laut.de-Kritik
In Flames tragen dem jungen Publikum Rechnung und spielen schon nachmittags.
Review von Michael EdeleLustige Sache irgendwie. Man dürfte sich im Schlachthof Wiesbaden sehr deutlich darüber im Klaren gewesen sein, welche Art Publikum man mit einem Package aus In Flames und Sonic Syndicate anzieht. Entsprechend wurde die Hallenöffnungszeit auch schon auf 17:00 gelegt, damit das vorwiegend recht jugendliche Publikum auch noch vor dem Zapfenstreich wieder daheim bei den Eltern ist.
Das ändert nichts daran, dass der Schlachthof ratzekahl ausverkauft ist und sich die Massen schon vor dem Eingang drängen. Trotz leichter Verspätung bei den Öffnungszeiten stehen Sonic Syndicate rechtzeitig auf der Bühne und vor einer schon zu gut drei Vierteln gefüllten Halle, die auf die Performance der Senkrechtstarter aus Schweden entsprechend enthusiastisch regiert.
Auf der Bühne steht auch schon das Drumset von den nachfolgenden Gojira, was es für das Sextett ein wenig eng macht, aber Sonic Syndicate posen sowieso alle mit Vorliebe am Bühnenrand und legen eine nicht zu verachtende Spielfreude an den Tag. Die Songs vom neuen Album kommen dabei genauso gut an, wie die vom Vorgänger - das vorwiegend junge Publikum frisst den Youngsters aus der Hand.
Wer oder was Gojira sind, wissen wohl die wenigsten Anwesenden, und wenn es in der ersten Reihe tatsächlich ein paar Leute mit bereits sprießender Schambehaarung gab, hat sich das nach dem ersten Song der Franzosen vermutlich erledigt. Die rasieren mit ihren Riffs nämlich messerscharf nach vorne weg und zeigen allen Anwesenden, dass es auch gute Musik jenseits des gängigen 4/4-Taktes gibt.
Brachial, kompromisslos und tight wie ein Uhrwerk nutzen Gojira ihre 45 Minuten und geben schon einen Vorgeschmack auf das zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichte Album "The Way Of All Flesh". Zwar bekommt Sänger und Gitarrist Joe direkt nach dem Auflauf auf die Bühne einen leeren Plastikbecher ab, doch schon nach wenigen Minuten haben er und seine Jungs den Großteil des Publikums zumindest von ihren spieltechnischen Fähigkeiten überzeugt. Bei den Hit-Melodien kann das Quartett mit den beiden Schweden-Bands zwar nicht mithalten, doch in Sachen Spieltechnik bleiben hier einige Kinnladen auf dem Boden.
In Flames bleiben – genau wie Bullet For My Valentine an gleicher Stelle im Februar – erst einmal ein wenig versteckt und spielen ihr überlanges Intro hinter einem weißen Leintuch. Als dieses gefallen ist, gibt es erst einmal den Blick auf eine recht schlichte Bühne frei, die seitlich und im Hintergrund weiterhin von schwarzen Tüchern verhangen ist. Erst im Laufe des Gigs fallen auch diese, und man sieht, dass es Metallica-like einen Steg hinter dem Drumset gibt, zu dem zwei Treppen hinauf führen. Sonderlich oft treibt sich dort allerdings keiner der Musiker rum. Aber auch so bieten In Flames ihren Fans genügend Unterhaltung: die Lichtshow kann sich durchaus sehen lassen, denn in Sachen Optik lassen sich die Schweden weitgehend nicht lumpen.
Die Band selbst spielt routiniert und auch erfrischend lebhaft auf. Alle sind in Bewegung und Fronter Anders Fridén ist nicht nur weitgehend gut bei Stimme, sondern auch zur Kommunikation mit dem Publikum aufgelegt. Als gleich zu Beginn des Gigs ein Schuh auf die Bühne fliegt, schaut er sich das Ding nur an, hebt den Fuß und meint: Danke, aber ich hab meine eigenen Schuhe dabei.
Inzwischen ist es vor der Bühne rappelvoll und es gibt fast kein Durchkommen mehr. Auch wenn das Publikum sichtbar seinen Spaß hat, finden sich doch nur vereinzelt Crowdsurfer und die Security hat einen relativ ruhigen Nachmittag. Zum Circle-Pit sind die Nummern der Schweden auch nicht mehr unbedingt geeignet, und so hat man eigentlich von überall die Möglichkeit, sich den Gig in aller Ruhe anzuschauen. Nach der Zugabe ist um kurz nach zehn schließlich Schicht im Schacht, und draußen wartet schon manch Elternteil, um den Nachwuchs sicher nach Hause zu bringen.