Style vs. Politik: Goldene Zitrone disst Jan Delay
vom 5. Dezember 2009
"Jan Delay bekennt sich offen zu seiner politischen Haltung. In seinen Liedern rügt er die Macht großer Konzerne und moniert deutsche Verklemmtheiten. Er bekundet seine Sympathie zum linksautonomen Schwarzen Block und unterstützte die Proteste zum G8-Gipfel in Heiligendamm."
Ein grundlegendes Axiom ist aber den kommunistischen Bewegungen aller Prägungen gemeinsam: Dass sie alle Fragen am Begriff der sozialen Klassen aufziehen. An der Frage der Besitzverhältnisse und der Stellung des Menschen im Produktionsprozess. Sowohl bei der Analyse als auch beim Entwurf.
Das ist das Identitäre am Kommunismus und deshalb sehe ich diese Bewegungen auch prinzipiell absolut kritisch. Der Nationalismus zieht alles an der Frage der Nationenzugehörigkeit auf, der Kommunismus an der Frage der Klassenzugehörigkeit. Immer stehen als statisch, unverrückbar und zentral angesehene WIR-Gefängnisse im Mittelpunkt, denen man (angeblich) nicht entrinnen kann.
Das ist aber nicht nur eine Frage der pesönlichen Wertung. Es stimmt auch einfach nicht als Modellansatz. Alle diese Zugehörigkeiten sind spätestens mit der Globalisierung volatil und dynamisch geworden.
Und der klassische, im marxistischen Sinne ausgebeutete Arbeiter oder Angestellte kommt als allerletzter für eine revolutionäre Veränderung der Verhältnisse in Frage.
Ein Kommunismus ohne den marxistischen Klassen-Ansatz aber - geht'n das?
Aber um mal auf den Ausgangspunkt der Diskussion zurückzukommen: Neulich hörte ich im Radio, der Hamburger Senat habe das Gängeviertel "Valentinskamp" von einer holländischen Investorengruppe wieder zurückgekauft. Dahinter stehe die Initiative einer ansässigen Künstlergruppe. Und die Zukunftsvision sei wieder ein genossenschaftlich verwaltetes, alternatives Kunst- und Wohnprojekt anstelle einer kommerziell ausgerichteten Luxussanierung. Ich habe irgendwie den Eindruck, der Interessenausgleich in solchen Fragen, geht komplett an der ganzen Links-Rechts-Front vorbei.
Ich sehe tatsächlich eben keine Kausalität zwischen der Ideologie der Revolutionäre und dem politstrukturellen Ergebnis der Revolution, sondern behaupte, dass es die Logik einer gewaltsamen Transformation einer Gesellschaft mit stark gegenläufigen Kontrahenten ist, die mit hoher Wahrscheinlichkeit (ich halte nichts von Menschen Gemachtes für zwangsläufig) zu einem Terrorregime von einer der beiden Seiten führt.
Du sagst, kommunistische Revolutionen führen in den Terror. Ich sage: Jede Revolution führt in den Terror. Das hat gar nichts mit der Ideologie der Revolutionäre zu tun bzw. nur insofern, dass die Auseinandersetzung umso heftiger ist, je größer die Unterschiede in den Gesellschaftsvorstellungen und der Fall der Privilegierten. »):
Das ist Unbestreitbar. Man könnte sich höchstens darüber streiten, ob die marxistische Theorie der "Diktatur des Proletariats" (oder auch die leninistische Theorie von der "Partei neuen Typus") nur taktisch notwendige Brücken hin zur klassenlosen Gesellschaft des Kommunismus sind oder eine immanente Tendenz zur Verselbständigung aufweisen. Ob es ihnen gewissermaßen systematisch innewohnt, dass sie bei der Realisierung gesetzmäßig das Fernziel "Kommunismus" vergessen lassen müssen. Ich behaupte: Ja. Und ich meine, das hängt mit dem nicht-meritokratischen Charakter dieser (angeblichen) "Zwischen"-Phase zusammen. Die unbalancierten Machtverhältnisse auf der Basis der (alten) Klassen auf dere einen Seite plus einem Vakuum, das sich aus der kreativen und ökonomischen Impotenz mangels Wettbewerb ergibt, schaffen diese typische Zwischenwelt der Parteifunktionäre und Sicherheitsbeamten, die ohne Einwirkungen von außen auf ewig bestehen würde. Und deren Lebensgarant ist Diktatur und Terror. Auch wenn der in höchst unterschiedlichem Maße moderat oder brutal ausfällt. Es gab im realen Sozialismus auch in 40 Jahren nicht den Millimeter einer Bewegung in Richtung auf Kommunismus.
In Gesellschaften wie dem modernen China, das ist das Interessante, fällt dieser zweite Gesichtspunkt völlig weg. Hier heißt es durchaus: Bereichere Dich! Und hier sind auch durchaus diverse Möglichkeiten tatsächlicher realer Bereicherung aus einer ganz und gar individualistischen Perspektive gegeben. Insofern glaube ich kein Stück von der These der "asiatischen Kultur" einer natürlichen Unterordnungsbereitschaft. Die Formen von Gewalt und Diktatur, die wir hier zweifellos antreffen, müssen wir anders erklären.
die dürfen sich nicht wundern wenn se keine anhänger finden, es kann ja schließlich nicht jeder politik oder "gesellschaftsforschung" studieren. anders wird man den inhalt des textes aber kaum verstehen können.
@ansbacherin (« die dürfen sich nicht wundern wenn se keine anhänger finden, es kann ja schließlich nicht jeder politik oder "gesellschaftsforschung" studieren. anders wird man den inhalt des textes aber kaum verstehen können. »):
Ganz genau! Kann eben nicht jeder Hits wie "Krieger des Lichts" schreiben.
@Kukuruz (« Ein Kommunismus ohne den marxistischen Klassen-Ansatz aber - geht'n das? »):
Nur mal als Einschub, ich hab jetzt nicht den ganzen Thread gelesen: Klar geht das! Gerade im schönen Deutschland glaubt so mancher Wertkritiker oder Antideutsche, durch die Liquidierung des Klassenbegriffs entgültig mit dem Traditionsmarxismus aufgeräumt zu haben.
Im Übrigen scheint mir die Behauptung, der Klassenbegriff habe etwas mit "Wir-Gefühl" zu tun, aus irgend einer postmodernen Erzählung zu stammen. Klasse hat nix mit "Gefühl" zu tun. Es ist ein objektiver Begriff, eine Kategorie unter der Mensch eben fällt, wenn er doppelt frei ist. Wenn er frei ist, seine Arbeitskraft an den Bestbietenden zu verkaufen und gleichzeitig frei von allen Lebensmitteln ist, also seine Arbeitskraft verkaufen MUSS, um an Produktionsmittel zu kommen. Und das ist entweder der Fall oder eben nicht. Und wenn man sich auf den Kopf stellt.
"Jan Delay bekennt sich offen zu seiner politischen Haltung. In seinen Liedern rügt er die Macht großer Konzerne und moniert deutsche Verklemmtheiten. Er bekundet seine Sympathie zum linksautonomen Schwarzen Block und unterstützte die Proteste zum G8-Gipfel in Heiligendamm."
Diesem Wikipedia-Image …
Ein grundlegendes Axiom ist aber den kommunistischen Bewegungen aller Prägungen gemeinsam: Dass sie alle Fragen am Begriff der sozialen Klassen aufziehen. An der Frage der Besitzverhältnisse und der Stellung des Menschen im Produktionsprozess. Sowohl bei der Analyse als auch beim Entwurf.
Das ist das Identitäre am Kommunismus und deshalb sehe ich diese Bewegungen auch prinzipiell absolut kritisch. Der Nationalismus zieht alles an der Frage der Nationenzugehörigkeit auf, der Kommunismus an der Frage der Klassenzugehörigkeit. Immer stehen als statisch, unverrückbar und zentral angesehene WIR-Gefängnisse im Mittelpunkt, denen man (angeblich) nicht entrinnen kann.
Das ist aber nicht nur eine Frage der pesönlichen Wertung. Es stimmt auch einfach nicht als Modellansatz. Alle diese Zugehörigkeiten sind spätestens mit der Globalisierung volatil und dynamisch geworden.
Und der klassische, im marxistischen Sinne ausgebeutete Arbeiter oder Angestellte kommt als allerletzter für eine revolutionäre Veränderung der Verhältnisse in Frage.
Ein Kommunismus ohne den marxistischen Klassen-Ansatz aber - geht'n das?
Aber um mal auf den Ausgangspunkt der Diskussion zurückzukommen: Neulich hörte ich im Radio, der Hamburger Senat habe das Gängeviertel "Valentinskamp" von einer holländischen Investorengruppe wieder zurückgekauft. Dahinter stehe die Initiative einer ansässigen Künstlergruppe. Und die Zukunftsvision sei wieder ein genossenschaftlich verwaltetes, alternatives Kunst- und Wohnprojekt anstelle einer kommerziell ausgerichteten Luxussanierung. Ich habe irgendwie den Eindruck, der Interessenausgleich in solchen Fragen, geht komplett an der ganzen Links-Rechts-Front vorbei.
@Thelema («
Ich sehe tatsächlich eben keine Kausalität zwischen der Ideologie der Revolutionäre und dem politstrukturellen Ergebnis der Revolution, sondern behaupte, dass es die Logik einer gewaltsamen Transformation einer Gesellschaft mit stark gegenläufigen Kontrahenten ist, die mit hoher Wahrscheinlichkeit (ich halte nichts von Menschen Gemachtes für zwangsläufig) zu einem Terrorregime von einer der beiden Seiten führt.
Du sagst, kommunistische Revolutionen führen in den Terror. Ich sage: Jede Revolution führt in den Terror. Das hat gar nichts mit der Ideologie der Revolutionäre zu tun bzw. nur insofern, dass die Auseinandersetzung umso heftiger ist, je größer die Unterschiede in den Gesellschaftsvorstellungen und der Fall der Privilegierten. »):
Das ist Unbestreitbar. Man könnte sich höchstens darüber streiten, ob die marxistische Theorie der "Diktatur des Proletariats" (oder auch die leninistische Theorie von der "Partei neuen Typus") nur taktisch notwendige Brücken hin zur klassenlosen Gesellschaft des Kommunismus sind oder eine immanente Tendenz zur Verselbständigung aufweisen. Ob es ihnen gewissermaßen systematisch innewohnt, dass sie bei der Realisierung gesetzmäßig das Fernziel "Kommunismus" vergessen lassen müssen. Ich behaupte: Ja. Und ich meine, das hängt mit dem nicht-meritokratischen Charakter dieser (angeblichen) "Zwischen"-Phase zusammen. Die unbalancierten Machtverhältnisse auf der Basis der (alten) Klassen auf dere einen Seite plus einem Vakuum, das sich aus der kreativen und ökonomischen Impotenz mangels Wettbewerb ergibt, schaffen diese typische Zwischenwelt der Parteifunktionäre und Sicherheitsbeamten, die ohne Einwirkungen von außen auf ewig bestehen würde. Und deren Lebensgarant ist Diktatur und Terror. Auch wenn der in höchst unterschiedlichem Maße moderat oder brutal ausfällt. Es gab im realen Sozialismus auch in 40 Jahren nicht den Millimeter einer Bewegung in Richtung auf Kommunismus.
In Gesellschaften wie dem modernen China, das ist das Interessante, fällt dieser zweite Gesichtspunkt völlig weg. Hier heißt es durchaus: Bereichere Dich! Und hier sind auch durchaus diverse Möglichkeiten tatsächlicher realer Bereicherung aus einer ganz und gar individualistischen Perspektive gegeben. Insofern glaube ich kein Stück von der These der "asiatischen Kultur" einer natürlichen Unterordnungsbereitschaft. Die Formen von Gewalt und Diktatur, die wir hier zweifellos antreffen, müssen wir anders erklären.
die dürfen sich nicht wundern wenn se keine anhänger finden, es kann ja schließlich nicht jeder politik oder "gesellschaftsforschung" studieren. anders wird man den inhalt des textes aber kaum verstehen können.
@ansbacherin (« die dürfen sich nicht wundern wenn se keine anhänger finden, es kann ja schließlich nicht jeder politik oder "gesellschaftsforschung" studieren. anders wird man den inhalt des textes aber kaum verstehen können. »):
Ganz genau!
Kann eben nicht jeder Hits wie "Krieger des Lichts" schreiben.
@Kukuruz (« Ein Kommunismus ohne den marxistischen Klassen-Ansatz aber - geht'n das? »):
Nur mal als Einschub, ich hab jetzt nicht den ganzen Thread gelesen: Klar geht das! Gerade im schönen Deutschland glaubt so mancher Wertkritiker oder Antideutsche, durch die Liquidierung des Klassenbegriffs entgültig mit dem Traditionsmarxismus aufgeräumt zu haben.
Im Übrigen scheint mir die Behauptung, der Klassenbegriff habe etwas mit "Wir-Gefühl" zu tun, aus irgend einer postmodernen Erzählung zu stammen. Klasse hat nix mit "Gefühl" zu tun. Es ist ein objektiver Begriff, eine Kategorie unter der Mensch eben fällt, wenn er doppelt frei ist. Wenn er frei ist, seine Arbeitskraft an den Bestbietenden zu verkaufen und gleichzeitig frei von allen Lebensmitteln ist, also seine Arbeitskraft verkaufen MUSS, um an Produktionsmittel zu kommen. Und das ist entweder der Fall oder eben nicht. Und wenn man sich auf den Kopf stellt.