre vorbei sind, sowieso kaum ein Begriff sein. Sie sind wegen der nächsten Generation hier, die gerade mit "Fuffies im Club" auf den Beat von Einschusslochs "In Da Club" das Haus zu rocken beginnt und mit lauten "Bow/Bow"s ausrastet – der Vater steht einfach nur da.
"Wir sind der Grund für eure Alpträume", schmeißen ihm die Lieblingsrapper entgegen. Es lässt ihn genau so gelassen wie die Zeile "Scheiß auf Hausaufgaben – ich geh lieber raus zum malen", die von der Bühne runter poltert. Wahrscheinlich hat er sie ohnehin nicht verstanden. Taggen? Breaken? Ja, damals sind wir nachmittags noch mit einem Stock in den Wald gegangen und haben Volkslieder gesungen. Heute tönt Sido: "Ich fick dich zwar gern, aber dann spuck ich auf dich."
Das Berliner Hochhaus-Kind lässt es sich dann nicht nehmen neben den Lieblingsrapper-Songs seine Hits wie "Mein Block" oder "Mama Ist Stolz" zu spielen. Und die Menge dankt ihm ausgiebig dafür, kennt jede Zeile und reißt die Arme in die Luft. Wie damals bei den Stones, denkt wohl der Papa. Und spätestens, als die beiden Hampelmänner auf der Bühne nun auch noch Joints vom Publikum verlangen, wird er daran gedacht haben, seinem Sohn die Augen zu zuhalten. Gebracht hätte es nichts. Harris – ganz der Kenner – merkt sofort, dass er nur müdes Haschisch untergejubelt bekommt und verlangt sofort lautstark nach Gras. Das kommt auch prompt und das Publikum jubelt auf Kommando, als die Tüte angeflammt wird: "Zieh, Zieh" feuern ihn die Kids wie einen Skispringer an.
Auch wenn der Entertainment-Faktor der beiden Rapper an diesem Abend nie über mäßig witzige Spielchen mit ihrem Mischer und den üblichen Sprechchor-Aufforderungen hinausgeht, haben die Fans ihren Spaß und feiern jede Minute als wäre es die Letzte. Hier gibt es keine nervigen Lehrer, die sich über die Texte aufregen und keine Jugendschutzstelle. Es gibt nur Beats, Raps und eine Menge Hände in der Luft. Und das ist es, woraus ein gutes Hip Hop-Konzert bestehen sollte. Der Mann mit der Halbglatze sieht das wohl genauso. Denn er schmunzelt. Kein Scheiß, Aldder.
In Dortmund durften wir leider keine Bilder der Lieblingsrapper schießen, da Sido in dieser Rolle nicht ohne Maske abgelichtet werden möchte. Auf den von der Plattenfirma bereit gestellten Fotos ist Sido allerdings nur schlecht und ohne Maske zu erkennen. Daher gibt es dieses Mal keine Fotogalerie.