24. März 2011
"Ein echtes Benefizkonzert für Japan wäre das Richtige"
Interview geführt von Ulf KubankeNach dem letztjährigen Jubiläum geht es mit Volldampf weiter. Deutschlands Rocker mit ihrer Vorliebe für das dunkle Zeitalter starten durch und katapultieren ihr neues Album "Sterneneisen" an die Spitze der Charts. Was hat sich geändert? Wie geht es der Stimme des Sängers? In diesen apokalyptischen Tagen können selbst die Entertainer den frisch entdeckten Realismus nicht vor der lyrischen Tür lassen. Mit gewohnt klaren Worten trennt Frontman Michael Robert Rhein die Spreu vom Weizen und plaudert aus dem ledernen Nähkastchen.Moin Micha!
Micha: Hi Ulf!
Am Ende unseres letzten Gesprächs hast Du auf meine Frage, wie es denn weiterginge, gesagt, es werde sich etwas verändern und man solle einfach mal überraschen lassen.
Micha: Habe ich das echt gesagt?
Ja.
Micha: Na dann…..und….
Und nun hat sich ja tatsächlich einiges bei euch verändert. Die neue CD "Sterneneisen" klingt tatsächlich etwas anders als gewohnt. Werdet ihr langsam eine erwachsene Rockband?
Micha: Ah, das würde ich so nicht sagen. Wir werden doch nie erwachsen. Das Wort klingt auch so uninteressant. Aber natürlich entwickeln wir uns einfach weiter. Das ist auch das Gute an der Band. Das soll doch auch so sein. Du sagst es in deinen Reviews doch auch. Man kann eine CD doch nicht eins zu eins wiederholen. Das ist doch wie im Leben. Jeder Mensch sollte aufpassen, nicht stehen zu bleiben. Und so entwickelt sich die Musik parallel eben auch weiter. Das ist auch gar nicht immer so bewusst. Da steht man manchmal davor und reibt sich hinterher überrascht die Augen.
Diesmal stehen deutlich die klassischen Rockelemente von zart bis hart im Vordergrund. Das Gezupfe und Gefolke bleibt etwas mehr im Hintergrund als ehedem. Aber schön pointiert und nicht so zugekleistert wie mitunter früher. Sind das die Lehren der Akustik-Gigs? Plugged die grobe Gitarrenkelle; Unplugged die filigrane Seite?
Micha: Das hast du schon richtig erkannt. Solche Erfahrungen spielen natürlich eine nicht unerhebliche Rolle. Aber so etwas haben wir uns zunächst gar nicht vorgenommen. Wir haben ganz ohne Vorgaben angefangen zu arbeiten. Ohne jede Ahnung, was am Ende dabei herauskommt. Aber eigentlich ist das bei jeder unserer Platten so. Wir machen vorher nicht den großen Masterplan. Das wäre zu unspontan und schlecht für die Kreativität. Aber wenn du jetzt sagst, dass die mittelalterlichen Instrumente im Hintergrund sind, sehe ich das ganz anders. Das sagt uns doch jeder bei jeder aktuellen Platte.
Ich bin ja nicht jeder.
Micha: Klar, da hast du wirklich recht. Aber dennoch muss ich betonen: da steht nichts im Hintergrund. Das ist schon gleichbertechtigt. Rock und Mittelalter. Nimm doch nur mal den Dudelsack. Der ist doch hier zu hören, wie auf anderen CDs auch. Das ist alles nur ein wenig kompakter.
Ich meinte mit 'Hintergrund' auch keine Degradierung. Eure zwei Seelen wirken einfach besser abgestimmt; homogener. Da hält sich jeweils eine Seite wohltuend zurück, wenn die andere loslegt. Und zurückhaltend klingen die Gitarren, Bass und Drums doch ganz und gar nicht
Micha: Gut, da kannst du natürlich recht haben. Mal sehen, wie sich das noch entwickelt, wenn wir die Sachen ausgiebig live bringen.
Und was ist mit euren Texten passiert? "Auge Um Auge" als Kommentar zur Todesstrafe oder auch "Stalker" trumpfen mit einer gehörigen Portion Realismus auf. Warum nun doch der Gegenwartsbezug und das Politische? Beim letzten Gespräch wurdest du nicht müde, zu betonen, dass ihr reine Entertainer seid, die so etwas bewusst außen vor lassen.
Micha: Das ist – wie ich schon sagte – ganz automatisch gekommen. Wobei gerade "Auge Um Auge" eher die reuige Seite des Mörders zeigt. Dieses 'Was habe ich dem anderen eigentlich angetan? Wäre ich nur ein Kind geblieben!' Das ist, wenn du so willst, ja eher psychologisch. Das würde ich an deiner Stelle jetzt gar nicht so politisch sehen. Klar liegt das schon nahe, wenn man nach Amerika schaut. Aber hier geht es schwerpunktmäßig eher um das Hinterfragen der Tat.
Verstehe. Aber beim Hörer kommt das schon anders an. Als solcher nimmt man doch eher wahr, dass für euch die Todesstrafe pöbelhaft-grausam ist und definitiv ein Relikt früherer Tage sein sollte, was leider nicht der Fall ist. Wäre euch solch eine naheliegende Interpretation als Statement denn nicht recht?
Micha: Doch klar. Das muss ich natürlich betonen. Wir sind absolut gegen die Todesstrafe. Ich bilde mir aber nicht ein, dass unser Lied da etwas ändern wird.
Das wäre in der Tat eine Überraschung. Und "Stalker"? Sehr viel 21. Jahrhundert im Text. Zumindest für eine Mittelaltercombo.
Micha: Da darfst du aber nicht vergessen, dass so ein Thema als Problem zeitlos ist. Das hat es doch immer schon gegeben. Nur der Begriff ist neu. Das sind doch nicht nur die Zeitungen von heute, die voll damit sind. Aber das hätte natürlich auch ausgereicht. Guck dir das doch mal an. Solche dummen Arschlöcher, die Frauen hinterherstellen, tagelang beobachten und spannen. Das ist doch einfach die Krankheit der Menschen. Und die waren immer schon krank. Das gab es alles früher auch schon. Nur weil wir unsere mittelalterlichen Rockwurzeln nicht verleugnen, kann man uns doch nicht verbieten, auch mal was aktuell immer noch Schlimmes zu thematisieren. Das ist mir schon wichtig. Wir schlafen ja auch nicht auf dem Feld oder in einer alten, feuchten Hütte, weißte.
Ich hoffe es für euch.
Micha: Es ist doch so. Wir haben die ganze Mittelaltergeschichte in der Musik doch salonfähig gemacht. Guck dich um. Auf einmal spielt eine ganze Szene mit 1000 Bands Dudelsack. Da waren wir der Vorreiter. Und nun wagen wir uns einfach mal an ganz andere Sachen heran. Da werden uns mal wieder viele belächeln. Andere sagen 'Oh Gott, Verrat! Wie könnt ihr denn so was machen?'. Aber hinterher kommen dann in sechs Monaten wieder mal 50 neue Bands heraus, mit denselben Themen. Absurd!
Also gegen die Vereinnahung der Band durch Szeneklischees? Würdest du den Satz in meiner Sterneneisen-Review 'In Extremo ist eine Rockband. Alles andere ist Corvus Corax' unterschreiben?
Micha: (lacht) Ja klar sind wir unabhängig von der Szene. Das heißt aber nicht, dass wir diesen Teil von uns jemals verleugnen werden. Uns geht es ganz einfach um Freiheit. Das schließt auch die eigene Freiheit in der Musik mit ein.
"In der DDR habe ich in einer Bluesband gespielt"
Und wie ist es derzeit um deine Stimme bestellt?Micha: Sehr gut. Warum fragst du?
Na komm. Einerseits das zugegeben geil Tom Waitsige Gekrächze. Andererseits denke ich mir sicherlich nicht als einziger: So richtig gesund kann das auf Dauer doch auch nicht sein.
Micha: Tja…, weißt du. Das ist einfach so bei mir. Du darfst ja nicht vergessen. Ich singe auf der Platte ja auch die ganzen Chöre und hohen Pasagen ein. So kann der eine eben gut Gitarre spielen, und der andere kann ganz gut mit der Stimme umgehen. Oder auch nicht.
Wir müssen uns also keine Sorgen machen, dass die sehr beansprucht klingenden Stimmbänder demnächst kaputt gehen?
Micha: Natürlich nicht. Das ist alles in Ordung. Man ist als Sänger vor solchen Komplikationen ja nie gefeit. Aber das wollen wir ja nicht hoffen. Ich habe wirklich schon immer so gesungen und versuche mich da auch weiter zu entwickeln; wie zB mit den Chören. Als Künstler muss man einfach auch mal mutig sein und etwas zulassen, was Neuland ist.
Im Grunde schreit dann doch die gesamte Klangfarbe deiner Stimme danach, mal ein richtig erdiges Blues-Projekt zu machen. Hast du in solch eine Richtung schon mal überlegt?
Micha: Du wirst es nicht glauben. Als junger Mann habe ich in der DDR ungefährt 5-6 Jahre in einer Bluesband gespielt.
Tatsächlich?
Micha: Ja, wirklich. Ich komme ursprünglich eigentlich aus dem Blues, Rock und Punk. Eigentlich war das so richtiger Schweinerock mit vielen Blueselementen. Was ich mir vorstellen könnte: Ich würde gern mal Chansons machen.
Geile Idee. Eher selbst verfasstes oder die Klassiker von Brecht bis Brel?
Micha: Teils so, teils so. Oder auch das Thema Lieblingsballaden. Einfach nur ein Klavier; dazu eine Akustikgitarre und Gesang. Könnte ich mir wirklich gut vorstellen. Ich hab ja auch schon ein paar Sachen mit Götz Alsmann gemacht. Den haben wir zu unserem 15 Jahres-Jubiläum eingeladen. Da haben zusammen den "Spielmann" nur mit ihm am Klavier gebracht. Das war geil und hat auch großen Anklang gefunden. Ein paar Wochen später hat er mich dann zum Konzert seiner Jazzband eingeladen. Da haben wir das noch einmal gemacht. Musste dir echt vorstellen. Da saßen im Publikum nur Bürgermeister und Professoren herum. Und genau die haben den Götz danach bestürmt und gesagt: Das war so geil! Das war der Hammer. Sowas freut einen so sehr. Unbeschreiblich.
Ihr selbst habt ja auch recht unterschiedliche Gäste auf der neuen Platte. Kreators Mille Petrozza passt ja schon ins gut ins raue Bild. Und auf der anderen Seite den unheiligen Grafen. Warum lädt man sich denn ausgerechnet den Mann ein, dessen gesamter Backkatatalog der letzte fehlende Sargnagel für die komatöse schwarze Szene verkörpert, in Klischees erstarrt und musikalisch eher überschaubar ist? Mit "Hol Die Sterne Aus Der Ferne" könnt ihr euch doch gleich im ZDF Fernsehgarten anmelden.
Micha: Ach, nun sieh das mal nicht so eng. Den Grafen kennen wir ja schon seit zehn Jahren. Wir haben schon auf vielen Festivals zusammen gespielt. Und er hat noch nie ein Featuring gemacht. Der Song war als einer der ersten fertig. Da haben wir gemerkt: Da passt der Graf drauf.
Also kein Succes-Hopping, weil er derzeit angesagt ist?
Micha: Nein, nein, wir kennen den wirklich gut und lang. Der ist wirklich ein echter Spielmann und zieht genau das durch, was er geil findet. Der hat sich auch nicht verändert. Ist immer noch der gleiche bodenständige Typ wie am Anfang. Das kann ich dir versichern. Solche Musiker – egal ob Thomas D, Alsmann oder der Graf – die zollen uns ja Respekt. Und wir ihnen. Das macht total Spaß und ist einfach das Schöne daran. Vor allem in Deutschland wird so etwas häufig kritisiert. Da heißt es dann: So was hättet ihr früher nicht gemacht; macht doch mal wie früher! Dieses ganze Früher war alles besser-Ding konnte ich noch nie nachvollziehen. Warum das ausgerechnet in unserem Land so ist? Ich weiß es auch nicht. Andere Länder sind da weniger verkrampft.
Ich seh schon, musikalische Engstirnigkeit bringt dich so richtig auf 180.
Micha: (kommt langsam in Fahrt) Ach, das ist doch auch schlimm! Ich kann mich erinnern. Da haben vor längerer Zeit Silbermond von uns einen Song gecovert. Wie haben die Leute geschimpft. Ich dachte damals zwar auch, das wäre eine typische Teenieband. Aber dann hab ich die mal live gesehen. Da waren die 19 oder so. Da ist mir echt die Kinnlade runter gefallen. Wenn ich mit 19 Jahren so Musik hätte machen können, wäre ich froh gewesen. Meinen allertiefsten Respekt! Die Öffentlichkeit soll doch ruhig mal aufhören zu nörgeln. Einfach mal was zulassen. Ist doch nicht verboten. Die Allerschlimmsten sind aber die, die immer nur Scheiße sagen, weil andere es ihnen schon vorgebetet haben. Nee, echt mal jetzt, Ulf. Das ist doch manchmal wirklich furchtbar hierzulande. Ich hab’ da echt keinen Bock drauf.
Und bei …
Micha: (so richtig in Fahrt) Nee, wart mal noch kurz. Und der Mille Petrozza. Ja, bei dem klopfen sie uns alle auf die Schulter, weil er so ein harter Knochen ist. Aber ich sage dir: Es gehört auch ein wenig Mut dazu, einfach mal eine kleine Ballade zu machen, die für unsere Verhältnisse etwas schlagertös ist. Oder auch "Gier". Weißte, das spielen wir dann in Wacken vor 80.000 Menschen. Da stehen dann 50 Reihen lang die härtesten Heavy Metal Typen vor uns. Die nehmen bei solch einem Lied einfach mal ihre Frauen in den Arm und weinen vor Rührung. Diese Leute sind wirklich mutig und nicht so kindisch wie der Meckerverein. Da gehört nämlich auch ein echtes Standing dazu, so ein ehrliches Gefühl einfach mal in der Öffentlichkeit zuzulassen. Die Eier hat auch nicht jeder.
Wo du gerade die Festivals ins Spiel bringst. Angenommen, es käme jemand und lädt euch ein, ein großes Anti-AKW-Rockfest zu beschallen. Würdet ihr euch vor solch einen Karren spannen lassen, wenn es das richtige Thema wäre? Oder ist das wieder zu politisch?
Micha: Man soll doch niemals nie sagen. Das wäre in der Tat ein Thema, wo wir uns das sicherlich grundsätzlich vorstellen könnten. Aber bitte nicht so ein selbstgerechter PR-Scheiß. Da stehen wir nicht zur Verfügung. Ein echtes Benefizkonzert, z.B. für Japan, das wäre das Richtige. Es muss die Sache und die Hilfe im Vordergrund stehen. Da ist meine persönliche Meinung auch kompromisslos. Auf die Straße gehen und demonstrieren können wir alle später. Jetzt müssen wir alle erst einmal den Menschen dort hinten helfen. Alles andere läuft ja nicht weg.
"Ihr seid in meinen Augen nichts anderes als dreckige Lügner!"
Nun hast du mir ja schon beim letzten Mal verraten, dass ihr privat sehr politisch denkende Charaktere seid.Micha: Ja, ist doch klar.
Sag das nicht. So natürlich ist das nicht unbedingt. Es gibt nicht wenige Beispiele unter erfolgreichen Musikern, bei denen man merkt: Da ist leider so gar nichts dahinter. Es regiert die pure Oberflächlichkeit. Da hab ich schon einiges erlebt. Gruselig! Deshalb frage ich euch ganz bewusst.
Micha: Ach, da könnten wir beide jetzt stundenlang loslegen. Ich kenne so was leider auch zur Genüge. Da musst du dir mal den Spaß machen und auf Festivals einfach mal die Leute in der Catering-Zone backstage beobachten. Da ist es dann bei solchen Themen oft so: Die kleinsten Bands, die die wenigsten Platten verkaufen, haben die größte Schnauze und die meisten Starallüren. Das kann man sich dann nicht lange geben. Ich mein, klar: Nochmal zu dem Grafen. Bitte versteh mich nicht falsch. Natürlich spielt bei einer solchen Zusammenarbeit das Business auch eine Rolle. Das kann ich nicht anders sagen. Sonst würde ich ja lügen.
Du meinst: jede Band würde gern Global Player sein?
Micha: Ach klar. Alles andere ist doch diese leider total weit verbreitete Heuchelei. Das ist doch in Wahrheit bei Musikern nicht anders als bei dir als Journalist. Du möchtest doch sicherlich auch, dass die eigenen Zeilen, die du schreibst, möglichst von der ganzen Welt gelesen werden?
Ich würde mich nicht lange wehren.
Micha: Siehst du! Und so geht es einem Musiker doch auch. Natürlich möchte ich, dass unsere Musik jeder hört und zwar gerne hört. Wenn ich dann Bands sehe, die ungefragt dauernd krakeelen: Wir wollen das gar nicht. Wir wollen nicht bekannt und beliebt werden. Dann sage ich denen ganz offen: Ihr seid in meinen Augen nichts anderes als dreckige Lügner!
Ich erinnere dich noch mal daran, dass das alles hinterher eins zu eins so zu lesen sein wird.
Micha: Ach du weißt doch. Ich stehe zu allem, was ich sage. Wir haben im Laufe der Jahre so viele Bands kennen gelernt, die allen Ernstes erzählen: Och, wir wollen doch gar nicht bekannt werden. Wir wollen lieber im Proberaum spielen und vor 50 Leuten. Ja, dann können die das ganze doch gleich sein lassen. Da kannste dann echt lieber arbeiten gehen. Ist doch wahr.
Falsch verstanderer Indie-Stolz in seiner Eigendynamik als totale Lächerlichkeit und Selbstdemontage?
Micha: Genau das. Kann ich nur bestätigen.
Was hältst du von jenen, die recht jetzt zahlreich und stereotyp Judith Holofernes von den Helden jetzt vorwerfen, sie habe abgezockt und PR-gierig eine Absage an die Bild gemacht, weil sie sich nur in den Promo-Vordergrund spielen möchte?
Micha: Kann man doch gar nicht ernst nehmen, solche Stimmen. Da macht jemand das Richtige und macht darauf aufmerksam. Es wird immer Leute geben, die glauben, den Künstler nur für das eigene Wohnzimmer gemietet zu haben. Und wenn der Musiker – bildlich gesprochen – nur mal auf den Balkon geht, ist er schon ein Verräter. Aber das muss einem einfach am Arsch vorbeigehen. Sonst gehste echt kaputt im Showbiz. Aber jeder in unserer Band kann morgens in den Spiegel gucken. Das ist sehr wichtig.
Spätestens jetzt seid ihr in der Rockliga eine deutsche Institution geworden. Fühlt es sich nicht auch ein wenig merkwürdig an, sich zischen Westernhagen, Pur und den Ärzten als echte Ochsentour-Band wieder zu finden? Ist eure Mentalität nicht doch sehr unterschiedlich als bei jenen, die so starmäßig unterwegs sind?
Micha: Ach nein, das täuscht oft auch ein wenig. Man kennt sich halt und es kochen doch alle nur mit Wasser. Ich mein’, den Westernhagen kenn’ ich jetzt nicht persönlich. Aber die meisten auf dem Level sind privat auch sehr ok. Viele sind sich – wie wir – durchaus bewusst, dass sie auch eine gehörige Portion Glück hatten und zur rechten Zeit zufällig am rechten Ort waren. Das sieht immer so anders aus von außen, weil die alle schon lange dabei sind. Aber gerade Leuten wie den Ärzten hat ja keiner was geschenkt. Das ist intern eigentlich alles sehr entspannt und erfrischend neidlos.
Am Ende kochen alle nur mit Wasser. Ihr hingegen kocht euer H2O inzwischen auf Tour weltweit. Während alle Welt international gesehen von Rammstein und Tokio Hotel spricht, räumt ihr für eure Verhältnisse recht still und heimlich den Globus ab. Wohin diesmal?
Micha: Südamerika ab Herbst. Spanien, Portugal, Osteuropa samt Russland/Ukraine und so einiges mehr. Und siehst du. Das gehört auch dazu. Wir sind nicht die Leute, die sich das ne eins auf den Rücken schreiben; nach dem Motto: Hey, schaut mal, wo wir schon überall waren. Deshalb bekommt man das in Deutschland gar nicht so mit. Wenn wir in Mexico oder Russland spielen, dann hauen mich die Ausmaße mit zigtausend Leuten selbst heute noch immer um. Wahnsinn!
Ist das internationale Publikum auch textsicher?
Micha: Du glaubst es nicht. Die singen so gut wie alles mit. Von vorne bis hinten. Das war vor allem in China extrem beeindruckend. Gänsehaut!
Hast du da nicht zu kämpfen, dass es dir auf der Bühne vor lauter Rührung nicht die Sprache verschlägt?
Micha: Das ist schon manchmal irre. Ich muss dazu noch aber noch mal sagen. Natürlich arbeiten wir dafür auch hart. Aber ich bin mir durchaus bewusst, dass wir mit unserer Karriere trotz des eigenen Könnens auch viel Glück hatten. Und deshalb habe ich vor einem Krankenpfleger, der nem alten Mann den Arsch abwischt mehr Respekt als vor jedem Musiker.
Lieber Micha, ich danke dir für das schöne Gespräch.
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