28. Mai 2010
"Ich wollte nie ein Pop-Star sein"
Interview geführt von Artur SchulzViele Vorschusslorbeeren für eine junge Newcomerin: bei den BBC-Awards gelingt ihr in Sachen "The Sound Of 2010" auf Anhieb der Sprung aufs Siegertreppchen.Ellie Gouldings Debüt-Album "Lights" erfährt gleichermaßen Anerkennung bei Musikfreunden und Kritikern. Doch als bloßen Hype sieht sich die Engländerin nicht, wie sie im Interview mit laut.de verrät. Für sie bedeutet Erfolg im Musikgeschäft Lernen und Leidenschaft gleichermaßen.
Hallo Ellie, schön, dass du dir für uns ein wenig Zeit genommen hast. Wie ergeht es dir hier in Deutschland?
Hallo! Ach, es ist alles sehr unruhig an diesem Interviewtag, aber wirklich schlecht geht es mir nicht, ganz bestimmt nicht! (lacht) Wir sind in Berlin, und leider bekomme ich viel zu wenig von der Stadt zu sehen. Hier passiert eine Menge in Sachen Musik, so viele spannende und unterschiedliche Dinge, das wusste ich schon vorher. Nur fehlt es eben an der Zeit, sich jetzt und hier damit direkter und vor allem tiefer zu befassen. Da sind so viele Einflüsse, die neu und unerwartet sind. Ich mag es, solche Stimmungen in mir aufzunehmen und wünschte, noch ein bisschen länger bleiben zu können.
Du schreibst Songs, seit du fünfzehn bist. Was war die Inspiration, damit überhaupt zu beginnen?
Inspiration ist ein gutes Wort. Schon früh drängte es mich, all diese Lebens-Erfahrungen, die einem bereits als ganz junger Mensch begegnen, irgendwie umzusetzen. Manche machen das nur innerlich, ganz für sich selbst. Andere schreiben Geschichten und Gedichte. Als Kind und Jugendliche habe ich auch viel Tagebuch geführt. Wann und wie genau es mit der Musik begann, kann ich eigentlich gar nicht mehr sagen. Es gefiel mir immer mehr, das, was ich fühle und empfinde, in Musik umzusetzen, ergänzt mit meinen eigenen Texten.
Das hatte viel mit Imagination zu tun, und gerade, wenn du mit so etwas beginnst, ist es vor allem auch noch völlig neu und daher sehr aufregend. Man hat selbst schon was mitbekommen, wie andere das Ganze gemacht haben, was es für sie bedeutet, lange vor dir, und stellst dir natürlich irgendwann die Frage, ob das außer dir selbst überhaupt jemanden interessiert. Obwohl das nie im Vordergrund stand. Es war zunächst einmal Experimentieren, Ausprobieren, und sehen, was dabei herauskommt. Ob das Ganze auch wirklich ich war.
Du bist nach der Schule für zwei Jahre auf eine Universität gegangen, hast aber nach zwei Jahren das Studium abgebrochen. Was stand hinter der Entscheidung?
Es hatte nichts mit dem Kalkül, dem Kopf zu tun. Es war mehr eine innere Sache, innere Entscheidung, die viel mit Gefühlen zu tun hat. Das Musikmachen ist immer mehr gewachsen, es bedeutete mir einfach immer mehr. In dieser Zeit hatte ich mich getraut, meine Sachen auch anderen mal vorzuspielen, und eigentlich jeder hat mich darin bestärkt, diesen Weg unbedingt weiter zu verfolgen. Irgendwie hat es dann nicht sonderlich lange gedauert, bis zur endgültigen Entscheidung. Ich war ehrlich zu mir, und erkannte, was meine wirkliche Leidenschaft ist
"Ich versuche nur, mein eigenes Ding zu machen"
Wie würdest du deine Songs, deinen Stil beschreiben? Presse, Kritiker, sie alle suchen ja gern nach einer Schublade für eine neue Künstlerin und ihren Sound.Ich möchte das gar nicht so unbedingt in eine Ecke gestellt haben wollen, in der bereits alles vorhergesagt und normiert ist. Alles, was ich mache, ist - ganz schlicht - mein eigener Stil, eben mein eigenes Leben, mein eigener Sound. Ich kann es selbst auch nicht richtig definieren. Ich mache z. B. Live-Shows, und versuche, da mein Bestes und Eigenstes zu geben. Ich möchte eine Sängerin sein, die den Leuten etwas geben kann, und es ist eine wunderbare Sache, wenn du spürst, dass dann etwas zurückkommt. Das mag ich sehr. Ich habe aber bisher nie das Gefühl gehabt, nun so etwas wie ein Popstar zu sein, und möchte das auch gar nicht sein.
Doch das, was in letzter Zeit in Sachen Aufmerksamkeit in den Medien so alles passiert ist, ist schon erstaunlich für mich. Vor allem sehe mich längst nicht am Ende meiner Entwicklung, das wäre ja auch furchtbar! Es beginnt alles erst. Nehmen wir allein das Experimentieren mit Elektronik, in Zusammenarbeit mit Starship - etwas, was ich selbst ganz am Anfang nie auf der Rechnung hatte. Und dann war ich erstaunt, wie anders - und besser - meine Songs dadurch klingen. Eine pure Ellie nur auf der Gitarre, das wäre vielleicht entsetzlich langweilig! (lacht)
Du hast von der BBC den Award "The Sound Of 2010". erhalten. Fühlst du dich als Sound von 2010?
Nicht wirklich, nein, wirklich nicht! Ich bin natürlich schon stolz, aber in erster Linie bin ich es doch, die nun zunächst einmal etwas zu geben hat, etwas, das man dann sicher später erst richtig einordnen kann. Die Kritiker haben mich nun schon ein Weile verfolgt in dem, was ich mache, das Publikum genauso, natürlich wird man beobachtet. Ich versuche nur, so weit es geht, mein Ding zu machen, und das soll ein positives Ding sein. Mit meinem ganzen Herzen eben, das voll dahintersteht; und das ist nicht nur so dahergesagt, das meine und fühle ich tatsächlich so.
Den Preis erhieltest du aus den Händen von Courtney Love. Wie hast du dich dabei gefühlt?
Ach, auch wenn das Ganze vielleicht nicht so wichtig ist - es war schlicht wundervoll! Das sind so unterschiedliche Empfindungen, die in einem hochkommen, irgendwie wird in deinem Innersten da etwas gemalt, so wie ein Bild gemalt wird. Unterschiedlichste Pinselstriche, unterschiedlichste Farben, es geht hoch, es geht runter, irgendwie soetwas passiert dann mit deinen Gefühlen. Am meisten war ich aber schrecklich nervös, als ich dann schließlich auf die Bühne musste. Oder durfte. In so einem Moment so viele Emotionen auf einen ein.
In deiner Biographie steht zu lesen, dass du gern Sport treibst, darunter jeden Tag zehn Kilometer laufen. Ist das eigentlich wahr?
Ja! Aber das Problem ist, dass ich im Moment aber gar nicht mehr so recht dazu komme. Es gibt mir Stärke, es ist wichtig für meinen Körper und mein Wohlbefinden, ich hoffe, dass ich schon bald wieder viel regelmäßiger als jetzt dazu komme.
"Ohne einen guten Song geht gar nichts"
Wie entsteht deine Musik? Wie ist da die Herangehensweise?Die eigentlichen Songs und die Ideen dazu kommen von mir, und dann habe ich natürlich meine persönliche Connection, mit der das dann alles dann noch weiterbearbeitet und verfeinert wird. Teamwork, das ist das eigentliche Geheimnis. Ich glaube, dass es viele Möglichkeiten und Wege gibt, Musik zu machen, und es gibt sicher nicht den einen unbedingt besseren, und den einen unbedingt schlechteren Weg. Das muss schließlich auch jeder für sich selbst entscheiden. Am Anfang, egal, wo man sich befindet, steht man erst einmal ganz allein und ist gezwungen, seinen eigenen Platz zu finden, einen Standort, von dem aus sich alles in Ruhe weiterentwickeln kann. Und dafür hat eben jeder, der in diesem Bereich etwas machen will, ganz eigene und andere Ideen, Voraussetzungen und natürlich Talente.
Das, was eine Dauerhaftigkeit tatsächlich ausmacht, zeigt sich eigentlich erst später, wenn man eigene Erfahrungen gesammelt hat. Und ehrliches Feedback bekommen hat, während man dabei ist, sich seine eigene Nische aufzubauen. Lernen ist wichtig, offen zu sein, und auf sein eigenes Gespür zu vertrauen, ohne sich dabei nun völlig verbiegen zu lassen. Du musst eben gut sein, gute Songs haben, das ist das Wichtigste. Ob man nun auf einer Casting-Bühne steht oder eben auf andere Weise die Musik macht - ohne einen guten Song geht gar nichts. Es sollte auch nicht so sein, zu denken: "Das ist mein Job" oder "Das ist meine Karriere", das ist nichts, was im Vordergrund stehen sollte. Leidenschaft sollte die wichtigste Triebfeder sein, und sich vor allem an ihr orientieren.
In den britischen Medien stand zu lesen, deine Musik sei - ich zitiere - "eine Wohngemeinschaft aus Kate Bush, Björk und Stevie Nicks im Londoner Stadtteil Shoreditch - aber sehr harmonisch, und eine Spur ausgewogener". Teilst du diese Einschätzung?
Das mag vielleicht als Kompliment gemeint sein, aber nein, so klinge ich sicher nicht. Natürlich hat man selbst auch immer Vorlieben, die einen beeinflusst haben, z. B. mag ich Bob Dylan und die Beatles sehr gern. Aber man soll nie darauf schielen, jemanden nur imitieren zu wollen.
Was erhoffst und planst du für die Zukunft?
Hoffen, planen und erwarten - eigentlich gar nichts. Da ist zunächst das Hier und Heute, das so vollgepackt ist, und ich muss mich da erst einmal einrichten können. Und auch abwarten können, wie sich alles entwickelt, da kann man, glaube ich, nichts vorhersagen oder vorherplanen. Ich bin mit voller Energie und vollem Einsatz bei allem dabei. Aber Prognosen oder Wünsche? Nein, nicht jetzt, dafür ist die Zeit noch nicht gekommen.
Ellie, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei deiner weiteren Karriere!
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