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Mit:
Datum: 27. Januar 2003
Location: X-tra Limmathaus
Zürich
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Gelungener Entertainment-Mix aus abstruser Comedy und Jazz.

Review von Eberhard Dobler

Glaubt man seinem Tee ausschenkenden Dauer-Azubi Bodo, betritt an diesem Abend einer der besten Entertainer seiner Zeit die Bühne: Helge Schneider. Für die einen viel zu plump (Helge sagt schon mal "ficken") oder gar bösartig (Helges Oma wartet auf den Enkel, statt dessen kommt das Beerdigungsinstitut zur Sargprobe vorbei), begeistert der Mülheimer seine Fans seit Jahren als Pointen-Chef und Stand Up-Satiriker. Helges Humor spaltet die Lachgesellschaft. Oberflächlichkeit ist trotzdem etwas anderes. In Zürich und tags darauf in Konstanz zeigte der Komiker vor begeistertem Publikum, dass er, nicht zuletzt musikalisch, über jeden Zweifel erhaben bleibt.

Statt seiner Band Hardcore oder den legendären Firefuckers begleiten Helge diesmal zwei international bekannte Musiker. Der amerikanische Kontrabassist Jimmy Woode spielte früher mit Duke Ellington, Ella Fitzgerald und Louis Armstrong, während der Brite Pete York (Drums) in den Sechzigern die Spencer Davies Group und Hardin And York mitbegründete. Warum sich amtliche Jazzer ausgerechnet für eine Tour namens "Verzeih mir Baby (ich konnte nichts dafür)" verpflichten lassen, erklärt sich recht schnell, nämlich so bald ihr derzeitiger Brötchengeber in die Tasten greift.

Auch wenn die beiden Vollblutmusiker den verbalen Gassenhauern Helges selten folgen können, sorgt das Trio besonders in der zweiten Hälfte der Show für Gänsehaut. Wenn York zu einem mehrminütigen, ziemlich unkonventionellen Schlagzeug-Solo inklusive Gesangseinlage ansetzt und Woode den Jazz-Song "Georgia" intoniert, als stünde er auf einer Bühne in New Orleans, lauscht das Publikum gebannt. Lockerer geht es zu, wenn Helge einen Klassiker wie "Katzenklo" oder die aktuelle Single "Das Möhrchen-Lied" anstimmt. Aber auch neue Stücke sorgen für überdrehte Atmosphäre. Bei "Pflaumenbaum" animiert Schneider die Halle zum Mitmachen ("Wir schämen uns nicht und singen mit") und das ehrliche "Dein Ständiges Nein Geht Mir Auf Den Sack, Du Sau" sorgt für breites Grinsen. Beim Dancefloor-orientierten "Lass Mich Bitte, Bitte, Bitte Bitte Bitte Auf Dir Reiten" (Text: Assistent Bodo) erklimmt Multiinstrumentalist Helge extra seine "Keyboard-Burg", um mehrere Synthesizer zu bedienen.

Comedy-technisch gibts neben Schneider-Standard (die riesige Lupe als verlorene Kontaktlinse eines Wals), improvisierte Gags ("Es war schön in Zürich. Die zwei Tage kamen uns vor wie drei Monate. Wir freuen uns, wenn wir in vier bis fünf Jahren wieder kommen müssen") und neue Storys. Wenn Helge anschaulich das Leben im Altenstift oder die Folgen intensiven Marihuana-Konsums schildert, läuft er zu Höchstform auf. Dann zieht er selbst seine musikalischen Mitstreiter durch den Kakao: "Es ist ein Abenteuer mit älteren Menschen auf Tour zu sein. Jeden Abend Ärzte, Liegewagen und leere Sauerstoffflaschen."

Dieser Entertainment-Mix aus abstruser Comedy und Jazz funktioniert, weil Schneider künstlerische Substanz besitzt, vergleichbar einem Harald Schmidt, der vor seiner TV-Karriere harte Kabarett-Jahre absolvierte. "Das ganze Geld mit Quatsch verdient", gestand Schneider einst auf seinem Album "Es Rappelt Im Karton". Stimmt aber gar nicht: 'Kunst' kommt am Ende nämlich doch von 'Können'.

Artistinfo

LAUT.DE-PORTRÄT Helge Schneider

Wer auf Löcher-in-die-Schädeldecke-fressenden Humor steht, dürfte sich mit Helge Schneiders Platten köstlich amüsieren. Oder live mit einer seiner …