laut.de-Kritik
Ohne ihre agile Sängerin Sian Evans wären Kosheen live so ziemlich zum Wegschnarchen.
Review von Michael EdeleDer eigentliche Grund meines Besuchs der Darmstädter Centralstation ist eindeutig die inzwischen zweite Europa-Rundreise der Kanadier The Vincent Black Shadow. Hatte ich die Band letztes Jahr während der Popkomm noch verpasst, war ich doch ziemlich heiß drauf, die drei Brüder Kirkham und ihre zierliche Sängerin Cassandra Ford live in Aktion zu erleben.
Nach dem vorhergegangenen Interview, in dem sich die Dame sehr zurückhaltend, mit leichtem Anflug von Arroganz zeigte, sollte sich ein ähnliches Bild leider auch auf der Bühne abzeichnen. Gitarrist/Songwriter Rob ist der eindeutige und leider auch einzige Aktivposten der Band. Er übernimmt nicht nur die meisten Ansagen, sondern kommuniziert jederzeit auch mit dem Publikum und sorgt für Bewegung auf der – zugegeben – sehr beengten Bühne. Cassandra verfügt zweifellos über eine verdammt starke Stimme und setzt diese auch gekonnt ein. Allerdings steht sie doch als Sängerin und Entertainerin auf der Bühne und sollte diesen Pflichten doch etwas besser gerecht werden.
Dank Robs witzigen Sprüchen kann sich die Dame zwar hin und wieder ein Lächeln nicht verkneifen, ansonsten wirkt sich aber nicht kühl/distanziert/lasziv, sondern einfach nur arrogant/genervt/gelangweilt. Auch Keyboarderin Mary Ancheta dürfte vielleicht mal das eine oder andere Lächeln aufsetzen und nicht dastehen wie die personifizierte graue Maus. Trotzdem zeigten sich zahlreiche der anwesenden Zuschauer von der Musik der Kanadier angetan, und so dürften einige neue Fans dazu gekommen sein. Wenn sich der Rest der Band bald mal ein Beispiel an der Spielfreude von Rob und Drummer Tony nimmt, wird man von The Vincent Black Shadow hoffentlich noch öfters hören. Immerhin ist das Debüt "Fear's In The Water" in den Staaten schon ne ganze Zeit länger auf dem Markt, als hier in Deutschland.
Nach einer kurzen Umbaupause wird es relative geräumig auf der Bühne und dann zeigt sich, warum die Centralstation gerappelt voll ist. Kosheen wandern auf die Bretter, und von der ersten Sekunde an richtet sich die Aufmerksamkeit voll und ganz auf Sängerin Sian Evans. Keine Ahnung, wo sich Cassandra zu der Zeit rumtreibt, aber wenn sie mal sehen will, was eine gute Performerin ist, dann hätte sie hier und jetzt die Gelegenheit dazu. Die Frau hat nicht nur Spaß an ihrem Job auf der Bühne, scheinbar gibt es für sie kaum was Besseres. Auch wenn ich persönlich Cassandras Stimme den Vorzug gebe, so sticht Sian die kleine Asiatin doch locker in Sachen Charme, Ausstrahlung und vor allem Kommunikation aus. Ständig ist sie in Bewegung und sucht den Kontakt zu ihren anwesenden Fans.
Daneben verblasst ihre Begleitband allerdings vollkommen. Gitarrist Decoder hat den Bewegungsradius von einer Straßenlaterne und legt auch eine ähnliche Spielfreude an den Tag. Keine Ahnung, was es vorher zu essen gab, aber so passiv stehe ich höchstens mit ner Magenverstimmung auf der Bühne. Neben Powerfrau Sian ist es gerade noch der hinter durchsichtigen Plastikscheiben versteckte Drummer, dem man den Spaß an der Liveshow anmerkt. Auch die beiden Keyboarder konzentrieren sich weitgehend auf ihre Werkzeuge und verstecken sich hinter ihrer Fronterin.
Das Publikum scheint's nicht zu stören, die tanzen und hüpfen munter auf und ab, singen bei den alten Nummern mit und freuen sich über die neuen vom gerade erschienen Album "Damage". Musikalisch waren beide Acts an diesem Abend über jeden Zweifel erhaben. Was die Live-Darbietung angeht, gibts bei beiden noch Nachholbedarf.