laut.de-Kritik
Mike Patton: Adrenalin und Unterhaltung pur.
Review von Eberhard DoblerWer Fântomas' Doublebassdrum-Attacken nicht erträgt, den Überblick über Mike Pattons Output verloren hat und ihn dennoch mal live erleben will, der war in der Zürcher Roten Fabrik genau richtig (jeder, der diesen Kult-Laden nicht kennt, ist übrigens arm dran). Peeping Tom dient als Pop-Projekt des ehemaligen Faith No More-Fronters und Workaholic-Weirdos - und erfüllte mal wieder alles, was man von einem Patton-Konzert erwartet: Adrenalin, Vokalakrobatik und Unterhaltung pur.
Im Al Capone-Look legte Patton, der Showman vor dem Herrn, gleich mal mit einem Non Album-Track los. Gebannt starrten alle auf den Sänger, der auf manch einen anziehend (Frauentyp!), aufgrund seines durchgeknallt kontrollierten Auftretens aber zugleich abstoßend wirken mag. Allein: Solche Bühnenpräsenz entwickelt man nicht auf Stadionbühnen, sondern in endlosen Club-Gigs, ähnlich der Fähigkeit, nie einen falschen Ton abzugeben, wie wild es auf der Bühne auch zugehen mag. Angeboren dagegen: Pattons Charisma.
Wie das Peeping Tom-Album vermuten lässt, folgte ein zumeist Alternative-Hip Hop-lastiger Sound-Trip. Knallten beim instrumentalen Support Dub Trio, die live doppelt so hart wie auf Platte rüberkommen, noch Hardcore, dubbige Soundlandschaften und Metal aus den Boxentürmen (P.O.D. könnten von deren erstaunlich organischen Mix noch was lernen), wurden bei Patton und Co. die Vocals - natürlich besonders die des Meisters selbst - in den Vordergrund gemischt. Auch die Soundfülle wurde reichhaltiger.
Turntabler Derrick war mit zwei Decks und drei Powerbooks ausgestattet, Soul-Vokalistin Imani Coppola griff zuweilen zur Violine, Bram Inscore hatte sich eine Keyboard-Sitzburg zurecht gezimmert, Rahzel muss man kaum mehr vorstellen und das Dub Trio stellte sich als Backline zur Verfügung - auf der Bühne ist genug los. Gas gibt aber vor allem einer: der Chef persönlich.
Und zwar derart, dass es einem zuweilen vorkommt, als hätte der ein oder andere Mitmusiker mit Pattons Ego ein Problem. Ein Rahzel fällt abgesehen von seinen Rap-Einlagen sowie der bassigen Beat Box-Solo-Performance (u.a. mit "Sexy Back" und "Seven Nation Army"), die das Publikum minutenlang bannt, eher weniger auf - Bewegung auf der Bühne ist eh nicht seins. Und Keyboarder Bram Inscore, Typ Murray Bozinsky (Trio mit vier Fäusten), scheint froh zu sein, am Rand der Bühne sitzen zu dürfen, wenn der Chef Saal und Band auffordert, zur Textzeile "And I know that assholes grow on trees and I'm here to trim the leaves" ("Don't Even Trip") lustvoll den Mittelfinger in die Höhe zu recken.
Für Unterhaltung und Hip Hop-mäßige Animation war also bestens gesorgt. Am meisten überzeugten aber die Songs. Die recht gut gefüllte Rote Fabrik starrte entweder auf die Bühne, war am kopfnicken oder abtanzen zu toughen Hip Hop-Stücken wie "Mojo", "How You Feelin'" oder "Getaway", ließ sich von den eingestreuten Hardcore-Attacken in "Five Seconds" mitreißen oder von "Caipirinha" und "Sucker" betören. Höhepunkte des Abends: das monumentale "Kill The DJ" und das letzte Stück "We're Not Alone", das von allen Tracks am meisten nach Faith No More klingt.
Am Ende könnte Kollege Friedrich Recht behalten - Konzert des Jahres. Denn ein Highlight hatten sich Patton und Rahzel, der sich als astreiner Soul-Sänger entpuppte, für die vehement geforderte Zugabe aufgehoben: eine energetische Rock-Version des Bobby Womack-Klassikers "Across 110th Street", nachdem Zürich-Fan Patton zur Einstimmung noch vom früheren städtischen Drogen-Pflaster Platzspitz erzählte. Alles richtig gemacht an diesem Abend.