laut.de-Kritik
Zwei Stunden brachiale Power in Wien.
Review von Alexander EngelenSeit Jahr und Tag beschwere ich mich über die Länge bzw. Kürze von Rap-Konzerten. Dann steh ich vor dem "größten Hip Hop-Act aller Zeiten" und hoffe, dass der Spaß bald vorbei ist. Liegt es daran, dass Public Enemy seit gefühlten Jahrzehnten kein relevantes Material mehr veröffentlicht haben oder daran, dass mit Chuck D. und Flavor Flav die vermutlich unstylishsten Vertreter des Genres auf der Bühne stehen?
Dennoch: 21 Jahren nach ihrem letzten Konzert in Österreich beehrten Public Enemy das Wiener Gasometer und waren sichtlich bemüht, die überraschend zahlreich angereisten Besucher davon zu überzeugen, dass man es als Endvierziger auch im Rap-Gewand den Rock-Vorbildern gleichtun kann. Doch die Selbsteinschätzung als "Rolling Stones des Hip Hop" kann eben durchaus negativ ausgelegt werden.
Wie als Beweis der körperlichen Fitness lief Chuck D. ein wenig unpassend mit kurzarmigen und -beinigen Sportdress auf, und Flav präsentierte seinen Trademark-Stil des in die Jahre Gekommenen, an dessen Puls die Zeit nagt - der Wecker um den Hals blieb im schlichten Design und offensichtlich ohne Batterie (Uhrzeit: 12.00).
Unterstützung holte man sich von zwei Vertretern der hauseigenen Security of the First World, die seit eh und je die PE-Liveshows mit ihren gewöhnungsbedürftigen Militär-Choreographien begleiten. Zudem zementierten Live-Drums, Gitarre und Bass eindrücklich den patentierten Bomb Squad-Sound der legendären Crew.
Und hier offenbarte sich ein offensichtliches Manko der knapp zweistündigen Show: die überbordenden Drum-Kits, die schreiende Sample- und Gitarren-Versatzstücke liefen nach einigen Songs schlichtweg ins Leere. Soundbrei der Marke brachial. Dazu rannte ein wild gewordener Hypeman, der diesen Job vor zwei Jahrzehnten quasi erfunden hat, wie wild über die Bühne, um den kaum verständlichen Parolen schweren Texten des ungelenken Sprachrohrs mit dem nötigen Entertainment zu unterlegen. "Yo! Bum Rush The Show".
Aber Blasphemie hat natürlich im Kontext einer für ein gesamtes Genre sinnstiftenden Institution wenig Platz - unreflektierte Götzenverehrung aber auch nicht. Auf Tracks wie "Fight The Power", "Don't Belive The Hype", "Bring The Noise" und "Public Enemy Nr. 1" antwortete das bunt gemischte Publikum energisch, wobei Flavor Flav gegen Ende deutlich Mühe hatte, die Crowd von seiner Stagedive-Idee zu überzeugen.
Auf das zehn Jahre alte "He Got Game" und das recht aktuelle "Harder Than You Think" sprangen die spärlich gesäten jungen Rap-Heads dennoch an. Flavor Flav gab zum Schluss die passende Erklärung zum Abend: "Lasst euch nicht von irgendwelchen Rappern verarschen, die nur einstündige Shows spielen. Das ist Bullshit!" Und Chuck D., der sich ansonsten zurückhaltend dem Politischen widmete, fügte hinzu: "Bei Public Enemy kriegt ihr die volle Ladung. Kein Playback. Zwei Stunden Show voller Power!"