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Datum: 23. Juni 2006
Location: Messe Gelände
Balingen
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Ein großer Erfolg. Obwohl der Headliner etwas enttäuschte ...

Review von Michael Edele

Schon seit Donnerstag ist Balingen wieder fest in der Hand von lauter Langhaarigen. Die Bevölkerung hat sich inzwischen daran gewöhnt, dass einmal im Jahr für ein Wochenende die Barbaren einfallen und begegnet dem Ganzen mit schwäbischer Gelassenheit.

Auch der laut.de-Redakteur sieht dem Festival immer sehr entspannt entgegen, wohnt doch der halbe Klan noch im Schatten der Hohenzollern-Burg. Somit ist die Übernachtungsmöglichkeit mit Dusche und Frühstück schon mal gesichert ('shit, shave and shower', wie der Schwabe so sagt) und mit 'nem halben Liter Sonnencreme im Gepäck kann eigentlich nichts mehr schief gehen.

Die Warm-Up-Party am Donnerstag Abend muss allerdings noch ohne mich stattfinden. Schließlich wollen die Verwandten ausgiebig belästigt werden, und Abandoned rennen einem noch früh genug über den Weg. So begebe ich mich nach kurzer Markierung der Schlafmöglichkeit (das soll heißen, ich hab den Schlafsack ins Eck gefeuert, nicht, dass ich irgendwo hin geschifft hab, ihr Nasen) noch zum Klansoberhaupt um dort ein Bier zu schnorren und mich durch Brasilien gegen Japan zu langweilen. Kurz nach dem Spiel flieg ich auch schon wieder raus (mit dem üblichen Hinweis mir doch mal die Haare zu schneiden und 'nen anständigen Job zu suchen), und so heißt es ab auf die Isomatte.

Freitag

Am Bahnhof noch kurz den Kumpel abgeholt, und ab geht's auf das Messe-Gelände, um dort den letzten Songs von Hellfueld zu lauschen. Die haben letztes Jahr auf dem Rock Hard Festival schon ordentlich den Ozzy gemacht. Auch auf dem Bang Your Head kommen die Schweden sehr gut an, und vor der Bühne ist trotz der frühen Zeit schon ordentlich was los.

Eigentlich hätten direkt im Anschluss Exodus auf die Bühne sollen, doch die haben ja kurzfristig mit seltsamen Erklärungsversuchen abgesagt. So stellen sich also Communic den Fans und machen zumindest musikalisch einmal mehr eine sehr gute Figur. Wenn man mal davon absieht, dass die Songs einfach zu lang und zu komplex sind, um ein Festivalpublikum durchgehend zu begeistern, gibt es an der musikalischen Darbietung nichts zu meckern. Ne große Liveband wird das Trio aber nie, dazu ist vor allem Basser Erik Mortensen zu hüftsteif. Sänger/Gitarrist Oddleif Stensland ist eh ans Micro gebunden, wo soll da Bewegung aufkommen auf der großen Bühne?

Damit haben Leatherwolf keine Probleme. Mit dem ehemaligen Crimson Glory/Seven Witches-Sänger Wade Black am Micro, legen die alten Knochen einen sehr souveränen und vielbejubelten Gig hin. Zwar sind die Bewegungsabläufe bei Mr. Black etwas gewöhnungsbedürftig, aber als Sänger und Frontmann macht der Kerl einfach immer noch richtig was her.

Dann müssen aber schon die Jungs auf die Bühne, auf die ich mich am meisten gefreut habe. Flotsam & Jetsam sind nach über neun Jahren endlich wieder in Deutschland und legen sich von Anfang an richtig ins Zeug. Vor allem Sänger Eric A.K. ist nach wie vor ein genialer Sänger, auch wenn er hin und wieder bei "Escape Form Within" mal neben dem Ton liegt. Für Edward Carlson steht der ehemalige Ur-Gitarrist Michael Gilbert auf der Bühne, der etwas blass bleibt, die Songs aber äußerst souverän zockt. Für Bewegung sorgen dafür Eric und Basser Jason Ward, dem man den Spaß deutlich anmerkt.

Vengeance müssen ohne uns auskommen, und auch Raven krächzen ohne Beistand von laut.de von der Bühne, machen aber nach vertrauenswürdigen Zeugenaussagen eine durchaus ansprechende Figur (zumindest, wenn man mit dem Zeug aufgewachsen ist). Dafür lässt der Eingangsbereich zum Pressezelt schon böses vermuten: überall kleben inzwischen kleine, wohlbekannte Abandoned-Sticker. Kaum hat man am Bierstand mal seine Umgebung aus den Augen gelassen, schon hängt einem entweder Kalli oder Günth im Kreuz und es schallt einem das altbekannte 'Hut ab!' entgegen (Irgendwann schaff ich es noch einzuführen, dass bei Sichtung eines Abandoned-Muckers sofort der Schlachtruf 'Pöbel im Haus!' angestimmt wird). Zwischendrin sprayt ein Airbrush-Künstler immer mal wieder ein paar Hupen an und erfreut damit zumindest die meisten Fotografen.

Im Gegensatz zum Rock Hard Festival scheint der Mountain King auf dem Bang Your Head noch nicht voll wie ne Strandhaubitze zu sein. Vom Leibesumfang fühlt man sich zwar immer noch an Free Willy erinnert, doch stimmlich lässt sich an Jon Olivas Leistung nichts aussetzen. Für sein Gewicht doch recht agil walzt der Mann über die Bretter und macht Appetit auf die im September erscheinende, zweite Scheibe seines Soloprojekts. Da aber schon das Interview mit Flotsam & Jetsam ansteht, bekommen wir nur die ersten drei Songs von vorne mit.

Dafür sind wir rechtzeitig zu Death Angel wieder vor der Bühne und bekommen einen bestens aufgelegten Mark Osegueda mit, der wie zwei Jahre zuvor eine großartige Show hinlegt. Der Mann wetzt ständig über die Bühne, schwenkt seine beeindruckenden Dreadlocks und erzählt dauernd, wie 'beautiful' das Publikum doch sei. Gleiches kann man von Gitarrist Rob Cavestany leider nicht mehr sagen, denn der Mann steht inzwischen mit einer modischen Kurzhaarfrisur da. Dafür post Basser Dennis Pepa wieder wie kein Zweiter und an der Qualität der Songs gibt es eh nichts zu meckern. Als Mark in späteren Verlauf des Gigs auch noch das Hemd lüftet, ist bei den anwesenden Mädels wohl kollektives Höschen-befeuchten angesagt.

Helloween treten schließlich vor einem beeindruckenden Backdrop mit dem Cover des letzten Albums und mit zwei in Kutten gehüllten Schaufensterpuppen am Drumset auf. Zumindest im Fotograben ist die Stimme von Sänger Andi Deris kaum zu hören, im Publikum scheint das jedoch anders auszusehen. Die Kürbisköpfe bieten einen tollen Gig, der kräftig abgefeiert wird. Hits haben sie in ihrer Karriere mehr als genug geschrieben, und auch überlange Nummern wie "Halloween" oder "The King For A 1000 Years" finden ihren Platz in der Setlist. Die Performance von Michael Weikath mag nicht jedermanns Sache sein, und sein Kollege Sascha Gerstner wirkt etwas statisch. Dafür scheint Andi jeden Fan persönlich zu kennen oder zumindest begrüßen zu wollen und kommt aus dem Dauergrinsen gar nicht mehr raus. Das kann ihm nach dem gelungenen Auftritt aber auch keiner verübeln. Als besonderer Special Guest kommt zum Abschluß des Gigs Tony Martin (Ex-Black Sabbath) auf die Bühne und stimmt mit der Band "Headless Cross" an.

Wer wie ich eher der Meinung war, dass mit Foreigner gefühlte 300 Jahre auf die Bühne kommen, muss sich schnell eines Besseren belehren lassen. Zwar stehen hier stellenweise tatsächlich Herren auf der Bühne, die sich vielleicht sogar schon in die dritte Generation fortgepflanzt haben. Das ändert jedoch nichts daran, dass Foreigner mehr als nur ordentlich rocken. Natürlich sind es vor allem die Hits wie "Urgent" oder "Juke Box Hero", welche beim Publikum für Begeisterung sorgen, doch auch jenseits der bekannten Nummern überzeugen die Engländer mit einer tollen und unterhaltsamen Performance. Basser Jeff Pilson und Sänger Kelly Hansen präsentieren sich dabei als agile Entertainer und auch wenn sich Leadgitarrist Mick Jones nur auf wenigen Metern bewegt und ein Minenspiel hat wie drei Tage Darmverstopfung, begeistert der Mann doch durch sein tolles Spiel.

Tja, Anders, am Freitag Abend noch so ne große Klappe gehabt und am Samstag dann mit nem 2:0 nach Hause gefahren. Schade auch, harharhar! So geil der Gig von In Flames auch war, die Fußballsprüche hätte sich der Fronter lieber verkneifen sollen. Genauso einen Großteil von seinen übrigen Erzählungen, die eher in den Bereich 'unnötiges Rauschen' fallen. Dafür machen sie in Sachen Lightshow und Pyros keine Gefangenen und bieten dem Publikum eine sehr gute Show. Mit den Fotografen haben sie jedoch kein Mitleid und liefern nur Beleuchtung von hinten – die aber auf höchstem Niveau. Ein oder zwei Pyros sollte man dem Sänger allerdings mal in die Schuhe stopfen, damit es ihn aus seinen rot-schwarz gestreiften Ringelsocken schießt, doch ansonsten gibt es an dem Gig der Schweden nichts auszusetzen. Die Songs knallen live alle ohne Ende, und die Band ist ständig in Bewegung. Da leider schon um elf Schicht im Schacht sein muss, bleiben natürlich einige Songs auf der Strecke. Die Schweden haben jedoch einmal mehr bewiesen, dass sie zumindest auf der Bühne durchaus im weltmeisterlichen Format spielen.

Samstag

Wie war das? Shit, shave and shower? Naja, immerhin zwei von drei, den Mörtel schab ich mir erst wieder nächste Woche aus'm Gesicht. Die Isomatte hält doch etwas länger fest als erwartet, ein kurzer Besuch bei der Verwandtschaft um die Kinder zu erschrecken und ein Frühstück abzustauben und pünktlich zur dritten Band Victory steh ich im Fotograben. Powerwolf haben wohl wieder alle Register in Sachen 'Jenseits des Verstandes' abgezogen und auch Anvil haben eigentlich noch nie enttäuscht.

Während ich mir ursprünglich auch bei den deutschen Urgesteinen noch gern 'ne Brezel in den Mund geschoben hätte, überzeugt mich mein Kumpel aber von den Qualitäten der Band. Diese haben ja Anfang des Jahres ein paar Klassiker mit ihrem neuen Sänger Jioti Parcharidis neu aufgenommen und legen richtig gut los. Vor allem der neue Mann am Micro drückt den Altersdurchschnitt nicht nur um einiges nach unten, sondern legt auch eine verdammt gute Gesangsleistung und Performance hin. Man darf durchaus auf das erste, richtige Album nach der Reunion gespannt sein.

Waren Communic als Trio auf der großen BYH-Bühne schon nicht sonderlich spannend, so sind Raven wirklich zum einschnarchen. Klar, die alten Herren sind Doom-Legenden und dass da nun mal nur drei Akkorde pro Minute kommen, liegt einfach in der Natur der Sache. Aber irgendwann geht uns zwischen Schnarch und Gähn doch die Motivation flöten und da der Mund vom Gähnen eh schon offen ist, gießen wir doch gleich mal ein Bier hinterher.

Das ist aber ratzfatz im Hals verschwunden, als die nächsten Schweden von Unleashed auf die Bretter stiefeln. Anstatt sich mit langem Gelaber über das anstehende Spiel gegen Deutschland auszulassen, legen Johnny Hagel und seine Jungs direkt los. Obwohl die Sonne strahlt und manch einer schon mit Verbrennungen dritten Grades durch die Gegend stolpert, hat man den Eindruck es wird dunkel und die Wikinger brechen über einen herein. Technische Spielerein gibt's woanders, hier mähen vier Schweden einfach alles platt, was noch im Weg steht. Das Publikum zeigt sich euphorisch, und da die Vorbands zeitig Schluss gemacht haben, dürfen Unleashed sogar noch für eine Zugabe zurückkommen.

Genauso, wie es die Organisatoren geschafft haben, mit Flotsam & Jetsam eine Band auf ihre Bretter zu holen, die schon seit Jahren nicht mehr in Deutschland war, so gelingt ihnen das selbe Glanzstück auch mit Armored Saint. Der bei Anthrax so unrühmlich geschasste John Bush läuft im roten Deutschlandtrikot auf und hat allein damit eigentlich schon gewonnen. Da die Band aber zusätzlich über jede Menge großartiger Songs verfügt, Bush zu einem der begnadetsten Sänger auf diesem Planeten zählt und Basser Joey Vera eine Mimik hat wie kaum ein Zweiter, steht ein wahrer Triumphzug an. Allein John Bush ist schon das Geld wert, denn der kleine Kerl hat wirklich eine außergewöhnliche Stimme und kommt vor allem absolut sympathisch rüber. Und das sag ich nicht nur wegen dem Trikot. Bitte Jungs, da ist ne neue Scheibe echt Pflicht!

Das trifft allerdings auch auf Pretty Maids zu, die relativ kurzfristig ins Line-Up gerutscht sind, aber wirklich jedes Festival bereichern. Das neue Album müsste ja eigentlich schon seit einiger Zeit fertig sein, und da auch wieder ein Label zur Hand ist, stehen die Zeichen auf Sturm. An den Keys hilft Morten Sandager von Mercenary aus und Drummer Allan Tschicaja von Royal Hunt hat sich auch gut eingewöhnt. Was soll man zu Urgesteinen wie Sänger Ronnie Atkins und Gitarrist Ken Hammer noch sagen? Die Herren sind vielleicht auch nicht mehr die jüngsten, zeigen aber so manchem, jungen Hüpfer noch wo's lang geht und wie man einfach guten Heavyrock zum Besten gibt.

Wer jetzt ernsthaft erwartet, dass hier irgendwas zu Y&T oder zu Rik Emmett kommt, der ist vermutlich ähnlich sportlich wie Redaktionsmoppel Mengele. Sorry Leute, aber es ist kurz vor fünf, und der Eddy sitzt genau wie fast alle anderen Pressefuzzies im rappelvollen Pressezelt und schaut der Klinsmann-Elf zu, wie sie den Schweden den Weg zu IKEA erklärt. In der zweiten Halbzeit seh' ich mich auf einmal von Unleashed umzingelt, die sich neben mir auf dem Boden vor’m Breitwandfernseher flegeln. Drummer Anders Schultz reagierte auf meine nett gemeinte Frage, ob er den verschossenen Elfmeter noch mal in der Zeitlupe sehen will mit einem freundlichen 'Fuck you!', während Gitarrist Fredrik Folkare kurzerhand die Möglichkeit nutzt, um einfach mal hackedicht nach hinten umzukippen. Auch 'ne Art, seinen Protest zu äußern. Die anderen nehmen's locker und auch als Fredrik wieder einigermaßen stehen kann bleibt die Stimmung konstant gut.

Da geht man doch ganz entspannt an den Auftritt von Stratovarius ran, doch im Lager der Finnen mit deutsch-schwedischer Unterstützung scheint tatsächlich wieder alles im Lot und Friede, Freude Eierkuchen zu sein. Basser Lauri Porra hat sich gut in die Band eingelebt und sucht häufig die Nähe von Keyboarder Jens Johannson (der die Niederlage der Schweden doch ein wenig betrauert) und auch zu Gitarrist Timo Tolkki. Der steht in ner hellen Jogginghose auf der Bühne und macht allgemein eher den Eindruck, als ob er so schnell wie möglich wieder heim auf's Sofa will. Dafür sind seine Bandmitglieder umso besser aufgelegt und wenn Lauri nicht gerade Jens Trost zuspricht, wetzt er eigentlich ständig über die Bühne und ist absoluter Aktivposten bei den Skandinaviern. Timo Kotipelto post mal wieder wie ein ganz Großer und ist stimmlich ebenfalls in Hochform. Tolkki hat es zwar, wie gesagt, nicht so mit der Bewegung, an seinem Gitarrenspiel gibt es allerdings nichts zu meckern.

Wie gern würde ich das auch über den Auftritt von Whitesnake sagen, aber das wäre leider gelogen. Eigentlich sollen die Herren um zwanzig nach neun auf der Bühne stehen, doch um viertel vor zehn warten wir immer noch darauf, endlich in den Fotograben gelassen zu werden. Als wir endlich drin sind dauert es noch ein paar Minuten ehe tatsächlich David Coverdale und Co. auf die Bühne treten. Hier bekommt das Wort posen natürlich ganz neue Dimensionen, denn nicht nur Uns-David dürfte für manchen, feuchten Slip bei der anwesenden Damenwelt gesorgt haben. Immerhin können sich auch Gitarrist Doug Aldrich und Basser Uriah Duffy durchaus sehen lassen. Ob das bei Drummer Tommy Aldridge auch der Fall ist, kann ich nicht beurteilen, da man von dem hinter seinem Drumkit lediglich die aufgesprayte Frisur sieht. Souverän agieren die Herren alle und was die Band an Hits auffahren kann, ist nun mal kaum von der Hand zu weisen. Doch das Alter scheint auch hier mehr und mehr seinen Tribut zu fordern, denn man muss nicht nur ein ausuferndes, oft auch sinnfreies Gitarrensolo über sich ergehen lassen. Nein, zusätzlich kommt noch ein schnarch-langweiliges Drumsolo dazu. Tatsächlich machen Whitesnake auch schon fünf Minuten vor dem offiziellen Zapfenstreich Schluss und verschwinden von der Bühne. Macht also alles in allem gerade mal ne knappe Stunde Spielzeit vom Headliner des Samstags.

Im Publikum sieht man somit auch mehr als nur ein fragendes Gesicht, doch die werden wie immer nach dem abschließenden Feuerwerk zügig vom Gelände getrieben. Im Pressezelt gibt es noch ein kleine From Dusk Til Dawn-Show mit zugehöriger Schlange. Bevor die Dame jedoch zum den Huf zum Whiskey nuckeln ansetzen kann, machen wir uns lieber auch vom Acker.

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Artistinfo

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