laut.de-Kritik
Konstanz wollte ihn einfach nicht gehen lassen.
Review von Dani FrommLicht aus, Spot on! Letzterer sitzt im Form einer Grubenlampe an der Stirn von DJ Static und scannt einen rappelvollen Club. "Ausverkauft" vermeldete das Schild am Eingang des Konstanzer Kulturladens. Alles andere hätte mich an meiner Stadt zweifeln lassen: Viel besser als mit Reimkönig Dendemann lässt es sich wohl kaum ins Hip Hop-Jahr starten. Doch soweit sind wir noch nicht. Im Moment ist es - bis auf die Grubenlampe - erst mal stockdunkel.
It's DJ Static - speaking with his hands. Schon in den ersten dreißig Sekunden bemächtigt sich meiner das große Staunen. Man möchte andächtig niederknien, würde man sich so nicht der Gefahr aussetzen, vom begeisterten Publikum über den Haufen gerempelt zu werden und sich zudem der freien Sicht auf Statics sprechende Hände zu berauben. Beides wäre ein Jammer.
Einen Track später stehen Denmark's finest zu zweit auf der Bühne, liefern Teamwork der Extraklasse und werfen sich gegenseitig die Satzbrocken zu: Nat Ill am Mikrofon wirkt als habe er sich Mütze und Rampensau-Qualitäten bei meinem alten Helden Toni L geliehen. Raptechnisch stellt er den Heidelberger, bei aller Liebe, allerdings in den finstersten Schatten. Flüssig und mühelos heizt Nat Ill einer bereitwilligen mitgroovenden Crowd ein. Static folgt der Aufforderung "Let your fingers do the talking" und antwortet mit messerscharfen Wordcuts.
Static und Nat Ill bilden einen lebenden Beweis für die Funktionalität des altbewährten One-DJ-One-MC-Konzepts. Das dänische Duo beschwört Erinnerungen an die Zeit herauf, die einst Eins Zwo besangen: "Als man noch Zeit zum Feiern fand und der DJ vor dem MC auf dem Flyer stand". Mit Recht! Diese beiden mögen mit "Teamwork" ein Drei-Punkte-Album abgeliefert haben. Die Liveshow verdient volle Punktzahl und ein glitzerndes Sternchen dazu.
Nach diesem furiosen Auftakt hat es Headliner Dendemann fast ein bisschen schwer. Ein Eindruck, der allerdings bereits nach wenigen Zeilen in Rauch und Wohlgefallen aufgeht. "Aller Anfang läuft meist ein wenig schief." Dieser nicht wirklich: Chef-Geschichtenerzähler Dendemann erweist sich zudem als elend sympathisches Bühnenviech, das seine Hörerschaft schon damit mühelos um den Finger wickelt, dass er sich artig für das erfreulich ausverkaufte Erscheinen bedankt.
Eigentlich war es klar, denn Dende-Fans sind treu - und zäh. Anders hätte sich die jahrelange Durststrecke bis zum Erscheinen seines ersten Solo-Albums kaum überstehen lassen. "Was hast du gemacht, die ganze Zeit über? Wovon lebst du?", wollte ich vor einem knappen halben Jahr bei einem Telefonat wissen. Die Antwort: "Von Luft und Liebe. Nee. Ich leb' vom Rappen." Meine Verwunderung darob, dass dies ohne Plattenveröffentlichung machbar sein soll, wird vom Tisch gewischt: "Das geht. Wenn man gut genug ist, ja."
Der Live-Beweis zeigt: "Gut genug" ist schamlos untertrieben. Dende schöpft aus der Pfütze des Eisbergs, berichtet mit reibeiserner Stimme über die Platzverhältnisse im Tourbus und betrachtet alte Eins Zwo-Kracher mit der Hand auf dem Herzen aus der Vogelperspektive. Möglich ists, denn die Trennung von Ex-Partner Rabauke lief offenbar genau so friedlich ab, wie es den Anschein hatte: "Das könnte das Problem gewesen sein. Manchmal ist ein Gewitter sehr reinigend für die Luft. Das haben wir aber nie so richtig hingekriegt. Irgendwann gabs 'ne Option auf ein drittes Album. Wenn wir aber anfangen, uns zu erklären, was wir voneinander wollen, dann ergibt das basisdemokratische Grütze, damit tun wir weder Hip Hop noch Eins Zwo-Fans noch uns selbst irgendeinen Gefallen."
Zurück auf die Konstanzer Bühne: Ganz nebenbei wirft Dendemann mit Anekdötchen um sich und lässt sich zwischendurch das Mikrofon putzen. Ein wenig Luxus muss sein. Anrufe von der Realness werden gepflegt ignoriert. Was will die Tante auch: Das Vergnügen im Raum ist so greifbar wie der Schweiß, den eine Horde gutgelaunter Kappenträger ausdampft.
Diese erweisen sich als durchaus gut bei Stimme. Was für den Meister gilt, trifft auch auf die Anhängerschaft zu: "Nein, ich sing' nicht gut, aber ich tus gern!" Und laut! Minutenlange "Lass mich nicht einfach so stehen"-Chöre ernten Zugabe um Zugabe. Drei Stunden später dürften sich die mittlerweile heiseren Konstanzer jedenfalls einen Platz im Ranking der Lieblingskundschaft ersungen haben.