laut.de-Kritik
Stadionpunk von den Elder Statesmen der zweiten Generation.
Review von Mathias MöllerDarüber, dass die örtlichen Veranstalter das Konzert von Green Day in die Arena verlegt haben, kann man ja geteilter Meinung sein. Viele, die den Gig lange als ausverkauft im Konzerttagebuch abgeschrieben hatten, konnten die drei Punk-Veteranen doch noch live erleben, und die ganzen Pyro-Effekte wirkten hier auch viel besser, als sie es in der Columbiahalle getan hätten. Doch dazu später. Schon bei der eher unbedeutenden Vorband New Found Glory zeigte die Arena in Treptow sich mal wieder von ihrer schlechten Seite. Der Sound, egal, ob Hip Hop oder Gitarrenmusik, klingt in der riesigen, alten Fabrikhalle immer etwas schwammig.
So auch an diesem Abend, was bei New Found Glory wie gesagt noch nicht weiter stört, aber bei Green Day später doch hin und wieder etwas ärgerlich ist. Die lassen, bevor sie selbst die Bühne besteigen, erst mal ein Duracell-Häschen die Crowd animieren, den mit den Jahren immer alberner werdenden Party-Klassiker "YMCA" mitzuchoreografieren. Der arme Kerl im rosa Kostüm schwitzt sicher wie Sau und ist - wie alle anderen peinlich Berührten in der Halle - bestimmt froh, als endlich Zarathustra "Also" spricht, und Billy, Mike und Tré derbe posend die für drei Punks eigentlich viel zu großen Bretter betreten.
Sie beginnen, und das erstaunt fast ein wenig, mit den aktuellen Hits, dann konfrontieren sie die Besucher gleich mit dem überlangen "Jesus Of Suburbia", und irgendwie stellt sich hier ein Gefühl ein, das sich erstmals zaghaft beim Betreten der Halle geäußert hat; und das beim Beobachten der pogenden, parkatragenden 16-Jährigen bei "Blitzkrieg Bop" in der Umbaupause noch mal an den Synapsen zerrt: Das ist keine Punkrockshow. Green Day sind zu einem Rock-Act mutiert, der ein jede Zeile mitsingendes und für ein T-Shirt jeden Preis zahlendes Publikum erobert hat.
Dass ein enttäuschter Fan "Sell-Out" in ihren Tourbus ritzt, müssen Green Day nicht befürchten, über dieses Stadium sind sie längst hinaus. In allerbester Entertainer-Manier spielt Billy Joe mit den Fans, regt immer wieder zu Call-And-Response an, er hat sogar eine eigene Mikro-wieder-Hinstell-Stagehand. Vorbei die Zeiten, als eine lahme Stagehand mit einer Portion Rotz bedacht wurde. Das Einzige, was explodiert, sind die Pyros, die einen zuerst zu Tode erschrecken und dann verstört fragen lassen, wo man hier eigentlich ist.
Doch Entertainer-Qualitäten haben ja auch ihr Gutes. Man bekommt was fürs teure Geld, und Green Day sind sich nicht zu schade, auch die ganz ollen Kamellen rauszuholen, was bei "Basket Case" und dem bis zuletzt aufgehobenen "When I Come Around" nicht verwundert, aber bei "She" und "Longview" schon ein seliges Grinsen über das eine oder andere Gesicht laufen lässt.
Als so etwas wie die Elder Statesmen der zweiten Punk-Generation lassen sich Joe, Dirnt und Cool sogar kurzfristig die Show stehlen. Während "Operation Ivy" formieren sie die Band um, indem sie drei Jungs aus der Menge auf die Bühne holen. Einen rocksteady Drummer, einen überkandidelten Basser und einen Gitarrero, der es schafft, für kurze Zeit mehr Aufmerksamkeit zu erhaschen als B.J. Zum Dank für seine Eins A Punkrocksau-Interpretation darf der Aushilfs-Axeman die Gitarre, auf der vor einer Minute noch der Green Day-Frontmann gespielt hat, behalten. Momente für die Ewigkeit. So geht es nach Hause mit dem zwiespältigen Gefühl, endlich mal eine maßgebliche Band der eigenen Sozialisation gesehen zu haben, die aber so sicher nicht mehr Punkrock ist. Sondern höchstens Stadionpunk.