laut.de-Kritik
Die Könige der moderne Rockmusik.
Review von Josef GasteigerWer am 6. Dezember in München weilte, der bekam hoffentlich ein paar warme und wasserfeste Stiefel vom bärtigen Typen in Rot. Denn Regen, Schnee und Kälte verwandelten den Olympiapark in kürzester Zeit in einen sintflutartigen Wasserpark. Für die Kings of Leon nahmen aber unzählige Wettererprobte die Nässe in Kauf und pilgerten schon Stunden vor Einlass zur Olympiahalle.
Trotzdem füllt sich die Halle zunächst nur langsam, daran können auch die Garagerocker von The Whigs nichts ändern. Dem Publikum ist die Vorband wie immer herzlich egal, Geschrei gibt's nur beim obligatorischen "Freut ihr euch schon auf die Kings of Leon?". Parker Gispert (Gitarre, Vocals) kümmert das natürlich wenig, er und seine Kollegen haben sichtlich Freude, mal vor großem Publikum spielen zu dürfen.
Die Damen gehen steil
Mittlerweile ist das junge Indie-Volk in karierten Hemden und stylischen Mützen vollends angerückt - der Damenanteil ist hoch. Um Punkt viertel nach neun gehen die Lichter aus, und das Publikum steil. "Crawl" vom großartigen "Only By The Night"-Album als Opener beinhaltet alles, was an den Kings abgefeiert wird: fette Bässe, kratzende Gitarren (inklusive einem alleszerschmetternden Solo), garniert mit dem Reibeisen Caleb Followill.
"Molly's Chambers" und "Radioactive" stellen im Anschluss chronologisch beide Enden des Leon'schen Schaffens dar, fügen sich dennoch reibungslos aneinander. Das Set lehnt sich schwer an die neueren Alben an, mit einigen seltenen Einwürfen aus der Frühzeit. Die Songs werden perfekt in Studiomanier durchexerziert, viel Bewegung herrscht nicht auf der Bühne. Ein Schritt zur Seite, ein leichtes Kopfnicken oder ein verträumter Blick zur Hallendecke ist da schon das Höchste der Gefühle.
Musik geht vor
Auch das Bühnendesign ist schlicht, eine Lichterwand und zwei Videowalls mit durchwegs filmreifen Bildern setzt das Onstage-Happening schön in Szene. Dem Ruf, die Musik vor die Show zu stellen, wird die Band gerecht.
Das Ganze schrammt zwar leicht an Unterkühlung und Arroganz vorbei, doch der Atmosphäre tut dies keinen Abbruch. Die Gebrüder plus Cousin Followill haben das Publikum so oder so in der Tasche. Man feiert, springt und singt aus vollem Halse mit. Das bloße Auftauchen der Band, die sich bisher in Deutschland eher rar machte, ist für die ausverkaufte Olympiahalle Grund zur Party.
Meine Gitarre ist Gott
Handwerklich widerstehen die Kings auch jedem Zweifel. Besonders Nathans Schlagzeugspiel und Backingvocals stechen an diesem Abend hervor. Matthew hat seine eigene Version des John-Frusciante-meine-Gitarre-ist-euer-Gott-Gesichtsausdrucks perfektioniert und ruft mühelos die deckensprengenden Sounds des aktuellen Albums "Come Around Sundown" ab.
Das aktuelle Sauwetter hingegen lässt Calebs Stimme nicht ungeschoren davonkommen. Schon am Samstag in Wien gab es nur ein verkürztes Set, und auch in München spricht er immer wieder davon, dass sein Hals ziemlich "fucked up" sei. Da muss der Roadie schon mal nach jedem Song seinem Chef einen Shot Hustensaft vorbeibringen. Resultat: eine absolut raue, aber umso intensivere Vocal-Leistung des Ober-Followills.
Arsch hoch, aber flott
Trotzdem ist er noch gut genug bei Stimme, um vor "Back Down South" das größtenteils sitzende Publikum auf den Rängen zum Aufstehen zu bewegen. Wenn jemand die Show nicht gefalle, könne er ruhig sitzen bleiben, sonst wäre es schön, wenn man seiner Begeisterung Ausdruck verleiht. Schließlich sei es doch ein Rockkonzert. Word, lieber Caleb!
Nach einer Stunde verlassen die Könige mit dem kongenialen Duo "Knocked Up" und dem Stimmungshighlight "Use Somebody" die Bühne. Die Fans lassen sich natürlich damit nicht abspeisen und holen sie nach langer Pause auf die Bühne. Nach einem zwingenden "Closer", einem Singalong-"Sex On Fire" und dem verdammt hart groovenden "Black Thumbnail" ist endgültig Schicht im Schacht. 95 Minuten Spielzeit, da wäre natürlich mehr drin gewesen (beispielsweise "Milk", "The Bucket", "Be Somebody" ...).
Aber die Tour dauert ja noch an, und selbst Rockstars müssen auf ihre Stimme achten.