laut.de-Kritik
Pavement feiern Reunion, auch mit dem Publikum.
Review von Mathias DeneckeHeerscharen von Fußballfans des Lokalvereins säumen schon in den frühen Mittagsstunden die Straßen der Innenstadt Münchens und skandieren biersaufend semilyrische Parolen, um die ortsansässige Elf verbal zu unterstützen. In den kühlen Abendstunden mischen sich unter die Touristen und Sportbegeisterten schließlich immer mehr Malkmus-Jünger, die sich ihren Weg zum Veranstaltungsort bahnen.
Den Abend in der Muffathalle leitet der Support Health ein, der sich mit der Aufgabe bekleidet, die Menge allmählich zusammen zu treiben. Gegen zehn Uhr nachts verwaist die Biertheke dann schlagartig - Die Nacht des jüngsten Gerichts: Stephen Malkmus schreitet erhaben mit einem milden Lächeln auf die rechte Seite der rot-blau-ausgeleuchteten Bühne.
Mit tiefer gelegtem Pony und im hellblauen Hemd bekleidet, predigt er mit seinem Saiteninstrument vor einer friedlichen, aber rasend-begeisterten Anhängerschaft. Der Opener kündigt bereits an, dass die musikalischen Maßstäbe nach dem Konzert andere sein werden: "Music scene is crazy, bands start up each and every day." ("Cut Your Hair") Sir Malkmus, kaum gealtert, degradiert erkenntnisreich alles Vorangegangene zum Knabenchorgitarrenpop: "School's out, what did you expect?" ("Range Life").
Man fühlt sich lebendiger und losgelöster denn je. Malkmus spielt die Gitarre wie gewohnt wahlweise über seinem Kopf oder von sich weg ins Publikum gestreckt. Zu Liedpassagen ohne Saiteninstrument illustriert er die Texte mit wellenförmigen Armbewegungen und wiegt mit seinen Hüften den Gitarrenkorpus.
Die Anhängerschaft unterstützt gesanglich und wie besessen den Fronter beim Vortrag und verfällt unwiderruflich der Synthese von dezenter Noise-Orgie, Melodie und Lo-Fi. Das zwei Stunden lange Set negiert jegliches Zeitgefühl. Die Lieder schöpft die Band aus ihrem breiten 90er-Jahre-Fundus. Es erweist sich jedoch als infam, einzelne Songs als Publikumslieblinge zu stilisieren. Alle Lieder sind schlichtweg von galaktischen Ausmaßen, was einen unmittelbar die absolute Selbstaufgabe vollziehen lässt und ein inniges Bild schafft: Publikum und Band (wieder) im Einklang. Eben nicht nur eine Reunion seitens Pavement, sondern auch die von Publikum und Band.
Zum vorletzten Song ("Two States") setzt sich Malkmus an die Drums, die Verabschiedung vollziehen sie kurz aber höflich. Langsam tingelt die Masse zum Ausgang und tauscht erste Konzerteindrücke aus.
Die Welt draußen scheint neu. Die Straßen schimmern vom nächtlichen Regenguss. Die Ohren dröhnen, die Gesichter sind verschwitzt. Die Fußballfans sind verschwunden. Ausgelaugt und euphorisiert verschwindet auch die Menge in taxigerechten Grüppchen in der Nacht Münchens.