laut.de-Kritik
Der Hype des Jahres zeigt sich wundervoll unzugänglich.
Review von Andreas BättigSeit Wochen geistert die Frage durch die Welt von Indie-Liebhabern: "Kennst du eigentlich MGMT?" So ist es auch nicht erstaunlich, dass der Gig in der Züricher Mascotte schnell ausverkauft war. Mund-zu-Mund-Propaganda at it's best.
Doch wer sich an diesem Abend auf ein reines 80er-Glamrock-Konzert mit Elektrospielereien einstellt, irrt gewaltig. So unkonventionell MGMT selbst sind, so unkonventionell ist ihr Konzept. Wer MGMT-Stücke nur in Albumversion kennt, kennt die Band nicht wirklich.
Zuerst gibt es an diesem Abend Rock aus Italien auf die Ohren. Verdena sind schon lange dabei, zwei Brüder sowie eine Bassistin. Den Auftritt vermasseln sie trotzdem so richtig. Mit ihrem Mix aus brachialer Gitarrengewalt und noch brachialeren Schlagzeugbeats kommen sie beim Publikum gar nicht mal so schlecht an.
Doch immer wieder verpasst das Trio Übergänge oder muss Songs nach 15 Sekunden abbrechen, weil jeder irgendetwas anderes spielt. Gegen Ende des Konzerts fasst Sänger Alberto Ferrari den Auftritt schon mal mit den Worten zusammen: "Sorry, we really suck tonight." Einige italienische Flüche werden (schreiend) ausgetauscht, bis Schlagzeuger Luca Ferrari kurzerhand die HiHat packt und in Richtung Bruder Alberto marschiert.
Zuerst sieht es so aus, als ob er damit auf ihn einschlagen oder den Ständer zumindest ins Publikum werfen möchte. Dabei schreit ihm Alberto auf italienisch ein verwirrtes "Was machst du hier für eine Scheiße?" entgegen. Kurz danach verschwinden alle in den Backstage-Bereich. Liam und Noel Gallagher hätten keinen schöneren Bruderstreit inszenieren können.
Ausufernde Rockismen statt Synthglam
Wirft man hiernach einen Blick in die Runde, entdeckt man ein angenehm heterogenes Publikum. MGMT betreten zu fünft die Bühne und lassen sie es mit "Weekend Wars" zunächst verhältnismäßig ruhig angehen. Andrew Van Wyngarden steht mit farbigem Seidenmantel, nackter, magerer Brust und wuscheligem Lockenkopf am Mikrofon, Ben Goldwasser bedient das Keyboard.
Etwas mehr Tempo nehmen sie mit "Future Reflecions" auf. Van Wyngarden wirkt auf der Bühne dabei sehr schüchtern. Das Publikum nimmt den Sound zwar verhalten, aber sehr neugierig auf. Die Stimmung hat etwas Sphärisches. Bereits hier scheren aber MGMT gegen Ende des Stücks gegenüber der Albumversion komplett aus. Anstatt das Lied langsam ausklingen zu lassen, schrubbelt der Gitarrist wie wild an der Klampfe, der Bass dröhnt, das Schlagzeug wirbelt Beats durch die Luft. Nein, so hat man MGMT wohl noch nicht gehört: Alternative-Rock vom Feinsten.
Es braucht schon einigen Mut, das Publikum mit einem Genre zu konfrontieren, das es in dieser Form nicht erwartet hat. MGMT geben sich unzugänglich und sperrig und nehmen in Kauf, ihre Zuhörerschaft latent zu überfordern. Die erwartet Synthiepop und bekommt harten Gitarrenrock.
Doch bereits mit dem wundervollen "The Youth" holen die Amerikaner dïe Konzertbesucher zurück. "The youth is starting to change / Are you starting to change? / Are you?", fragt Andrew. Nach "Pieces Of What" und "4th Dimensional Transition", bei denen die Gitarren ebenfalls laut und verzerrt auftreten, folgt der Tanzhit "Electric Feel".
Eine ideale Ausgangslage für ihren wohl bekanntesten Hit: "Time To Pretend". Der Synthie dröhnt nun durch die Mascotte und die Meute tapst noch ein bisschen intensiver. Nach "The Handshake" verschwindet die Band von der Bühne. Natürlich klatscht das Publikum sie zurück, schließlich haben sie "Kids" noch nicht gespielt.
Die Fans werden nicht enttäuscht. Die Reaktion ist ein in Tanzmoves verpacktes ENDLICH! Glückseligkeit macht sich breit. Nur wenige Minuten nach dem Konzert steht der völlig verschwitze Andrew Van Wyngarden hinter einem kleinen Tisch beim Merchandise-Stand und gibt zurückhaltend Autogramme. Abhängen im Backstage-Bereich? Nicht bei MGMT.